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MUSKELKRAFT


Kurbelbetriebene Geräte (4)


One Laptop per Child (OLPC)


Eine Handkurbel sollte ursprünglich auch die primäre Energiequelle des One Laptop Per Child (OLPC) genannten Geräts werden – was sich dann allerdings doch nicht als der Weisheit letzter Schluß herausstellte...

Da ich das auch 100-Dollar-Laptop genannte Projekt über seinen energetischen Aspekt hinaus sehr interessant finde (was passiert eigentlich, wenn innerhalb weniger Jahre hunderte Millionen Kids aus der 3. Welt das Internet stürmen?!), dokumentiere ich die Entwicklung im Folgenden etwas detaillierter.


Im Rahmen der Emerging Technology Conference des MIT stellt Media Lab-Gründer Nicholas Negroponte Ende September 2005 den neuen Prototypen eines 100 $ teuren Notebooks vor, das für Ausbildungszwecke in Entwicklungsländern gedacht ist und nicht in den freien Handel kommen soll. Dieser Preis soll es den Regierungen jener Länder möglich machen, Laptops für jedes Kind zu kaufen, um Millionen Menschen neue Bildungschancen zu eröffnen.

Erstes Modell vom 100 Dollar Laptop

100-Dollar-Laptop
(früher Prototyp mit Kurbel)

Die Idee stammt ursprünglich von dem amerikanischen Computerpionier Alan Kay, der bereits in den siebziger Jahren die Idee vom Dynabook entwickelte, einem Computer speziell für Kinder. Andere Quellen nenen Negroponte und Seymour Papert im Jahr 1992 als die eigentlichen Ideengeber.

Das Gerät der OLPC-Aktion war der Öffentlichkeit erstmals im Januar 2005 vorgestellt worden, im November des gleichen Jahres folgt eine Präsentation auf dem Weltinformationsgipfel in Tunis zusammen mit UNO-Präsident Kofi Anan. Sponsoren sind AMD, Brightstar, Google, die News Corporation und Red Hat.

Der Laptop wiegt unter 1,5 kg, läuft mit einem Linux-Betriebssystem, hat einen 500 MHz AMD-Prozessor, USB-, WiFi-, Handy-Anschluß sowie einen 1 GB-Flashspeicher. Das 14"-Dual-Mode-LC-Display, das zur Darstellung größerer Kontraste auch in Schwarz-Weiß betrieben werden kann, soll nur 35 $ kosten. Durch die Internet-Anbindung sollen die Kinder und Jugendlichen in Kontakt mit dem Rest der Welt kommen, um einen Geist von Offenheit und ein globales Zusammengehörigkeitsgefühl zu adaptieren.

Das Besondere ist eine Handkurbel, mit der in einer Minute Strom für 10 Minuten Betrieb erzeugt wird, damit der Laptop auch in Regionen eingesetzt werden kann, in denen es an Elektrizität mangelt. Die Rechner sollen außerdem lange haltbar sein. Weil die Zielgruppe Kinder sind, müssen die Laptops zudem Stürze sowie Wasserspritzer und Staub aushalten, wobei die Initiatoren allerdings davon ausgehen, daß die Kinder ihre Computer pfleglich behandeln werden, weil sie diese sehr schätzen. Und der Diebstahlgefahr wird durch das besondere Design der Rechner begegnet.

Brasilien, Thailand und Ägypten melden bereits Interesse an – und wollen jeweils zwischen 500.000 und einer Million Geräte kaufen, sobald diese erhältlich sind. Nach Angaben von Negroponte stehen im März 2006 auch Argentinien, China, Indien und Nigeria kurz davor, Tausende Geräte zu bestellen.

Die Produktion des Laptops sollte bereits Ende 2006 anlaufen und das Projekt in Thailand starten. Doch im November wird bekannt, daß in einem jüngst zwischen der OLPC und dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi unterzeichneten Memorandum of Understanding ein Einzelpreis von über 208 $ angegeben wird. In dem 250 Mio. $ Paket geht es um 1,2 Mio. Rechner, einen Server für jede Schule des Landes, einen technischen Beraterstab, eine Internetanbindung via Satellit und andere Infrastrukturmaßnahmen. Besprochen wird auch eine libysche Finanzierung ähnlicher Projekte im Tschad, in Niger und Ruwanda.

olpc-Kinder-PC in der möglichen Endversion

OLPC-Endversion (?)

