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MICRO ENERGY HARVESTING

Mechanische Systeme

Piezoelektrizität (V)


Zurück zur Chronologie: Weitere Umsetzungen im Bereich der piezoelektrischen Vorrichtungen beschreibt der im Januar 2013 veröffentlichter Bericht einer Forschungsgruppe um Prof. Shuxiang Dong von der Universität Peking. Hierzu gehören miniaturisierte piezoelektrische Hochtemperatur-Motoren, piezoelektrische Hochtemperatur-Aktoren, ein piezoelektrischer Einkristall-Mikroaktuator für obtische Einstellungen sowie ein ferromagnetischer/elastischer/piezoelektrischer Verbund mit extrem hohen magnetomechanischen und magnetoelektrischen Kopplungseffekten.

Zu diesem Zeitpunkt sind bereits über 200 piezoelektrische Materialien bekannt, die für die Energiegewinnung verwendet werden können. Obwohl als erste piezoelektrische Keramik das Bariumtitanat entdeckt wurde, bildet das keramische Bleizirkonattitanat (PZT) immer noch das am häufigsten verwendete Material für die piezoelektrische Ernte.

Dort, wo Faktoren wie Flexibilität, geringes Gewicht oder sogar Bedenken aufgrund von Toxizität im Vordergrund stehen, wird die Aufmerksamkeit auf Alternativen wie beispielsweise Natrium-Kalium-Niobat gerichtet, dessen Eigenschaften dem PZT ähnlich sind, doch ohne bleihaltig zu sein, oder auf piezoelektrische Polymere, wie z.B. Polyvinylidendifluorid.


Ebenfalls im Januar 2013 berichten Kevin Magniez und seine Mitarbeiter, die sich aus Forschern der Deakin University in Victoria, der australischen Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) und der RWTH Aachen in Deutschland zusammensetzen, über die Entwicklung eines neuen Kraftsensors auf Basis von Fasern aus schmelzgesponnenem Polyvinyliden-Fluorid (PVDF), die eine Leistung zeigen, die mit der der besten Keramiksensoren vergleichbar ist, und die sich darüber hinaus in ein Textilmaterial  integrieren lassen.

Die aus einer heißen PVDF-Schmelze hergestellten Fasern werden anschließend bei 120°C auf 25 – 75 % ihrer ursprünglichen Länge gedehnt, um das Material aus der kristallinen Alpha-Phase zur piezoelektrischen Betaphase zu transformieren. Durch Parameteroptimierung gelingt es dem Team, Fasern mit einem piezoelektrischen Phasenanteil von bis zu 80 % zu schaffen. Diese Fasern werden dann in verschiedene Gewebe-Architekturen integriert, um flexible, zweidimensionale, textilbasierte piezoelektrische Kraftsensoren zu entwerfen.

Die piezoelektrische Ansprechempfindlichkeit dieser Materialien ist vielversprechend. Bei einer Kraft von 70 Newton und einer Frequenz von 1 Hz wird eine maximale Ausgangsspannung von bis zu 6 V und eine durchschnittliche Empfindlichkeit von 55 mV/N gemessen.

Ruijssenaars-Versuch

Ruijssenaars-Versuch


Der Architekturprofessor Janjaap Ruijssenaars aus den Niederlanden, der im Jahr 2006 mit seinem magnetisch schwebenden ‚Floating Bed‘ international bekannt wurde, erscheint Anfang 2013 in den Blogs mit einer Erfindung, die „kostenlose und unendliche Energie aus der Schwerkraft erzeugt“. Eine kleine Maschine sei bereits stark genug, um eine LED-Birne für mehrere Minuten mit Strom zu versorgen, wie es heißt.

Den Funktionsbeschreibungen des Schwerkraft-Energie-Generators zufolge muß man ihn nur antippen, um den Mechanismus zu starten, woraufhin er Energie durch ein Gewicht erzeugt, das sich in einem ‚dauerhaften Ungleichgewicht‘ befindet. Indem das Gewicht mit geringem Kraftaufwand aus dem Gleichgewicht gebracht wird, läßt sich am unteren Ende des Mechanismus an einem einzelnen Punkt eine starke Kraft erzeugen. Anders gesagt: Durch Störung des Gleichgewichts eines Gewichts wird Gravitationsenergie als zusätzliche Einspeisung in einen Piezo-Generator verfügbar.

