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Schwerpunkt Cool Roof / White Roof (B)


Im August 2018 berichtet ein Team um Zongfu Yu von der University of Wisconsin–Madison und Qiaoqiang Gan von der State University of New York in Buffalo, daß sich unterkühlte dünne Filme aus auch Polydimethylsiloxan (PDMS) herstellen lassen, einem Silikonmaterial, das in Produkten wie Schmiermitteln, Haarspülungen und Hüpfkitt enthalten ist, indem es auf eine reflektierende Unterlage gesprüht wird (‚A polydimethylsiloxane-coated metal structure for all-day radiative cooling‘). Tests ergeben, daß ein mit einer 100 µm dicken Schicht aus PDMS besprühter Aluminiumfilm 11°C kühler bleibt als die Umgebungsluft.

Nachts kondensiert Wasserdampf auf Oberflächen, die Wärme an den klaren Nachthimmel abgeben, zu Tau – ein Effekt, der seit Jahrhunderten genutzt wird, um Wasser einzufangen. In einer bereits im Juni veröffentlichten Studie berichtet das Team, daß eine mit PDMS beschichtete Aluminiumfolie nicht nur kühl bleibt, sondern auch die Wasserkondensation während des Tages verbessern kann  (‚Accelerating vapor condensation with daytime radiative cooling‘). Um das neue Gerät zu vermarkten gründen Yu und Gan in Buffalo eine Firma namens Sunny Clean Water.


Forscher der Columbia University in New York City und des Argonne National Laboratory in Lemont, Illinois, berichten wiederum im Oktober 2018  über eine superkühle Farbe, die auf einer sprühbaren Polymerbeschichtung basiert (‚Hierarchically porous polymer coatings for highly efficient passive daytime radiative cooling‘). Demnach emittieren viele Polymere von Natur aus im Infrarotbereich von 8 – 13 µm, weil ihre chemischen Bindungen, wie die zwischen den Kohlenstoffatomen oder zwischen Kohlenstoff und Fluor, beim Dehnen und Entspannen Pakete mit Infrarotlicht ausstoßen.

Jyotirmoy Mandal – ehemals Student bei Yang und später Postdoktorand im Labor von Raman – stellt fest, daß der Schlüssel dazu die Stärkung der Fähigkeit der Polymere ist, das Sonnenlicht zu reflektieren. Hierzu löst er fluorierte Polymer-Vorläufer in Aceton mit einer kleinen Menge Wasser auf. Diese Mischung kann auf eine Oberfläche gesprüht werden, um eine gleichmäßige Polymerbeschichtung zu erzeugen, in der winzige Wassertröpfchen dispergiert sind. Das flüchtige Aceton trocknet zuerst, gefolgt von den Wassertröpfchen, und hinterläßt Poren, die sich mit Luft füllen. Das Gesamtergebnis ist eine weiße Beschichtung mit Poren im Inneren, die das Sonnenlicht reflektieren.

Das Ergebnis ist eine Beschichtung, die unter dem klaren sonnigen Himmel in Phoenix, Arizona, einen Temperaturabfall von 6°C aufweist, während sie im tropischen Klima von Bangladesch immerhin noch 3ºC kühler wird. Sie reflektiert über 96 % des einfallenden Sonnenlichts, strahlt etwa 97 % der vorhandenen Wärme in den Himmel, hält auf Metall, Holz oder Kunststoff, und ist auch nich widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse, Bewuchs und ultraviolette Strahlung.

Auch dieses Forschungsteam hat seine Erfindung patentiert und versucht nun, sie zu vermarkten. Hierfür lizenziert es die Polymerbeschichtung an das New Yorker Start-up MetaRE, das von Mandals Kollegen Nanfang Yu gegründet wurde und nun mit der Industrie zusammenarbeitet, um die Farbe für Dachdeckungen, Kühltransporte, Lagerung und Textilanwendungen zu entwickeln.