Dem Entwicklerteam zufolge ist die Herstellung des Bildschirms wie auch des Akkus deutlich teurer als ursprünglich geplant, doch man hofft die Kosten bis zur Einführung des Gerätes in zwei Jahren wieder auf 100 $ drücken zu können. An der Entwicklung sind inzwischen Techniker, Ingenieure, Programmierer und Grafiker aus aller Welt beteiligt, darunter auch ein Deutscher: der Magdeburger Softwareingenieur Bert Freudenberg.

Der Aufbau des Displays mit seiner Auflösung von 200 dpi wird so verändert, daß einfallendes Sonnenlicht hinter den Pixeln reflektiert wird, es also wie eine Hintergrundbeleuchtung funktioniert. Deshalb ist der Bildschirm, anders als herkömmliche Displays, auch unter voller Sonneneinstrahlung bestens ablesbar.

Die Spezifikationen haben sich auch etwas geändert: der Flash-Speicher hat nur noch 512 MB, während der Prozessor mit 366 MHz und 128 MB Ram aufwartet. Die zwei ausklappbaren WiFi-Antennen leiten auch bei ausgeschaltetem Zustand Daten von Servern oder anderen Laptops im Umkreis von 100 m weiter, so daß rund um einen Wlan-Server ein Mesh-Netz aufgebaut werden kann. Der Energiebedarf dafür beträgt nur wenige Milliwatt. Unter Volllast braucht das Gerät gerade mal 3 W. Das ist ungefähr so viel, wie ein Notebook im Standby-Modus benötigt – oder ein Netzteil, sobald man es in die Steckdose steckt.

Statt mit einer anfälligen Handkurbel, mit deren Hilfe die Schüler den Akku laden sollen - und die peinlicherweise abbrach, als Negroponte dem damaligen Uno-Generalsekretär Annan das erste Gerät vorführte -, soll die nötige Energie nun mit einer Art Expander erzeugt werden: Jedes Mal, wenn ein Kind an der Kordel des Jojo-artigen Geräts zieht, wird Strom erzeugt und in den Akku geladen. Diese Lösung ist nicht nur robuster, sondern auch ergonomisch günstiger.

Der Minigenerator wird unter dem Namen Potenco’s Pull-Cord Generator (PCG) vom gleichnamigen Unternehmen in Alameda, Kalifornien, entwickelt und angeboten. Mehr darüber und über Stromerzeuger mit ähnlicher Technologie berichte ich ausführlich im Absatz über seilzugbetriebene Geräte.

Im Februar 2007 wird außerdem noch ein externer Kurbeldynamo vorgestellt, der von den Kindern selbst betrieben werden kann. Er läßt sich an jedem Tisch oder ähnlichem befestigen. Entwickler ist das schon mehrfach erwähnte Unternehmen Freeplay, worauf schon der Name Freeplay Clamp Charger hinweist. Ein einminütiges Aufladen soll die Computernutzung für eine Dauer von 10 – 20 Minuten ermöglichen.

Kurbel-Lader Freeplay Clamp Charger

Freeplay
Clamp Charger

Freeplay behauptet, daß das kurbeln des Generators mit 130 – 140 U/min. einen Nennertrag von 1.500 mA (15 V Gleichstrom) erbringt. Darüber hinaus kann der Lader in beiden Richtungen angekurbelt werden.

Im April 2007 wird der neue Preis des Laptops auf 176 $ festgesetzt, außerdem besteht nun auch Kompatibilität zu diverser MS-Software. Inzwischen haben sogar 19 Bundesstaaten der USA Interesse angemeldet - und trotzdem häuft sich die übliche Kritik um das visionäre Projekt, wie Kehricht um eine Mülltonne. Als einziges Land versucht Indien konstruktiv dagegen zu halten – man plant hier, in zwei Jahren einen Laptop für unter 50 $ anbieten zu können.

Die OLPCs können noch bis Ende Mai 2007 bestellt werden – und ab Oktober soll dann ausgeliefert werden.

