allTEIL C

Der Peltier-Effekt


Eine Besonderheit des oben beschriebenen Seebeck-Effekts ist, daß er auch umgekehrt wirkt. Ein Peltier-Element ist demzufolge ein elektrothermischer Wandler, der aufgrund des Peltier-Effekts, benannt nach seinem Entdecker, dem französischen Uhrmacher und Meteorologen Jean Charles Athanase Peltier (1785 – 1845), bei der Zuführung von Strom eine Temperaturdifferenz erzeugt.

Peltier publiziert die von ihm beobachteten Temperaturanomalien an den Kontaktstellen zweier elektrischer Leiter im Jahr 1834 in den Annales de physique et chimie. Er führt den Effekt jedoch fälschlicherweise auf einen Fehler im Joulschen Gesetz zurück. 1838 bestätigten Alexandre Edmond Becquerel in Frankreich und Emily Lenz in Russland Peltiers Experimente. Lenz  belegt jedoch, daß der Peltier-Effekt ein autonomes physikalisches Phänomen ist und zeigt, daß in Abhängigkeit von der Richtung des Stromflusses Wärme entweder von einer Verbindungsstelle abgeleitet werden kann, um Wasser zu Eis zu frieren, oder, durch Umkehrung des Stroms, Wärme erzeugt werden kann, um Eis zu schmelzen.

Die thermodynamische Theorie zur Erklärung der drei thermoelektrischen Effekte vorlegen, die noch heute ihre Gültigkeit hat, kann allerdings erst William Thomson, der spätere Lord Kelvin, um das Jahr 1860 herum. Und kommerziellen Erfolg erlangt das Phänomen erst, als im 20. Jahrhundert Halbleiter entwickelt werden.

Kühlsysteme mit Peltier-Elementen finden sich inzwischen in vielen Häusern, Laboratorien, Produktionsstätten und Krankenhäusern – ebenso wie in Raumfahrzeugen und bei militärischen Anwendungen. Weit verbreitet sind auch Kühltaschen und Getränkekühler mit Peltier-Elementen. Da diese keine beweglichen Teile haben, funktionieren sie ruhig und zuverlässig. Das am häufigsten verwendete Halbleitermaterial für Kühlanwendungen ist Bismut-Tellurid  (Bi2Te3), das seine Spitzenleistung bei ca. 70°C erreicht und einen effektiven Arbeitsbereich von -100°C bis +200°C hat.

Die übliche Abkürzung für die heutigen Thermoelectric Cooler lautet TEC. Bei Stromrichtungsumkehr können Peltier-Elemente aber auch zum Heizen verwendet werden. Die an der Verbindungsstelle der beiden eingesetzten Metalle absorbierte oder erzeugte Wärme ist dabei proportional zum elektrischen Strom.

Da es sich hierbei aber um keine stromerzeugende Anwendung handelt, werde ich den Peltier-Effekt auch nicht so ausführlich behandeln wie den vorangegangenen Seebeck-Effekt. Einige interessante Beispiele und die aktuellen Entwicklungen möchte ich aber dennoch präsentieren.


Seit 2005 gibt es die schwedische Firma Nanofreeze Technologies Lund AB in Lund, die sich ebenfalls mit der Entwicklung der nächsten Generation thermoelektrischer Vorrichtungen beschäftigt. Der mit Hilfe von Nanotechnologie aus verschiedenen Halbleitermaterialien aufgebaute Beakon Chip des Unternehmens soll bei der Kühlung Wirkungsgrade des 10- bis 15-fachen heutiger Peltierelemente erreichen und sogar um 30 % besser sein als Kompressoren.

Im Juni 2006 gewinnt Nanofreeze bei einem Wettbewerb, den die staatliche schwedische Agentur für Innovationssysteme VINNOVA zusammen mit Energimyndigheten organisiert hat, einer nachhaltigen Energie-Agentur, einen Preis in Höhe von 300.000 Skr (~ 40.000 $). Die Firma, deren Erstfinanzierung durch NothZone Ventures und die TeknoSeed AB erfolgt, kündigt Kühlschränke mit dem Nanofreeze-Verfahren in fünf Jahren an.

Ende 2007 investieren Northzone Ventures und TeknoSeed gemeinsam 7,4 Mio. Skr in das Unternehmen, wo man mit der Finanzierung die Weiterentwicklung der Technologie fortsetzt und hofft, das erste Produkt 2010 auf den Markt bringen zu können. 2008 wird Nanofreeze in Beakon Technologies AB mit Sitz in Malmö umbenannt (Nanofreeze wird als Marke für zukünftige Produkte beibehalten), doch danach hört man nichts mehr von der Firma.


Ein besonders interessantes Beispiel, das sehr viele Facetten der Realität widerspiegelt, ist die Geschichte des Ende 2007 in Boston, Massachusetts, gegründeten MIT-Spin-off Promethean Power Systems, das sich mit der Thermoelektrizität beschäftigt, um einen solarbetriebenen Kühlschrank ohne bewegliche Teile für die Dritte Welt herzustellen und zu vermarkten. Die Idee hierzu stammt von Studenten des MIT, die eine Nonprofit-Organisation namens Solar Turbine Group ins Leben gerufen hatten, um eine solches Kühlgerät zu bauen, das anschließend den Namen Promethean Power erhält. Ich berichte darüber ausführlich im Kapitel über Parabolrinnen-Kraftwerke (s.d.).