Laut Theo de Vries von der Universität Twente, der mit Ruijssenaars und Jan Holterman vom Ingenieurbüro VIRO zusammen an praktischen Anwendungen für die Technik arbeitet, sei die Erfindung ein großer Durchbruch, weil sie dank der intelligenten Verwendung der Schwerkraft den Energieertrag bei der Piezoelektrizität von 20 % auf 80 % steigert. Mögliche Einsatzgebiete sind die Herstellung eines Ladegeräts für Mobiltelefone usw. oder eines Generators für Eigenheime zur Erzeugung von Strom für die Beleuchtung.

Ein YouTube-Clip, der im September 2016 veröffentlicht wird, soll die Funktion belegen, mit der Energie aus der Gravitation erzeugt wird. Zu sehen ist eine Art Laborversion mit einem pendelnden Gewicht, welches über eine senkrechte Stange und eine unten angebrachte Platte abwechselnd Druck auf zwei Piezoelemente ausübt.

Ruijssenaars gründet zudem die Firma Gravity Energy Ltd. mit Sitz in Amsterdam, die die patentierte Technik für kleine, mittlere und große Anwendungen lizenzieren will. Das erste Lizenzabkommen wird für die mittlere Stufe abgeschlossen und betrifft das Rote Kreuz (IFRC) und die Universität von Texas. Dies ließ sich bislang aber nicht verifizieren. Außerdem wird bekannt, daß 10 % der Aktien von Gravity Energy vom Business Angel Jeroen van den Hamer erworben wurden.

Im Mai 2018 berichtet Reuters in einem zweiminütigen Video über die Entwicklung, wobei diesmal eine fortgeschrittene Version zu sehen ist – und im April 2020 wird gemeldet, daß der Prototyp nun fertiggestellt sei. Dieser Generator hat das Potential, eine Energieeffizienz von bis zu 93 % zu erreichen. Darüber hinaus scheint es bislang aber keine weiteren Umsetzungen zu geben.


Im Februar 2013 erhält die University of Bath in Großbritannien einen Zuschuß in Höhe von 2,27 Mio. € vom Europäischen Forschungsrat (ERC) für ein Fünf-Jahres-Projekt mit dem Titel NEMESIS, bei dem unter der Leitung von Prof. Chris Bowen ein neues Zentrum für Energy Harvesting eingerichtet werden soll, das auch bald weltweit führend werden will.

Das Zentrum zielt darauf ab, aus neuen Materialien piezoelektrische und ferroelektrische Energiegewinnungssysteme zu entwickeln, mit denen mechanische Schwingungen in elektrische Energie, thermische Fluktuationen in elektrische Energie, Sonnenlicht in chemische und elektrische Energie sowie Schwingungen in chemische Energie umgewandelt werden können. Daneben will man neue Methoden zur Wasserspaltung entwickeln


Um eine innovative Technologie voranzubringen, die durch Lijie Li von der Swansea University in Großbritannien erfunden worden ist, tun sich laut einer Meldung vom April 2013 das in London ansässige Entwicklungs- und Vermarktungs-Unternehmen für saubere Energien AltEnergis plc mit der Swansea Innovations zusammen, die für die Verwaltung und Verwertung des geistigen Eigentums verantwortlich ist, das sich im Besitz der Universität befindet.

Das neuartige Gerät für die Erfassung von piezoelektrischer Energie zeichnet sich durch eine besonders einfache Geometrie aus, die eine ,Isolierung der Kristalle’ ermöglicht, was die Leistung gegenüber piezoelektrischen Standard-Vorrichtungen um 100 % erhöhen soll. Details dazu werden allerdings nicht bekanntgegeben.

Auf der Homepage der AltEnergis wird 2016 davon gesprochen, daß sich bei der modifizierten Struktur, bei welcher die linke und die rechte Seite des Kristalls elektrisch isoliert sind, die erzeugten Spannungen summiert werden können, anstatt sich aufzuheben, wodurch die Möglichkeit besteht, Biege- und Torsionsbewegungen zu ernten, was wiederum 100 mal mehr Leistung als ähnliche Vorrichtungen erzielt. Das erste Produkt soll noch im Laufe des Jahres 2016  auf den Markt kommen.

Strawscraper Montage

Strawscraper
(Montage)


Die nächste Meldung in der Chronologie betrifft wieder ein Design, das diesmal allerdings besonders groß ausfällt.

Im Mai 2013 stellt das Experimentalstudio der Firma Belatchew Arkitekter AB aus Stockholm, Schweden, ein neues Konzept vor, mittels einer ,haarigen’ Technologie Erneuerbare Energie zu schaffen. Unter dem Titel ,Strawscraper - ein städtisches Kraftwerk in Stockholm’ wird für das 1997 gebaute Söder Torn Gebäude mit seinen 25 Etagen eine Modernisierung vorgeschlagen, die sich auch auf den ursprünglichen Plan bezieht, dem zufolge das Bauwerk eigentlich 40 Stockwerke hoch werden sollte.