Eine besondere Herausforderung im Bereich der Architektur besteht allerdings darin, daß Strahlungskühlungen die Heizkosten im Winter erhöhen könnten. Um dieses Problem anzugehen, füllt Mandal die Poren der Polymerbeschichtung mit Isopropanol, wodurch die Beschichtung anfängt, Wärme einzufangen, statt sie abzugeben. Dies kann umgekehrt werden, indem Luft durch die Poren geblasen wird, um sie auszutrocknen. Die Veröffentlichung des entsprechenden Forschungsberichts erfolgt im Oktober 2019 (‚Porous Polymers with Switchable Optical Transmittance for Optical and Thermal Regulation‘).


Eine andere Methode verfolgt Prof. Mattheos Santamouris von der University of New South Wales in Sydney, der versucht, eine Flüssigkeitsschicht auf die unterkühlten Materialien zu bringen, die bei ausreichendem Temperaturabfall einfrieren würde. Sobald die Flüssigkeit erstarrt ist, kann die Strahlung nicht mehr in den Raum entweichen, so daß der Kühleffekt unterbrochen wird. Als Lehrkörper an der National and Kapodistrian University of Athens ist Santamouris übrigens auch Mitherausgeber der 2013 erschienenen Publikation ‚Advances in the Development of Cool Materials for the Built Environment‘, die im Netz einsehbar ist.


Eine im September 2019 veröffentlichte Untersuchung von David J. Sailor, der das Urban Climate Research Center an der Arizona State University in Tempe leitet und die neuen Entwicklungen als supercoole Materialien bezeichnet, zeigt, daß die Temperaturunterschiede an heißen, trockenen Orten mehr als 10°C betragen können (‚Potential energy and climate benefits of super-cool materials as a rooftop strategy‘).

Sailors Modellierungsarbeiten lassen vermuten, daß die Verwendung einer superkühlen Farbe die Energieeinsparungen im Vergleich zu einem konventionellen weißen Dach verdoppeln könnte.


Die Wissenschaftler suchen aber auch nach anderen Möglichkeiten, die Kühlbarkeit der Materialien zu erhöhen. So berichteten Evelyn N. Wang und ihre Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge im Oktober 2019, daß die Abdeckung eines Strahlungskühlungsfilms mit einem leichten, isolierenden Aerogel die Struktur in der trockenen Atacama-Wüste in Chile mittags um 13°C kühler hielt als die Umgebung, verglichen mit nur 1,7°C ohne das Aerogel (‚High-performance subambient radiative cooling enabled by optically selective and thermally insulating polyethylene aerogel‘). Das Aerogel-Konzept soll demnach auch mit anderen unterkühlten Materialien verwendet werden können.


Es bestehen allerdings noch Zweifel an der Fähigkeit der ober aufgeführten Materialien, in einer Vielzahl von Klimazonen zu arbeiten. Der Kühleffekt funktioniert am besten in trockenem Klima und bei klarem Himmel, denn wenn es bewölkt oder feucht ist, fängt der Wasserdampf die Infrarotstrahlung ein. Und die unterkühlten Materialien halten möglicherweise nicht bei jedem Wetter. Die Regionen, in denen der Effekt am besten funktioniert, sind Trockengebiete wie der Südwesten der Vereinigten Staaten oder der Nahe Osten, die hohe Anforderungen an die Klimaanlage stellen.


Kehren wir nun zu der allgemeinen Chronologie zurück, bei der uns als nächstes die solar reflektierenden Schindeln (Solar Reflective Shingles) der zur Saint-Gobain-Gruppe gehörenden Firma CertainTeed Corp. aus Valley Forge in Pennsylvania begegnen, die im übrigen auch Solarschindeln vertreibt (s.d.).

Die vermutlich ab 2011 angebotenen Produkte reflektieren wesentlich mehr IR-Strahlung als normale Dachflächen und halten dadurch die Innenräume von Gebäuden kühler. Die Verringerung von extremen Temperaturschwankungen reduziert zudem die Häufigkeit von Schäden an Dachsystemen.