Die erste Testmaschine B1 (Beta1) verläßt im November of 2006 die Montagelinie von Quanta in Shanghai. Eine verstärkte B2-Version folgt Anfang 2007, B3 im Mai und die ersten Paletten des B4-Modells werden im Juli ausgeliefert.

Im Oktober meldet Arjun Sarwal von OLPC in einer Mailingliste, daß man in Indien daran arbeite, einen von Kühen betriebenen Generator zu entwickeln, der die Kinder-Rechner mit Strom versorgen soll. Die Konstruktion besteht aus einem Getriebe aus Fahrradfelgen und einer gebrauchten Fiat-Lichtmaschine.

Nachdem der Start der Massenproduktion anfänglich von Ende September 2007 auf Anfang Oktober verschoben wird, ist jetzt von Ende November die Rede. Andererseits soll aber schon Mitte November mit der Auslieferung von 100.000 OLPC-Rechnern an Uruguay begonnen werden. Bis 2009 sollen dann weitere 300.000 Geräte folgen, damit dort fast alle Schulkinder zwischen sechs und zwölf Jahren mit einem der Notebooks lernen können.


US-intern entwickelt sich inzwischen kommerzielle Konkurrenz, denn der Chiphersteller Intel tut sich mit Microsoft zusammen und produziert den Classmate PC, der in der Herstellung ungefähr so viel kostet wie derzeit der OLPC-Laptop, also rund 200 $. Außerdem wird versucht, OLPC aus jenen Märkten zu verdrängen, in denen das Unternehmen bereits die grundlegende Überzeugungsarbeit geleistet hat - was man als besonders infam betrachn kann.

So wird beispielsweise bereits im September 2007 eine erste Charge von 150.000 Intel-Geräten nach Libyen ausgeliefert, nachdem im August eine entsprechende Übereinkunft mit dem dortigen Bildungsministerium getroffen worden war. Bereits im Frühjahr waren schon 700.000 Classmate PCs nach Pakistan verkauft worden.


Erst im Herbst 2007 kündigt Microsoft seine Unterstützung des Projekts an, und seitdem arbeiten Microsofts Programmierer an einer OLPC-Version von Windows XP. Außerdem beginnt der der taiwanesische Hersteller Quanta im November 2007 mit der Massenfertigung des OLPC-Laptops, der übrigens von dem Designer Yves Behar gestaltet wurde.

Einwohner der Vereinigten Staaten und Kanada, die zwischen dem 12. und dem 26. November an dem ‚Give 1 Get 1’ Programm teilnehmen und dabei einen Laptop kaufen und einen zweiten Laptop spenden, sollen ihre Laptops noch im Dezember erhalten. Eine ähnliche Aktion wird im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der US-amerikanischen Tochter T-Mobile USA und der Deutschen Telekom verkündet.

Im Verlauf des Jahres wird das inzwischen auch XO Laptop genannte Gerät für Probeläufe in Arahuay in Peru, Ban Samkha in Thailand, Cardal in Uruguay, Galadima in Nigeria und in den beiden brasilianischen Städten Porto Alegre und São Paulo an Schulkinder und Lehrer ausgeliefert. Im November 2007 werden in einem weiteren Probelauf Kinder im indischen Khairat mit Laptops ausgestattet.

Comicfigur Jame mit OLPC

Jame' mit OLPC


Ende November wird gemeldet, daß auch die Teshkeel Media Group von Naif Al-Mutawa mit Avallain, einer Firma für Lernsoftware, sowie mit dem OLPC-Projekt kooperiert. Dabei werden die Zeichner der Superhelden-Comicserie ‚99’ (hier der link zu einem von mir im Oktober 2007 auf Telepolis veröffentlichten Artikel darüber) interaktive graphische Inhalte entwickeln, die auf die Laptops downloadbar sind. Die Kinder können damit eigene Comicstrips und digitale Grafiken entwerfen. Als erstes Signet sieht man den Jungen Jame’ (,der Vereinigende’) mit einem OLPC hantieren.

Die OLPC-Rechner verbreiten sich jedenfalls immer weiter. Auf dem nebenstehenden Foto sind Savannah und Joseph zu sehen, die Kinder meines auf den Solomonen lebenden Freundes Richard Majchrzak, der übrigens auch einen Großteil der hier vorliegenden Arbeit nach Tippfehlern durchsucht hat.