Neben dem Ausbau zu seinen ursprünglichen Proportionen durch einen kaminförmigen Hohlzylinder mit innenliegender Spiralrampe, soll eine Gebäudehülle aus piezoelektrischen Fasern Energie erzeugen, indem sich dünne, flexible Polymerstangen mit einem Kern aus piezoelektrischen Materialien elektrisch aufladen, während sie sich im Wind bewegen.

Als besonderer Vorteil dieser Technologie, die das Gebäude aussehen läßt, als ob es an den Boden des Meeres gehört, wird der geringe Lärm genannt. Außerdem sollen die langen, Anemonen-artigen Fasern schon bei niedrigen Windgeschwindigkeiten Energie erzeugen können. Und das Tier- und Vogelleben stören sie auch nicht.


Die tschechischen Architekten Bartłomiej Gowin und Tomasz Janus aus Krakau präsentieren wiederum im Juni 2013 mit ihrem Entwurf Hydro Aero Device einen autarken, kaminartigen Wolkenkratzer für Wüstengebiete, der mittels Kondensation Feuchtigkeit aus der Luft sammelt. Der Strom für die Kühlung der Kondenserrohre soll dabei durch die kinetische Energie des Aufwindes in dem zentralen Kamin erzeugt werden, wenn dieser auf die dort installierten leichten piezoelektrischen Streifen trifft.

Das an den Innenwänden herunter rinnende Kondenswasser wird in einem zentralen Sammeltank gespeichert, ebenso wie die überschüssige Energie, die in Batterien landet, welche in den Konstruktionsträgern versteckt sind. In den unteren Stockwerken sollen zudem Büros, Werkstätten, ein Markt und eine Schule untergebracht werden.

Smart-Sonic Sound

Smart-Sonic Sound


Im August 2013 berichten die Fachblogs darüber, daß nun auch die japanische Firma Kyocera an einem Lautsprecher arbeitet, der auf einer Piezofolie basiert – ähnlich wie schon 2010 die weiter oben erwähnte koreanische Fils Co. Ltd.

Unter dem Titel Smart-Sonic Sound entwickelt Kyocera die ultra-dünnen, leichten Modelle speziell für Unterhaltungselektronik wie Fernseher, Computer und Tablet-PCs. Die mittlere von drei Größen ist 1 mm dünn und wiegt etwa 7 g bei einer 180° Klangqualität. Erstmals genutzt werden soll die innovative Piezo-Aktor-Audio-Technologie bei dem  neuen, gebogenen 55" OLED-Screen von LG Electronics.


Im Februar 2014 ist zu erfahren, daß das im Oktober 2011 durch Forscher der University of Leeds gegründete Spin-off-Unternehmen Ionix Advanced Technologies Ltd. eine nicht näher bezifferte Finanzierung von der IP Group plc erhalten hat, um die Kommerzialisierung einer Reihe von Geräten auf Basis piezoelektrischer Hochtemperatur-Materialien zu beschleunigen, welche an der Universität von Prof. Andrew Bell und seinem Team, mit anteiliger Förderung durch das Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC), entwickelt worden waren.

Bisher war es nicht möglich, piezoelektrische Vorrichtungen extremen Bedingungen, wie hohen Temperaturen und Drücken, auszusetzen. Dies soll nun mit den neuen Materialien machbar werden, welche auch in Umgebungen arbeiten, in denen die herkömmliche Technik versagt: hohe Temperaturen, hohe Drücke, extreme Stöße und hohe Beanspruchung. Damit können z.B. Sensoren sogar innerhalb einer Gasturbine eingesetzt werden.

Die neuen Hochtemperatur-Materialien sind kompatibel mit den bestehenden Herstellungsverfahren für piezoelektrische Keramiken und können daher in Massen zu ähnlichen Kosten wie gängige Materialien produziert werden. Allerdings besitzen die Keramiken von Ionix neuartige Inhaltsstoffe wie Bismut und Eisen und haben eine stark erhöhte Toleranz. Die Firma zielt zunächst auf Anwendungen im Hochtemperaturbetrieb bis zu 500°C (später: 400°C). Bis zu einer Temperatur von 350°C bieten die neuen Keramiken ähnliche elektromechanische Eigenschaften wie PZT bei Umgebungstemperatur.