Das Unternehmen hat mehrere solarreflektierende Schindeln in verschiedenen Stil- und Farboptionen zur Auswahl. Die Platinum Solarreflexionsschindeln der Solaris-Serie stellen der Firma zufolge einen Durchbruch dar, da sie eine Sonnenreflexionsrate von 40 % erreichen, die mit Abstand die höchste in der Asphaltschindelindustrie ist.


Daß sogar weiße Fahrzeuge Vorteile gegenüber andersfarbigen Modellen haben, erwähnt ein im August 2012 veröffentlichter Artikel, der sich primär mit dem Wertverfall verschiedener Gebrauchtwagen beschäftigt, der bei weiße Fahrzeugen am geringsten ist.

Da weiße Autos das Sonnenlicht besser reflektieren als andere Farben, werden sie im Inneren weniger heiß als andere Modelle, wodurch auch weniger giftige Gase aus Kunststoffen und anderen synthetischen Materialien entweichen, die sich an heißen Tagen im Inneren von Autos sammeln.


Im selben Monat erscheint ein Bericht von Prof. Wendelin Stark und seiner Forschungsgruppe an der ETH Zürich, die den bei Menschen und Tieren üblichen Prozeß des Schwitzens auch für die Kühlung von Gebäuden einsetzen möchten. Hierfür haben sie eine spezielle Matte entwickelt, mit der die Dächer bedeckt werden sollen.

Schwitzendes Dach Wärmebild

Schwitzendes Dach
(Wärmebild)

Regnet es, saugt sich die Matte wie ein Schwamm mit Wasser voll. Wird die Matte dann bei Sonnenschein warm, gibt sie das Wasser an ihre Oberfläche wieder ab, wodurch dem Gebäude Wärme entzogen wird. Dies funktioniert genau wie bei uns Menschen: Wenn wir schwitzen, sondern Drüsen in unserer Haut Schweiß ab, der mit der Zeit verdampft. Damit eine Schweißperle zu Dampf werden kann, benötigt sie jedoch Energie, die sie dem Körper in Form von Wärme entzieht.

Für die ‚schwitzenden‘ Matten verwenden die Forscher ein spezielles Polymer namens PNIPAM (Poly(N-Isopropylacrylamid)), das von einer wasserdurchlässigen Membran geschützt wird. So kann sich die Matte bei Regen mit Wasser füllen. Wird das PNIPAM, dessen Speicherkapazität temperaturabhängig ist, unter direkter Sonneneinstrahlung wärmer als 32°C, zieht es sich zusammen und nimmt wasserabstoßende Eigenschaften an. Dadurch wird das Wasser durch die Membran an die Oberfläche der Matte gepreßt, wo es verdunstet.

Getestet wird das Prinzip im kleinen Maßstab, indem Dächer von Modelleisenbahn-Häuschen mit 5 mm dicken Matten bedeckt und diese von einer speziellen Lampe bestrahlt werden, die das Sonnenlicht in mittleren Breitengraden imitiert. Als die Temperatur im Innern der Miniaturhäuschen gemessen wird, zeigt sich, daß die Kühlleistung der PNIPAM-Matte deutlich größer ist als die einer Vergleichsmatte, die mit einem konventionellen Polymer gefüllt ist, das sich bei Hitze nicht zusammenzieht.

Nach Berechnungen der ETH-Wissenschaftler sollen sich bei einem Einfamilienhaus bei starker Sonneneinstrahlung im Juli bereits mit einer wenigen Millimeter dicken Matte bis zu 60 % der für die Klimatisierung aufgewendeten Energie einsparen lassen. Im nächsten Schritt müßten nun eine Reihe offener Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel, ob die Verdampfungsmatten auch frostresistent sind. Da die Kühlmethode nun in einer Fachzeitschrift veröffentlicht und nicht patentiert ist, steht es jedermann frei, sie aufzugreifen und zur Marktreife weiterzuentwickeln.