Angeblich reicht der im Akku des OLPC-Rechners gespeicherte Strom für elf Stunden Betrieb. Bei einem Test im Dezember ist allerdings schon nach fünf Stunden Schluß. Vielleicht weil die ganze Zeit über auch die integrierte Videokamera und der Firefox-ähnliche Browser in Betrieb sind. Als Betriebssystem ist nun eine Linux-Variante mit der kindgerechten Oberfläche ‚Sugar’ im Einsatz, die man sich auch kostenlos aus dem Netz laden kann.


Anfang 2008 trennt sich die Chefentwicklerin des OLPC Mary Lou Jepsen von dem Projekt, um ihre Erfahrung mit einer eigenen Firma namens Pixel-Qi zu vermarkten. Sie will ein Konkurrenzgerät zum OLPC für nur 75 $ auf den Markt bringen, das außerdem mit einer Akkuladung zwischen 20 und 40 Stunden läuft, indem der Preis des Rechners dadurch subventioniert wird, daß die in ihm steckende Technik an andere Hersteller lizenziert wird.

Jepsen stellt außerdem fest, daß sich ein solcher tragbarer Rechner deutlich billiger und stromsparender herstellen läßt, wenn der Bildschirm anders gebaut wird. Sie entwirft daraufhin ein Flüssigkristall-Display, das nur einen kleinen Teil der Energie benötigt, die normale Bildschirme erfordern. Ihre Firma in San Francisco soll nun Displays bauen, welche die 48 Patente ausnutzen, die Jepsen während ihrer Arbeit am 100-Dollar-Laptop beantragen konnte. Die ersten ihrer Geräte sollen bereits nächstes Jahr auf den Markt kommen.

Aber auch die Optimierung des OLPC ist inzwischen weiter vorangeschritten. Der Bildschirm ist jetzt an einem Gelenk befestigt. Man kann ihn neigen, um aus dem OLPC ein digitales Buch zu formen – oder einen Musik- und Videoplayer. Die entsprechenden musikalischen Experimente ermöglicht ein Lernprogramm namens Tamtam.

Den aktuellen Plänen zufolge sollen bis 2011 bis zu 100 Millionen OLPCs ausgeliefert werden, wobei der Verkaufspreis eines Tages auf 50 $ sinken soll. Negroponte und seine Mitstreiter bemühen sich derweil, das Projekt öffentlichkeitswirksam weiter zu vermarkten und sich mit dem vordringlichen Problem der Wartung zu beschäftigen: Denn trotz aller Stabilität der Geräte können Defekte nur von Fachleuten beseitigt werden.


Im Januar 2008 meldet die Presse, daß sich Intel – das der Aktion erst im Juli 2007 beigetreten war – wieder aus dem OLPC Programm zurückzieht, um seinen eigenen Lowcost-Laptop Classmate PC zu vermarkten. Laut Intel hätte es außerdem „Differenzen bei der Philosophie“ gegeben. Auch die weitere Zusammenarbeit mit Microsoft scheint fraglich. Negroponte wird sich dabei wohl an einen seiner früheren Aussprüche erinnert haben: „Wenn man sowohl Intel wie Microsoft im Nacken hat, dann weiß man, daß man etwas Richtiges tut.

Classmate Billigrechner

Classmate

Laut der New York Times hätte Intel sogar versucht, den stellvertretenden peruanischen Erziehungsminister Oscar Becerra Tresierra davon zu überzeugen, daß der Classmate ein besseres Modell sei als der XO von OLPC, von dem Peru bereits 270.000 Stück bestellt hat. Ein ähnlicher Vorstoß Intels sei zuvor aus der Mongolei bekannt geworden. Dabei hatten sich noch im Dezember 2007 Software-Spezialisten von Microsoft und OLPC getroffen, um über den Entwicklungsstand eines Windows XP Programms für den XO-Laptop zu sprechen.

Die Entwicklung sowohl des Classmate wie auch des Eee PC 4G von Asus setzten dem OLPC-Projekt jedenfalls arg zu. Denn diverse Regierungen südlicher Länder, die bereits zugesagt hatten den Laptop in Hunderttausender-Stückzahlen zu bestellen, zieren sich nun zunehmend, ihre Ankündigungen auch umzusetzen.