Das Fertigungszentrum der Firma kann die Materialien in einer Vielzahl von Geometrien produzieren, sowie im verschiedenen, einschließlich reduzierter und Null-Blei-Zusammensetzungen. Ionix stellt seine maßgeschneiderten und international zum Patent angemeldeten Materialien auch zur Verfügung, um die Charakterisierung und Standardisierung der Meßtechnik zu ermöglichen, die von dem EURAMET-finanzierten Projekt METCO (Metrology of Electro-Thermal Coupling) entwickelt wird.

Bei diesem Projekt, an dem von deutscher Seite auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) teilnimmt, soll in Europa die messtechnische Infrastruktur und Einrichtungen für die nachvollziehbare Meßtechnik von piezoelektrischen, ferroelektrischen, thermischen und elektro-kalorischen Eigenschaften bei hohen Temperaturen und in elektrischen Feldern entwickelt werden. Die letzten Meldungen darüber datieren allerdings vom April 2015.


Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) berichten im Oktober 2014, daß sie ein Verfahren entwickelt haben, um Piezoelektrika hoher Qualität für kleinste Energy-Harvesting-Systeme wirtschaftlich herzustellen.

Gegenüber dem gängigen Blei-Zirkonat-Titanat (PTZ) bietet sich das bleifreie und biokompatible Aluminiumnitrid (AIN) durch günstigere mechanische Eigenschaften an. Bislang ließen sich die nötigen Schichtdicken mit AIN jedoch nicht herstellen, weshalb die Forscher ein Verfahren entwickeln, mit dem sehr homogene Beschichtungen und hohe Beschichtungsraten auf Siliziumwafern mit einem Durchmesser von bis zu 200 mm erzielt werden. Dies geschieht durch reaktives Magnetron-Sputtern von Aluminiumtargets in einer Argon-Stickstoff-Atmosphäre.

In Kooperation mit der TU Dresden und der Universität Oulu in Finnland werden Versuche mit AlN-Schichten auf 1 x 6 cm großen Silizium-Streifen durchgeführt, bei denen Leistungen von mehreren hundert Mikrowatt erzielt werden. Noch höhere Piezokoeffizienten als AIN zeigten Schichten aus Aluminium-Scandium-Nitrid. Mit ihnen läßt sich theoretisch drei- bis viermal mehr Energie erzeugen.

Wie lange es noch dauern wird, bis diese Alternativen zu PZT zur praktischen Anwendungsreife gelangen, ist den Wissenschaftler zufolge noch nicht abzuschätzen.


Forscher um Prof. Kwang-Seok Yun am Micro & Nano Engineering Laboratory (MNELAB) der Sogang University in Korea stellen im Januar 2015 einen Energie-Harvester für Körperbewegungen vor, dessen hohe Flexibilität und Elastizität ihn besonders geeignet für die Integration in Stoffen machen.

Harvester des MNELAB

Harvester
des MNELAB

Im Gegensatz zu den bestehenden Erntern, die zwar flexibel sind, aber nicht elastisch, da sie Kunststoffsubstrate verwenden, läßt sich das neue Design auf das 1,6-fache der normalen Länge ausdehnen, so daß es in einem großen Bereich der körperlichen Bewegungen verwendet werden kann. Der eingesetzte piezoelektrische Polymerfilm ist zwar selbst auch nicht elastisch. Statt dessen wird die Elastizität der endgültigen Struktur durch die Formgebung als Doppelschraubenfeder-Struktur erreicht.

Wie auf dem Foto zu sehen ist, besteht die einzelne Struktur aus einer Doppelhelix aus einem piezoelektrischen Polymerstreifen sowie Gewebeband um einen elastischen Kern als Trägermaterial. Luftspalten zwischen dem piezoelektrischen Film und dem elastischen Trägermaterial erlauben den beiden Materialien, sich relativ zueinander zu bewegen.

Aus den Versuchsergebnissen im Labor schließt das Team, daß eine 10 x 10 cm große am Körper getragene Anwendung mehrere Dutzend Milliwatt erzeugen sollte. Mit dem Ziel, eine Ausgangsleistung auf einige Hundert Milliwatt zu erhöhen, werden die Verbindung mehrerer Strukturen im Parallel- und Serienbetrieb sowie die beteiligten Energieumwandlungsprozesse analysiert. Zudem wird erwartet, daß der Output durch die Miniaturisierung der einzelnen Strukturen erhöht werden könnte, die mit etwa 4 mm im Durchmesser derzeit noch relativ dick sind.