Und obwohl klar ist, daß die Technologie kaum für trockene Zonen mit wenig Regen geeignet ist, ist es doch seltsam, daß man nach dieser Meldung nie wieder etwas über den interessanten Ansatz hört.


Auf der International Roofing Expo 2013 in San Antonio, Texas, wird die Firma Cool Angle LLC aus Brigham City, Utah, für eines der drei besten neuen Produkte des Jahres ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um eine patentierte richtungsreflektierende Asphaltdachschindel.

Die gerichtete Reflektivität erreicht eine stark reflektierende weiße Fläche, die der Sonne zugewandt ist, während vom Boden aus ein schwarzes Dach zu sehen ist – das natürlich auch in einer anderen Farbe sein kann. Dabei soll das Reflexionsvermögen mehr als doppelt so hoch sein wie das der derzeitigen energiesparenden Asphaltschindeln und neun Mal so hoch wie das von schwarzen Asphaltschindeln.

Auch in diesem Fall wird das Argument vorgebracht, daß das hohe Reflexionsvermögen die Dachtemperaturen senkt, was zu geringeren Kühlkosten und länger haltbaren Schindeln führt. Und dies ohne den Verzicht auf die dunklen, satten Farben, die von viele Kunden gewünscht werden.


Matei Georgescu und seine Kollegen von der Arizona State University in Tempe veröffentlichen im Februar 2014 gemeinsam mit Partnern an der US Environmental Protection Agency und der Clark University in Worcester die Ergebnisse ihrer Prognosen zum Wachstum von US-Städten. Demnach ist nicht allein die globale Erwärmung, die in weiten Teilen der USA die Temperaturen steigen läßt. Allein durch das Wachsen der Städte wird es bis zum Jahr 2100 um 1 – 2°C wärmer werden, in Stadtregionen sogar um bis zu 3°C.

Die Forscher berechnen auch den Effekt in Form stark reflektierender Oberflächen, wie etwa Hausdächer, die bis zu 90 % der Sonneneinstrahlung zurückwerfen sollen. Durch diese Gegenmaßnahme heizen sich nicht nur die Gebäude darunter weniger auf, sondern kann zudem die Umgebungstemperatur um bis zu etwa 1,5°C gesenkt werden – allerdings nur dann, wenn alle Gebäude der USA mit Cool Roofs ausgestattet werden. Da diese Dächer darüber hinaus auch Einfluß auf die Regenmenge haben, prognostiziert das Team  für Florida 2 – 4 mm weniger Niederschlag pro Tag.


Eine weitere neue Studie des Lawrence Berkeley National Laboratory vom März 2014, die drei Arten von Dächern vergleicht – grün, schwarz und weiß –, belegt wiederum, daß weiße Dächer große wirtschaftliche Vorteile haben und außerdem dreimal wirksamer sind als begrünte Dächer.

Hauptsächlich liegt dies daran, daß die Lebenszykluskosten von weißen Dächern geringer sind als die von schwarzen Dächern; Grüne Dächer über ihren Lebenszyklus hinweg teurer sind als weiße oder schwarze Dächer; weiße Dächer pro Flächeneinheit dreimal effektiver als grüne Dächer; und daß die hohen Installations-/Austauschkosten von Gründächern deren Lebensdauer überwiegen.


Im April meldet die Fachpresse, daß die in Nettuno, Italien, beheimatete Watergy International Group mit Forschern des Masdar-Instituts in der Nähe von Abu Dhabi zusammenarbeitet, um einen neuen reflektierenden weißen Anstrich zu testen, der auf Dächern aufgetragen die Kühllast der Gebäude um 20 % reduzieren soll. Das Material wird als High Solar Reflection System (HSRS) bezeichnet.