Während die Obasanjo-Regierung in Nigeria eigentlich 1 Millionen XO-Computer bestellen wollte, verkündet der neue Erziehungsminister nach dem Regierungswechsel, daß man das Geld weit besser anlegen könnte in einem Land, in dem zahlreiche Schulen noch nicht einmal Wände, Tische oder Stühle hätten -während gleichzeitig eine Bestellung für zunächst einmal 17.000 Classmate-Laptops in Auftrag gegeben wird, die später noch zusätzliches Geld kosten werden, um die laut Vertrag mit Linux ausgestatteten Notebooks dann auch mit Windows laufen zu lassen. Was die ganze Sache nach Korruption aussehen läßt.

Im Jahr 2008 verpflichtet sich auch Portugal, allen 6- bis 10-jährigen Kindern einen Intel Classmate-Laptop zukommen zu lassen.


Im März 2008 erfindet der Designer Mike Lee einen Sucher für die im OLPC eingebaute Digitalkamera und stellt die ersten Teile gleich per ‚rapid prototyping’ her. Die grünen Plastikteile lassen sich einfach in die USB-Buchse des Rechners schieben.

Im April 2008 reduziert auch die libysche Gaddafi-Stiftung, die ursprünglich 1,2 Mio. XOs kaufen wollte, ihren Auftrag auf höchstens 500.000 Stück. Als Begründung wird zunächst der Preis des XO vermutet, denn statt 100 $ nennt OLPC inzwischen Produktionskosten von rund 188 $. Doch im Oktober folgt die Meldung, daß Libyen eine Lieferung von 150.000 Stück des Intel-Laptops bestellt habe – zu einem Preis von sogar 200 $ pro Stück (ansonsten wird zu diesem Zeitpunkt ein allgemeiner Verkaufspreis von 285 $ genannt).

Neben Peru liegen feste Bestellungen ferner aus Uruguay vor (100.000 Stück) sowie von einem Millionär aus Mexiko (50.000 Stück).


Im Mai 2008 berichtet die Presse dann begeistert von der Präsentation des neuen XO-2 Mini-Notebooks, das mit herkömmlichen Formen nicht mehr viel gemein hat. Dafür bietet es etliche neue Funktionen, die darauf basieren, daß sich an der Stelle der sonst üblichen Tastatur mit Touchpad ein zweiter Bildschirm befindet. Je nach Alter der Kinder, die das Gerät nutzen, können auf den berührungsempfindlichen Displays unterschiedliche Bedienelemente, vereinfachte oder vollständige Tastaturen eingeblendet werden – und dies auch in diversen Sprachen, ohne daß dabei etwas an der Hardware verändert werden muß.

XO-2 im Buchmodus

XO-2

Außerdem haben die Erfahrungen mit dem ersten OLPC gezeigt, daß ein Schlüssel für den Erfolg des Geräts seine Nutzung als Buch ist. Beim XO-2 (oder XOXO) wird daher der Inhalt der Bildschirme beim Lesen um 90° gedreht, wodurch das obere und untere Display zur linken und rechten Buchseite werden.

Außerdem ermöglicht das Scharnier die beiden Halbseiten des Geräts in einem Winkel von 180° aufzuklappen, so daß eine fast durchgängige berührungsempfindliche Oberfläche entsteht, die beispielsweise bei Spielen zur Anwendung kommt. Ferner soll das neue Modell kleiner sein, mit nur 1 W wesentlich weniger Strom verbrauchen und sogar noch weniger kosten als das aktuelle Modell – als Preisziel für 2010 gelten 75 $.

Die Touchscreens des XO-2 werden von Pixel Qi entwickelt, der Firma der ehemaligen Leiterin der Technikabteilung von OLPC, Mary Lou Jepsen, die nun verlauten läßt, daß die Doppeldisplays auch noch mit haptischem Feedback ausgestattet worden sind, das die Berührung einer Tastatur simulieren kann. Bereits im Frühjahr 2009 soll ein Prototyp XO-1.5 vorgestellt werden.

Die veröffentlichten Fotos machen jedenfalls große Lust darauf, selber einmal mit so einem Gerät herumzuspielen, das immerhin vier verschiedene Modi vorweisen kann: als Laptop, als Tablet, als Buch und als 2-Personen-Spielbrett.