Im März 2015 präsentiert die Firma Goodyear Tire & Rubber Co. auf dem Automobil-Salon in Genf einen neuen Konzept-Reifen, der zusätzlichen Strom für Elektrofahrzeuge erzeugen soll. Der von Ingenieuren des Goodyear Innovation Center Luxembourg entwickelte und nach seinem Entwicklungscode BH03 benannte Reifen kann entstehende Deformationen sowie Hitze in elektrische Energie umwandeln, die an die Akkus des Fahrzeugs sowie andere Bord-Technologien geleitet wird. Wie viel Strom die Reifen erzeugen, verrät Goodyear allerdings nicht.

Neben dem integrierten piezoelektrischen Material, das die aufgrund von Druck entstehenden Strukturdeformationen nutzt, fängt das ebenfalls eingebaute thermoelektrische Material die Hitze ein, die von der ultra-schwarzen Textur des Reifens im Stand durch Licht-/Hitze-Absorption und während der Fahrt durchs Rollen produziert wird. Die Materialien bilden ein 3D-Netz, das in einem inneren Gürtel untergebracht ist und als Träger fungiert, falls der Reifen Luft verliert, sodaß das Fahrzeug mit 80 km/h noch 80 km weit kommt, ohne daß der Reifen zerstört wird.

Darüber hinaus besitzt der Reifen einen großen umlaufenden Kanal, um die Aquaplaning-Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, sowie eine besondere, geräusch-absorbierende Lauffläche. Das Unternehmen plant aber nicht, den Reifen auf den Markt zu bringen... wobei man sich fragt, warum eigentlich nicht?

Übrigens hatte sich Google schon im Jahr 2001 einen ähnlichen Ansatz patentieren lassen, dessen Stromerzeugung jedoch auf Magneten und Spulen im Inneren des Reifens basierte ( US-Nr. 6.291.901, angemeldet 2000).

Wang-Ewere-Versuch

Wang/Ewere-Versuch


Ebenfalls im März 2015 berichten Prof. Gang Wang und sein Doktorand Felix Ewere von der University of Alabama in Huntsville (UAH) über eine piezoelektrische Umsetzung, die auf den Tuberkel genannten biologischen Strukturen basiert, welche Wale für ihre einzigartigen Manöver im Ozean verwenden. Diese Knötchen erhöhen den Auftrieb und reduzieren den Widerstand, wenn sich das Tier durch das Wasser bewegt.

Ewere macht eine mechanische Version der wellig aussehenden Struktur und befestigt diese an einem piezoelektrischen Energiewandler, der anschließend im Windkanal experimentell überprüft wird. Es stellte sich heraus, daß die Energy-Harvesting-Fähigkeit nicht erhöht werden kann – die Vorrichtungen aber als neue Art von Durchflusssensor dienen könnte, um die Luftstromgeschwindigkeit und -richtung zu messen.

So können UAV-Designer das Prinzip der ,galoppierenden Piezoelektrizität’ nutzen, um bessere Flieger zu entwerfen, indem sie piezoelektrische Sensoren überall an ihren Modellen plazieren um zu bestimmen, wie sie diese in den Fluidströmen der Luft verhalten. Darüber hinaus können die Geräte als Harvester an dem UAV selbst befestigt werden um Strom zu erzeugen und die Reichweite der Batterie zu verlängern.

Nach vier Jahren der Grundlagenforschung und der Miniaturisierung der Komponenten sucht Wang nun eine Finanzierung, um konkrete Anwendungen umzusetzen.


In einem weiteren Bericht, der in diesem Monat veröffentlicht wird, beschreiben Walter Voit von der University of Texas in Dallas (UT Dallas) und  Shashank Priya von der Virginia Polytechnic Institute and State University, wie Fasern aus Polyvinylidenfluorid (PVDF) unter genau definierten Bedingungen zu produzieren sind, damit sie piezoelektrisch werden und Strom erzeugen, wenn sie gestreckt werden.

Das Team hatte einen Weg gefunden, um organische Nanostrukturen wie ,Buckyballs’ (Kohlenstoff-Fullerene, C60) und einwandige Kohlenstoff-Nanoröhrchen (SWNT) in PVDF-Fasern zu integrieren und damit deren piezoelektrische Leistung zu verdoppeln. Die im Foto erscheinenden dunklen Punkte sind Buckyball-Cluster.

Die von der National Science Foundation (NSF) geförderte Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Energieerfassungs- und Motion-Control-Technologien auf Grundlage ,weicher’ Polymere, aus denen auch künstliche Muskeln konstruiert werden sollen.

Die Firma Boeing, die einen Teil der Forschung finanziert, interessiert sich dabei für die Energie, die von Flugzeugpassagieren erzeugt wird, wenn diese sitzen, aufstehen und sich in der Kabine bewegen oder ihre Sitze justieren. Damit soll die Deckenbeleuchtung gespeist werden – unter Beseitigung einiger Kabel, die wesentlich zum Gewicht der Jets beitragen.