In einem Versuch wird die Titandioxid enthaltende Farbe auf eine ca. 200 m2 große Dachfläche der Station Masdar Field aufgebracht. Ein anderer Bereich desselben Daches wurde grau gestrichen und ein Bereich blieb unbedeckt. Schon um 9.30 Uhr, als es draußen bereits glühend heiß ist, stellen die Forscher fest, daß die Temperatur des weiß gestrichenen Bereichs nur 24,9°C beträgt, während der unbedeckte Bereich mit 45°C kaum mehr zu begehen ist.

Weitere Feldversuche mit der kühlenden Farbe werden an einem Hangar in Sharjah und einem Supermarkt in Italien durchgeführt. Der nächste Schritt in Abu Dhabi, für den Watergy schon eine Einverständniserklärung in Höhe von fast 3 Mio. $ unterzeichnet hat, ist der Test von zwei 50.000 m2 großen Flächen in der Stadt.

Ein Bericht über einige weiterführende Schritte findet sich in der im Februar 2019 veröffentlichen und im Netz einsehbaren Studie der University of Sharjah (‚An experimental study of the impact of cool roof on solar PV electricity generations on building rooftops in Sharjah, UAE‘).


Daß es nicht nur um Dächer geht, betonen verschiedene Berichte, die im Juni 2014 kursieren. So könnte den Städten helfen, mit steigenden Temperaturen fertig zu werden, die Straßen weiß zu streichen. Schwarze Asphaltstraßen bedecken immerhin 24 – 35 % eines Stadtgebiets, und jede von ihnen nimmt tagsüber Wärme auf, gibt sie abends wieder ab und erhöht damit die Gesamttemperatur der Stadt um geschätzt bis zu 7ºC.

Das Cool Change Cities-Projekt in Sydney unter der Leitung von Michael Mobbs schlägt daher vor, die Straßenoberfläche durch Beton, eine helle Harzmischung oder helles Gestein zu ersetzen, um den Straßen eine kühlere Oberfläche zu geben. In Chippendale, NSW, wird eine ‚kühle Straße‘ auf 600 m2 erprobt, um Vorher- und Nachher-Daten über die Oberflächentemperaturen und die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die lokalen Energierechnungen, die öffentliche Gesundheit und die umliegende biologische Vielfalt zu vergleichen.

Obwohl im Juli 2016 die Wohltätigkeitsorganisation Street Coolers Pty Ltd. registriert wird, die sich mit dem Ansatz beschäftigt, scheint Mobbs später mit den erzielten Ergebnissen nicht zufrieden zu sein, denn Presseberichten im September 2019 zufolge würde er sein Heim in Sydney auflösen und verkaufen, um sich in einen abgelegenen Küstenort auf den von ihm in 3 – 5 Jahren erwarteten Klimakollaps vorzubereiten.


Die nächste Vergleichsstudie, die die Auswirkungen der verschiedenen Arten von nachhaltigen Dächern auf Gebäuden im kalten kanadischen Klima untersucht, stammt vom April 2015 und ist ebenfalls im Netz abrufbar (‚Sustainability of Rooftop Technologies in Cold Climates: Comparative Life Cycle Assessment of White Roofs, Green Roofs, and Photovoltaic Panels‘).

Joule Bergerson und ihre Kollegen an der University of Calgary finden bei ihrem Vergleich von weißen, grünen und mit PV-Paneelen bestückten Dächern in Vancouver, Toronto und Calgary einen klaren Gewinner für die kälteren Regionen Kanadas: die Photovoltaik. Auch begrünte Dächer führen zu positiven Umweltauswirkungen, obwohl sie weit weniger signifikant sind als die mit PV erzielten, und sind die einzige Dachtechnologie, die sowohl den Heiz- als auch den Kühlenergieverbrauch reduziert.

Obwohl sich weiße Dächer in wärmeren Klimazonen als hervorragende Option erwiesen haben, wird die Technologie in kalten Klimazonen nicht empfohlen, da die Umweltleistung von weißen Dächern in kalten Klimazonen stark durch die Erhöhung des Heizenergieverbrauchs aufgrund der hohen Sonnenreflexion beeinflußt wird.