Ebenfalls im Mai 2008 gibt die OLPC-Leitung bekannt, daß die Geräte bald auch mit Microsoft Windows laufen werden, und nicht nur mit der Bedieneroberfläche Sugar, die bislang Standard war und auf dem freien Betriebssystem Linux basiert. Negroponte bezeichnete den Schritt als notwendig, um die globale Akzeptanz des Rechners zu erhöhen. Die überarbeitete OLPC-Maschine soll in einer ‚Dual Boot’-Konfiguration angeboten werden, bei der die Kunden selbst auswählen können, welches Betriebssystem laufen soll – eine Tatsache, die Microsoft noch Anfang des Jahres dementiert hatte.

Im August 2008 erscheint in der Sunday Times ein langer Artikel unter dem Titel ,Why Microsoft and Intel tried to kill the XO $100 laptop’, der einen tiefen Einblick in die Wirtschaftsinteressen der Branchengiganten gibt (der Artikel ist zwar nicht mehr bei der Sunday Times, dafür aber auf diversen anderen Seiten im Netz zu finden).


Im November und Dezember 2008 bietet das Online-Versandhaus Amazon im Rahmen einer Sonderaktion den XO in den USA an, wobei auch diesmal wieder ‚Get-One-Give-One’-Geschenkpakete für 399 $ angeboten werden. Dabei bezahlen die Kunden mit dem Kauf ihres XO ein zweites Gerät für ein Kind in einem Drittweltland.

Und auch der Papst bekommt nun einen OLPC-Laptop überreicht. Was seltsam ist, da er doch gar keine Kinder hat...

Ende des Jahres sind bereits 500.000 XO Laptops in 31 Länder verkauft worden – und beim 25. CCC-Kongreß im Dezember 2008 in Berlin sehe ich zum ersten Mal selbst einen der giftgrünen Winzlinge – begeistert bedient von jeweils (mindestens) einem erwachsenen Hacker.


Anfang 2009 meldet die Presse den Plan der indischen Regierung, einen Laptop für 500 Rupien (das sind ungefähr 8 €) zu entwickeln. Mit einem 2 GB Arbeitsspeicher, einem Ethernet-Netzwerkanschluß, W-Lan-Fähigkeit und erweiterbarem Speicher soll das indische Sakshat-Notebook (‚vor deinen Augen’) nur 2 W Strom verbrauchen. In Auftrag gegeben wird die Entwicklung vom indischen Bildungsministerium, dessen erklärtes Ziel es ist, daß sich jeder indische Haushalt einen solchen Laptop leisten können soll.

Entwickelt wird der Laptop von Studenten des Vellore Institute of Technology und Wissenschaftlern von IIT-Madras, des Indian Institute of Science und des Semiconductor Laboratory. Dem Erziehungsminister R. P. Agrawal zufolge, der den Prototyp Anfang Februar 2009 im südindischen Tirupati bei Hyderabad erstmals der Öffentlichkeit vorstellt, liegt der Preis derzeit noch bei 16 €, werde aber fallen sobald die Massenfertigung anlaufe.

Außerdem habe die Regierung bereits Abkommen mit vier großen Verlagshäusern getroffen, deren Lehrbücher demnach digitalisiert und auf das gleichnamige Lehrportal Sakshat geladen werden sollen, von wo sie auf die Billig-Laptops heruntergeladen werden können. Die Entwicklung des Geräts habe drei Jahre gedauert, nun sollen die Prototypen getestet werden, um das Gerät dann in etwa sechs Monaten auf den Markt zu bringen.

Es dauert allerdings nicht lange, bis Gerüchte auftauchen, daß es sich bei dem Sakshat-Notebook in Wirklichkeit um nicht mehr als einen digitalen Bilderrahmen mit Flashspeicher handelt, der nur abgespeicherte Informationen abspielen kann. Es bleibt spannend...

Mitra Grafik

Mitra
(Grafik)


Der Entwurf eines weiteren Mini-PC namens Mitra (,Freund’), der im April 2009 in den Blogs erscheint, stammt von dem in Indien ansässigen Industriedesigner Yogesh und besitzt einen kleinen LCD-Bildschirm, einen eingebauten LED-Projektor sowie Wi-Fi-Konnektivität.