Im April 2015 wird von einem Projekt berichtet, durch den Einsatz piezoelektrischer Materialien mechanische Spannungen zu vermeiden. Ein hohes Maß an mechanischer Belastung reduziert bekanntermaßen die Lebensdauer von Bauteilen, was für alle Arten von Materialien gilt. Wenn Spannungen mit Vibrationen kombiniert werden, haben sie einen besonders negativen Einfluß auf die Haltbarkeit.

Intelligente piezoelektrische Materialien, die solchen Einflüssen aktiv entgegenwirken, sind schon seit einigen Jahren verfügbar. Allerdings unterliegen auch die piezoelektrischen Materialien den Kräften, die ihre Haltbarkeit verringern.

Der Wissenschaftler Jürgen Schöftner an der Johannes Kepler Universität Linz, der dabei vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziert wird, will hier einen wichtigen Beitrag zur Optimierung machen, indem er eine Besonderheit von piezoelektrischen Materialien nutzt, bei denen selbst dann mechanische Spannungserhöhungen im Material auftreten können, wenn eine – durch externe Kräfte bewirkte – Deformation des Materials bereits abgeklungen ist. Über Ergebnisse der Arbeiten ist bislang noch nichts zu finden.


Im Mai 2015 erscheinen in der Fachpresse Meldungen über eine neue Entwicklung des japanischen Technologie-Unternehmens Ricoh Co. Ltd., die als Energy-Generating Rubber bezeichnet wird.

Der Firma zufolge wandelt das neue piezoelektrische Polymer Druck und Vibration mit hohem Wirkungsgrad in elektrische Energie um, ist dabei aber äußerst flexibel und langlebig. Damit sollen die Defizite die piezoelektrischen Keramiken und Polymere überwunden werden: Piezokeramiken können wegen ihrer Zerbrechlichkeit und ihrem hohen Gewicht nur für eingeschränkte Zwecke verwendet werden, obwohl sie relativ viel Strom erzeugen – während piezoelektrische Polymere durch eine Verringerung der Dicke zwar eine gewisse Flexibilität erreichen, dabei aber nur sehr geringe Strommengen liefern.

Das Energieerzeugungs-Gummi von Ricoh erzeugt dagegen Strom auf dem hohen Niveau von Keramik, ist dabei aber eine weiche und flexible Folie. Haltbarkeitstests über mehrere Millionen Perioden bestätigen zudem die hohe Haltbarkeit. Ein weiterer Vorteil ist die einfache Produzier- und Verarbeitbarkeit, die keine Hochtemperaturverfahren wie Keramik erfordern.

Da der Mechanismus des Piezo-Gummis nicht der gleiche ist, wie der vorhergehender piezoelektrischer Materialien, startet Ricoh in Zusammenarbeit mit Prof. Takahiro Yamamoto von der Tokyo University of Science eine Analyse auf molekularer Ebene unter Einsatz modernster Computerchemie. Damit will das Unternehmen die Erforschung der Technologie vorantreiben, um das Materials möglichst bald für verschiedene Zwecke vermarkten zu können.

In den Kommentaren zu dieser Meldung wird übrigens der sinnvolle Vorschlag gemacht, das neue Material mit dem o.e. Konzept-Reifen von Goodyear zu kombinieren.


Über eine Möglichkeit, wie man über die Tragflächen eines Flugzeuges Strom gewinnen kann, wird im Mai 2015 berichtet, als die Finalisten des Fly-Your-Ideas-Wettbewerbs von Airbus vorgestellt werden, bei dem revolutionäre Innovationen in der Luftfahrt mit einem Mentorenprogramm und Geld prämiert werden.

Das Team Multifun, das aus vier jungen Wissenschaftlern aus Großbritannien, den Niederlanden, Indien und den USA besteht, stellt ein funktionierendes Konzept vor, die Flügel von Flugzeugen mit einer piezoelektrischen Verbundwerkstoffhaut zu überziehen, welche aus den Vibrationen der Tragflächen Strom produzieren, der in speziellen Akku-Platten, die ebenfalls in den Tragflächen verbaut sind, zwischengespeichert wird.

Die gewonnene Energie soll Bordsysteme wie das Unterhaltungsprogramm oder die Beleuchtung versorgen und könnte sogar den gesamten Bodenbetrieb sicherstellen.