Beschichteter Polymerstapel Wärmebild

Beschichteter Polymerstapel
(Wärmebild)


Forscher der University of Technology Sydney (UTS) berichten im Mai 2015 über die Entwicklung einer Dachbeschichtung, die nicht nur weniger Sonnenlicht absorbiert, sondern das Dach selbst bei intensiver Sommerhitze kälter als die Umgebungsluft macht (‚A Subambient Open Roof Surface under the Mid-Summer Sun‘). Als Argument führen Prof. Geoff Smith und sein Kollege Angus Gentle an, daß weiße Dächer zwar viel weniger Sonnenlicht absorbieren als dunklere Dächer, aber immer noch genug, um die Temperatur des Daches um 9 – 12°C zu erhöhen.

Das neue Material besteht aus einem beschichteten Polymerstapel, d.h. aus einer Kombination aus speziell ausgewählten Polyestern auf einer Silberschicht, die auf die Dachfläche aufgebracht wird. Getestet wird es auf einem Universitätsdach, das den ganzen Tag über volle Sonne hat. Weil die neue Oberfläche nur 3 % des einfallenden Sonnenlichts absorbiert und gleichzeitig Wärme mit Infrarot-Wellenlängen abstrahlt, die von der Atmosphäre nicht absorbiert werden, bleibt sie 11°C kälter als ein bestehendes weißes Vergleichsdach in der Nähe. Späteren Quellen zufolge bleibt die Oberfläche 3°C bzw. 6°C kühler als die Umgebungsluft in der Mittagssonne bzw. in der Nacht.

Darüber hinaus sind die verwendeten Kunststoffmaterialien kommerziell erhältlich und auch für die Verwendung auf einfachen Dacheindeckungen geeignet. Die Forscher untersuchten zudem, wie die Ablagerung von Staub und Schmutz die Leistung beeinflußt. Interessanterweise behielt das Dach nach einigen Wochen seine hohe Leistung auch bei Verschmutzungen bei, doch auch in diesem Fall sind später keine weiteren Erwähnungen der Innovation zu finden.


Da sich besonders Metalloberflächen unter Sonneneinstrahlung stark erhitzen, entwickelt ein Forscherteam der Johns Hopkins University (JHUAPL) um Jason J. Benkoski eine auf Glas basierte Farbe, die die Hitzeentwicklung reduzieren soll. Der Vorzug anorganischer Glasbeschichtungen liegt darin, daß die meisten traditionellen Farben auf Polymeren basieren, die sich im UV-Licht der Sonne abbauen und vergilben. Außerdem neigen Polymere dazu, flüchtige organische Verbindungen abzugeben, die die Umwelt schädigen können.

Indem das Team aus Kieselerde ein Kalium-Silikat modifiziert und mit Wasser und einigen wasserlöslichen Substanzen mischt, erhält es ein dickflüssiges, fast schaumartiges Spray, das nach dem Aufsprühen auf eine Oberfläche trocknet und das Sonnenlicht reflektiert. Jede Oberfläche, die mit dem Spray behandelt wurde, hält eine Temperatur in der Nähe der Lufttemperatur, auch bei extremer Sonneneinstrahlung.

Nach Angaben der Forscher in ihrem im August 2015 veröffentlichten Bericht hält die Wirkung des nicht wasserlöslichen Sprays bis zu 100 Jahre lang an. Außerdem kann die entstehende Schutzschicht ohne Beschädigung gebogen und gedehnt werden. Darüber hinaus ist die Herstellung des Sprays extrem günstig.

Das Team wird finanziell von dem US Office of Naval Research unterstützt, da die US Navy das Spray für ihre Schiffe einsetzen möchte. Mit der Erprobung des Sprays soll in zwei Jahren begonnen werden. Bislang ist allerdings nur eine 2018 eingereichte Patentanmeldung unter dem Titel ‚Coating System for Aluminum-Magnesium Alloys‘ zu finden (US-Nr. 20190031886, veröffentlicht 2019).