Das solar- und per ausklappbare) Handkurbel betriebene energieeffiziente Notebook kann für den Online-Unterricht verwendet werden sowie medizinische Online-Hilfe und Hilfe für Bauern in den ländlichen Gebieten bieten. Bislang ist es allerdings bei dem Konzept geblieben.


Walter Bender, ein ehemaliger Leiter des OLPC-Projekts, der im Jahr zuvor die Firma Sugar Labs gegründet hatte, gibt im Juni 2009 bekannt, daß die für den 100 $ Laptop entwickelte Open-Source-Lernsoftware nun auch auf einem $ 5 USB-Stick bezogen werden kann, der für ausgediente PCs und MACs tauglich ist. Die Idee dabei ist, alte Maschinen, die kaum unter Windows 2000 laufen, zu fast Null-Kosten in etwas Nützliches umzuwandeln. Der USB-Stick, der über 40 Software-Programme verfügt, kann neues Leben in Millionen altersschwacher Maschinen hauchen.

Benders Abschied von OLPC erfolgte nach einer Meinungsverschiedenheit über die o.e. Pläne der Organisation, den reinen Open-Source-Ansatz zu verlassen und eine ‚Dual-Boot’-Version anzubieten – mit einer abgespeckten Version des Windows-Betriebssystems von Microsoft.


Als die Weltgesundheitsexpertin Alanna Shaikh im September 2009 auf der Seite ,UN Dispatch’ einen Text veröffentlicht, der mit den Worten beginnt, „It’s time to call a spade a spade. OLPC was a failure. … The laptops were designed without end-user input, they cost too much both to produce and to run, and they’re now being outcompeted by commercial laptops. Only about a million OLPCs have shipped so far“, wiederholt sie damit nur die alten Argumente der Kritiker.

Auf die Nicholas Negroponte trotzdem selbst antwortet: „The dream is not over. When OLPC started there were no low cost laptops. We created the category less than four years ago and it now represents almost one third of the world production of latops. I am not aware of too many technologies that have gone from “impossible” to such wide adoption. (…) As a small non-profit, humanitarian organization, it is hard to battle giants who view children as a market, not a mission, and have other agendas. In spite of all that, the change is huge. I no longer hear people arguing against “one laptop per child” as a concept. The issue is purely a matter of funding and there are many ways to do that. Wait and see.”


Im Rahmen der ‚Give One Get One’-Initiative können allein an afghanische Schulen schon rund 11.000 XO-1 Laptops ausgeliefert werden.

Im Oktober 2009 stellt die dortige OLPC-Gruppe den Prototyp einer Erweiterung vor, bei welcher die Freeplay Handkurbel mit Fußpedalen verbunden ist, um das gleichzeitige Bedienen zu ermöglichen. Auch eine Backup-Batterie ist dadurch nicht mehr erforderlich.


Mitte Oktober 2009 meldet die Presse, daß der OLPC nun auch in Uruguay Realität geworden ist: 362.000 Schüler sowie 18.000 Lehrer haben ihren gratis Laptop erhalten, womit der Unterricht auch in abgelegenen Dörfern durchführbar wird.

So seltsam es auch klingt, aber für das Land ist es leichter die Xo-Laptops anzuschaffen, als Schulbücher für alle Kinder. Dennoch geht die Einführung nicht ohne Probleme vonstatten. Es bestätigte sich nämlich, daß durch die Schulungen, Internetkosten und die Wartung der Geräte doch mehr Kosten anfallen als die ursprünglich geplanten 100 $ - nämlich bis zu 260 $. Dazu kommt der laufende Betrieb, der inklusive Instandhaltung, Internetkosten und dem Betreiben eines Informationsportals pro Jahr 21 $ kosten wird.

Auch einige Lehrer sind anfangs von den neuen Computern nicht überzeugt, da sie sich mit der neuen Technologie selbst nicht auskennen. Mittlerweile soll die Akzeptanz jedoch durchwegs positiv sein.

Im Rahmen eines ähnlichen Projekts besitzt inzwischen auch schon jedes Kind der kleinen pazifischen Inselstaaten Niue und Nauru einen OLPC-Laptop.

 

Weiter mit dem OLPC...