An biologisch inspirierten Maschinen, die so gut klettern können wie ein Gecko, arbeiten mehrere Gruppen schon seit langem. Die Grundlage dafür, daß die Echsen sogar kopfüber an Decken entlang laufen können, bilden die Millionen von langen, extrem dünnen, schaufelförmigen Gebilde an den Geckofüßen, die sich an ihrem Ende weiter verzweigen und als Setae bezeichnet werden. Die dadurch entstehende große Oberfläche gewährleistet dank der elektrischen Anziehung (Van-der-Waals-Kräfte) eine ausreichende Haftung.

Der große Vorteil einer solchen rein physikalischen Haftung: Anders als eine chemische läßt sie sich leicht wieder aufheben, was schnelle Bewegungen ermöglicht. Wenn ein Gecko sein Gewicht verlagert, haben die Setae weniger Kontaktfläche, so daß der Fuß problemlos wieder angehoben werden kann.

MicroTug

MicroTug

Nachdem eine Forschungsgruppe des Biomimetics and Dexterous Manipulation Lab (BDML) an der Stanford University im Jahr 2006 einen ,Stickybot’ gezeigt hatte, dessen Füße mittels spezieller Nanostrukturen ähnlich funktionieren wie die von Geckos, bekommt die Gruppe um den Ingenieur Mark Cutkosky Ende 2014 viel Presse, als eines ihrer Mitglieder mit speziellen Haftplatten an Händen und Füßen an einer Glasfassade hochsteigt. Die Unterseite der Platten besteht aus sehr feinen Härchen aus Gummi, die alle gleich ausgerichtet sind. Werden sie gegen eine Oberfläche gedrückt, krümmen sie sich und vergrößern so ihre Oberfläche.

Diese anisotrope Adhäsion funktioniert nur in eine Richtung. Wird eine Platte in die entgegengesetzte Richtung gezogen, reicht wenig Energie aus, um sie von der Oberfläche zu lösen.

Nun, im Mai 2015, stellt das Stanford-Team verschiedene Variationen von Mikrorobotern vor,  die aus unterschiedlichen Materialien bestehen, angefangen von Festkörperaktoren bis hin zu Gedächtnislegierungen. Die MicroTugs (o. μTugs) genannten Winzlinge leisten dabei Beachtliches: Ein nur 12 g leichter piezoelektrischer Roboter zeigt die Fähigkeit, bis zum 2.000-fachen seines Eigengewichts über eine waagerechte Fläche zu ziehen, d.h. mehr als 20 kg. Dabei wechselt die Haftung bis zu 16 Mal pro Sekunde zwischen dem klebrigen und dem unklebrigen Stadium.

Die Variante für senkrechte Bewegungen wiegt 9 g und kann mehr als das Hundertfache davon mit sich tragen. Dies entspricht einem Menschen, der einen Wolkenkratzer hinauf klettert – mit einem Elefanten im Rucksack. Ein weiterer Mikroroboter, unter der Lupe gebaut und angetrieben von einem externen Wärmequelle, wiegt nur 20 mg, kann aber bis zu 500 mg eine vertikale Wand hinauf schaffen. Im März 2016 zeigt das Team, wie sechs Roboterameisen, die gerade einmal 100 g wiegen, durch Teamwork ein 1,8 t schweres Fahrzeug ziehen.


Im Dezember 2015 präsentieren die Blogs eine Innovation von Wissenschaftlern des Politecnico di Torino und des Massachusetts Institute of Technology unter der Leitung von Giorgio De Pasquale. Smarte Handschuhe haben ein großes Potential als Mensch-Maschine-Schnittstellenersatz für Joysticks und Mäuse. Die Herausforderung besteht darin, sie natürlich, intuitiv und effizient zu machen.

Das Team will mit seinem Modell Goldfinger diesem Ziel nun einen Schritt näher gekommen sein. Der Prototyp-Handschuh, der eine einfache Gestensteuerung verspricht, und dessen elektronische und mechanische Komponenten in das Gewebe selbst integriert sind, besitzt eine Eigenversorgung, die mit flexiblen piezoelektrischen Wandlern Strom aus Fingerbewegungen erzeugt.

Goldfinger verbindet sich drahtlos mit einem Computer oder anderen Geräten und arbeitet mit einfachen Gesten, die durch den Handschuh sowie eine optische Tracking-Software interpretiert werden, um verschiedene Maschinen und Anlagen zu steuern. Weitere Anwendungen sieht das Team in den Bereichen Industrie, Medizin und Virtual-Reality. Technische Details über die eingesetzten piezoelektrischen Wandler sind bislang nicht zu erfahren.