Um den Effekt städtischer Wärmeinseln (Urban Heat Islands, UHI) zu verringern, erläßt Los Angeles Mitte 2014 eine Verordnung, die die meisten neuen und renovierten Gebäude dazu verpflichtet, hellere Dächer mit hohem Sonnenreflexionsgrad zu installieren. Bis Mitte 2017 werden etwa 12.000 dieser Kühldächer installiert. In dem Maße, in dem neue Gebäude entstehen und ältere Dächer ersetzt werden müssen, werden nach und nach alle Dächer der Stadt aus stärker reflektierendem Material bestehen. Doch damit nicht genug.

Um die ökologische Nachhaltigkeit von Los Angeles zu verbessern und ihr bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen, legt Lauren Faber, leitender Nachhaltigkeitsbeauftragter der Stadt, im Jahr 2015 einen Bericht vor, in dem Dutzende von Zielen genannt werden, auf die die Stadt hinarbeiten sollte. Der Sustainable City pLAn fordert insbesondere, daß die Stadt das Temperaturgefälle zum Land bis 2035 um 3° verringert. Aus diesem Grund richtet sich das Augenmerk der Planer auf das 35.000 km lange Straßennetz, das über 500 km2 an Parkfläche umfaßt.

Nach anfänglichen Versuchen auf Parkplätzen testet Los Angeles ab Mai 2017 – als erste Stadt in Kalifornien – eine Spezialfarbe auf öffentlichen Straßen, um den Absorbtionsffekt des Asphalt abzuschwächen und damit die Bodentemperatur zu mindern. Laut dem Hersteller Guardtop LLC reflektiert die hellgraue CoolSeal-Beschichtung einen Großteil des Sonnenlichts, während normaler schwarzer Asphalt bis zu 95 % davon aufnimmt. Bei der Testphase geht es zudem um die Frage, wie schnell der Verkehr die helle Farbe – etwa durch Reifenspuren und Ölflecken – verschmutzt und damit verdunkelt.

Bei einer Vorführung erreicht die Hitze der schwarzen Oberfläche 42 – 43°C, während sie auf der helleren Fläche nach nur einer Schicht Farbe 36°C beträgt. Bei dieser Beschichtung handelt es sich um ein Dichtungsmittel auf Ölbasis, das verhindert, daß die Straßen rissig werden und sich Schlaglöcher bilden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Straßenversiegelungen wurde der CoolSeal-Farbe jedoch zusätzlich ein helles Pigment beigemischt.

Straßenbeschichtung in L.A.

Straßenbeschichtung in L.A.

Nachdem die dünne, hellgraue Beschichtung als erstes über einen halben Block der Jordan Avenue verteilt wurde, wird im weiteren Verlauf jeweils ein Pilotprojekt in jedem der 15 Stadtbezirke von Los Angeles angelegt. Pro Meile (1,6 km) kostet die Spezialbeschichtung zwischen 25.000 und 40.000 $, ihre Haltbarkeit wird mit 5 – 7 Jahren angegeben. Für das Cool Pavement-Projekt (auch: Cool LA Neighborhoods) hat das Bureau of Street Services 10.000 $ pro Installation veranschlagt, wobei die meisten Installationen unter dem Budget bleiben.

Kaum daß der erste Anstrich trocken ist, ist die Oberflächentemperatur bereits um mehrere Grad gesunken. Auch die Anwohner bemerken schon bald einen positiven Effekt: „Es ist jetzt ein paar Grad kühler“. Gemessen werden durchschnittliche Temperaturabfälle von mindestens 6°C.