Moya Power

Moya Power


Die Südafrikanerin Charlotte Slingsby stellt im Februar 2016 am Royal College of Art in London ein semitransparentes und extrem leichtes Textil vor, das leichte Luftbewegungen in elektrische Energie überführen kann. Unter dem Namen Moya Power, was in der Bantu-Sprache Xhosa Wind bedeutet, zeigt sie eine Struktur aus etwa 15 cm langen Fransen, die aus dem Fluorkunststoff PVDF bestehen, der einen starken piezoelektrischen Effekt aufweist.

Da Tests im Windkanal ergeben, daß Moya im Flächenvergleich nur rund 10 % der Energiemenge konventioneller Solarpaneele generiert, sieht die Designerin ihr ,Wind Harvesting Sheet’ als ergänzende Technologie für noch ungenutzte Flächen wie z.B. U-Bahn-Schächte. Weitere Anwendungsszenarien sind an städtischen Frischluftschneisen wie großen Straßen oder Flüssen denkbar.

Slingsbys Suche nach Investoren stellt sich jedoch als schwierig dar, da die hohen Kosten und eine Entwicklungszeit von bis zu 10 Jahren viele potentielle Geldgeber abschrecken. Wobei allerdings nicht klar ist, weshalb eine derart lange Zeitspanne genannt wird.


Auf der im Juni 2016 beginnende Ausstellung der Land Art Generator Initiative (LAGI) in Glasgow, Schottland, werden drei verschiedene und einzigartige Designs gezeigt, die sich mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien beschäftigen.

Während Wind Forest von Peter Foster Richardson (ZM Architecture, Glasgow) und den schottischen Umwelt-Künstlern Matthew Dalziel und Louise Scullion einen künstlichen Wald aus 100 Stück der blattlosen 4 kW Windkraftanlagen des spanischen Start-ups Vortex Bladeless umfaßt (siehe dazu unter Neue Designs und Rotorformen, ab 2015 in Arbeit), ist Watergaw eine gemeinsame Arbeit des in Glasgow ansässigen ERZ Studio, zusammen mit dem schottischen Künstler Alec Finlay und dem in Berlin lebenden Künstler Riccardo Mariano, bei der es primät um die Ressource Wasser geht. Neben einer Mikro-Hydro-Turbinenanlage im Monkland-Kanal soll aber auch eine Reihe von sieben kleinen Vertikalachsen-Windkraftanlagen installiert werden.

Das interessanteste LAGI-Projekt ist allerdings Dundas Dandelions, das aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einer Kugel aus weißen Löwenzahn-Samen so genannt wird, die darauf warten, mit dem Wind wegzufliegen.

Das Konzept der lokalen Firmen Stallan Brand Architectural Design und Pidgin Perfect,  dem Glasgow Science Festival und der Universität Glasgow, das mit Unterstützung von M-Rad Architects aus Kalifornien umgesetzt werden soll, ist ein Konglomerat aus verschiedenen Modellen von Windkraftanlagen, kinetischen Generatoren und piezoelektrischen Scheiben, die konzertiert zusammenarbeiten, um pro Jahr 500 MWh saubere Energie zu produzieren. Leider gibt es in diesem Fall noch keine technischen Details zu erfahren.


Zum Abschluß noch der Hinweis darauf, daß es inzwischen auch schon diverse Produzenten von piezoelektrischen Materialien und Geräten gibt. Als Beispiele sollen hier die Firma LORD MicroStrain Sensing Systems in Williston, Vermont, genannt werden, die piezoelektrische Energy Harvester für Nischenanwendungen wie die Gesundheitsüberwachung oder die Zustandsüberwachung von Rotorblättern bei Hubschraubern herstellt – sowie die Firma Johnson Matthey Piezo Products GmbH in Redwitz, Deutschland, eine Tochter des Herstellers von Spezialchemikalien und für modernste Werkstoff-Technologien Johnson Matthey PLC mit Sitz in London.

Dieses Unternehmen entwickelt, fertigt und vertreibt seit über 40 Jahren weltweit Piezokeramiken, Bauelemente, Zerstäuber und Piezo-Systeme mit elektronischen und mechanischen Komponenten. Die Produkte finden ihre Anwendungen hauptsächlich in der Industrie, in Textilmaschinen, im Automobil und in medizinischen Geräten. Bei Piezo-Biegewandlern gilt Johnson Matthey als Weltmarktführer.


Konkrete Umsetzungen der Piezoelektrizität finden sich auch unter Schall, Regentropfen, Straßengeneratoren und Vibration. Über radioaktive piezoelektrische Generatoren spreche ich im Kapitel Energiespeicherung unter Nuklearbatterien (s.d.).

 

Weiter mit den piezoelektrischen Zinkoxid-Nanodrähten...