Im Oktober 2019 erscheinen dann allerdings Berichte über eine bislang nicht beachtete Nebenwirkung, der zufolge die reflektierenden weißen Straßenbeläge den Fußgängern einheizen können. Messungen der Stadtklimaforscherin Ariane Middel und ihren Kollegen von der Arizona State University in Tempe belegen, daß die Stadttemperatur durch einen reflektierenden Asphalt wie CoolSeal zwar gesenkt wird – doch die Menschen, die sich auf den scheinbar kühleren Flächen bewegen, erfahren keine kühlere Umgebung, sondern für sie wird es wärmer, weil sie die reflektierte Wärme absorbieren.


Bereits im Juli wird 2019 eine weitere Alternative zu Kühldächern gemeldet: Wissenschaftler des Lawrence Berkeley National Laboratory (Berkeley Lab) gehen davon aus, daß kühle Wände sogar noch besser sind. Einer Studie der Grundlage der Analyse von mehr als 100.000 Gebäudesimulationen zufolge könnten derartige kühle Wände in einem Großteil der USA soviel Sonnenlicht reflektieren, daß sie genauso viel oder mehr Energie sparen könnten als reflektierende kühle Dächer. Im Einzelnen werden Energiekosteneinsparungen von bis zu 11 % bei freistehenden Einzelhandelsgeschäften, 8,3 % bei Einfamilienhäusern und 4,6 % bei mittelgroßen Bürogebäuden erwartet.

Ein bereits im April veröffentlichter Bericht der kalifornischen Energiekommission hatte geschätzt,  daß die Einführung von solar-reflektierenden Kühlwänden im gesamten kalifornischen Einfamilienhaus-Bestand zu jährlichen Energiekosteneinsparungen in Höhe von rund 500 Mi. $ führen würde (‚Solar-Reflective "Cool" Walls: Benefits, Technologies, and Implementation‘). Ein logischer nächster Schritt wären nun Demonstrationsprojekte für kühle Wände.

Das größte Energieeinsparungspotential bieten kühle Wände allerdings in älteren Gebäuden: Die Außenwände von Gebäuden aus der Zeit vor 1980 – egal, ob es sich um Wohnungen, Bürogebäude oder Geschäfte handelt – mit kühler Farbe neu zu streichen, bietet den größten Nutzen, weil sie am wenigsten isoliert sind. Den Forschern zufolge kann die hier erzielte Energieeinsparungen drei- bis sechsmal größer sein konnten als bei Neubauten – und etwa die Hälfte aller US-Gebäude wurden vor 1980 gebaut.

Zwei weitere kürzlich von Forschern des Berkeley Lab und der University of Southern California veröffentlichte Studien haben ergeben, daß kühle Wände fast ebenso wirksam wie kühle Dächer sind, um den städtischen Wärmeinseleffekt zu reduzieren (‚Systematic Comparison of the Influence of Cool Wall versus Cool Roof Adoption on Urban Climate in the Los Angeles Basin‘, August 2018), und daß kühle Wände und Dächer gemischte Auswirkungen auf die Luftqualität im Los Angeles-Becken haben (‚Investigating the Urban Air Quality Effects of Cool Walls and Cool Roofs in Southern California‘, Mai 2019).

Eine formelle, allgemeingültige Definition dessen, was eine kühle Wand ausmacht, gibt es noch nicht. Im Allgemeinen bezieht sich der Begriff auf Außenwände mit überdurchschnittlich hoher Sonnenreflexion, die entweder durch die Verwendung von hellen oder von ‚kühlen Farben‘ entstehen, d.h. Farben mit Pigmenten, die dunkleren Farben die Reflexion des Sonnenlichts ermöglichen.

Als Schwierigkeit wird betrachtet, daß die Käufer heute nicht in ein Geschäft gehen und eine Farbe auswählen können, die von einem Dritten als ‚kühl‘ zertifiziert wurde. Die Hoffnung besteht jedoch, daß in einigen Jahren auf jedem Produkt ein Etikett zu sehen ist, auf dem der Anteil des Sonnenlichts angegeben ist, den es reflektiert.

 

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