Promethean Power Entwurf Montage

Promethean Power Entwurf
(Montage)

Nachdem es den Gründern Sorin Grama und Sam White aber nicht gelingt, eine exklusive Lizenz für die ursprüngliche Technologie zu bekommen, entscheiden sie sich für einen anderen Weg – und zwar die Anwendung des Peltier-Effekts. Der Plan lautet, während des Tages mit den Sonnenkollektoren Eis zu machen, das dann gespeichert wird und in der Nacht oder wenn die Sonne nicht scheint für die Kühlung sorgt. 2007 gewinnt Promethean beim jährlichen Businessplan-Wettbewerb des MIT 10.000 $, womit ein 60 Liter Kühler im Labormaßstab gebaut wird.

Im September 2008 erhält das Unternehmen eine Startfinanzierung aus dem Quercus Trust in Höhe von 50.000 $, die dazu beitragen, daß Promethean eine 500 Liter Prototyp bauen und im Jahr 2009 in Indien testen kann. Die erste Zielgruppe sind Milchverarbeiter, die entsprechende Kühleinheiten auf den Farmen aufstellen wollen, mit denen sie zusammenarbeiten. Das Team bekommt mehrere diesbezügliche Absichtserklärungen von indischen Molkereien – was nachvollziehbar ist, da man rechnet, daß in Indien aufgrund der inadäquaten Kühlkette 50 % der Milch verdirbt, während das Lang gleichzeitig der weltweit größte Milchproduzent ist.

Ebenfalls im September zeigen die Gründer auf der Emerging Technologies Conference am MIT den ersten Prototyp für die ländlichen Gebiete Indiens. Promethean zufolge würde es dort einen Multi-Millionen-Markt geben, da ein großes Bedürfnis besteht, die bisherige Stromversorgung mit sogenannten Backup-Dieselgeneratoren durch weniger umweltverschmutzende Alternativen zu ersetzen, die auch geringere laufende Betriebs- und Wartungskosten haben.

Endprodukt des Unternehmens ist ein kleines Gebäude, in dem Milch, Medikamente oder andere verderbliche Waren gekühlt werden. Eine Reihe von Solarmodulen auf dem Dach versorgen die elektronischen Bauteile, welche Peltier-Elemente nutzen um den Strom der Solarzellen in kalte Luft umzuwandeln. Im Mittelpunkt des Systems steht ein sogenannter Hybrid-Kompressor, d.h. eine Kühleinheit, die sowohl von einem Diesel-Generator als auch von drei bis fünf 180 W Solarpaneelen betrieben werden kann. Daran angeschlossen ist ein Wärmeaustauscher-System aus Wasserrohren, welches das Eis für die Kühllagerung produziert.

Die zentrale technische Herausforderung dabei sei die Entwicklung eines Systems gewesen, das energieeffizient genug ist, um auch wirtschaftlich lebensfähig zu sein.

Nach mehreren Reisen durch Indien ist das Unternehmen 2009 auf der Suche nach 3 Mio. $ Startkapital. Es bekommt dann zwar nur 1 Mio. $, was aber ausreicht, damit im April 2010 in Savoiverem, Bundesstaat Goa, das erste professionelle Milchkühlsystem in die praktische Erprobung geht, das täglich 500 l kühlen kann. In nur einem Monat kann die Milchmenge des Dorfes, das keine regelmäßige Stromversorgung hat, erheblich gesteigert werden.

Da die Rate des Bakterienwachstums in der Milch direkt proportional zur Temperatur ist, steigt die Qualität der Milch signifikant, wenn diese sofort nach dem Melken abgekühlt wird. Und genau das tut der Solar-Hybrid-Milchkühler von Promethean, der die Milch zudem bis zu 48 Stunden lang kalt halten kann.

Das System besteht aus zwei Teilen, einem schnellen und einem langsamen Kühler. Während der schnelle Kühler die Milch mittels eines speziellen Wärmetauschers in weniger als einer Minute von 33°C auf 10°C herunterkühlt, braucht der langsame Kühler anschließend drei Stunden, um die Milchtemperatur bis auf 4°C zu senken. Außerdem nimmt das System auch alle relevanten Informationen auf, wie die Menge der gesammelten Milch, fällige Zahlungen an die Milchwirte usw. Die Temperatur wird ständig von einem Gerät überwacht, dessen Batterie mit Solarenergie versorgt wird.

Nach verschiedenen Änderungen und Optimierungen hofft Promethean, Ende 2010 mit dem Verkauf der neuen Version beginnen zu können. Ein Marktpreis ist noch nicht festgelegt worden, soll aber, je nach Größe, zwischen 3.000 $ und 12.000 $ liegen. Inzwischen ist sogar der Rüstungsgigant Raytheon an der angepaßten Technologie interessiert.

Im Juni 2011 erhält das Unternehmen eine Förderung der National Science Foundation (NSF) in Höhe von 150.000 $, und im August zieht es in die Greentown Labs (ein Nonprofit-Inkubator für Startups, die sich mit ‚sauberer Technologie’ beschäftigen). Außerdem gewinnt die Firma im Laufe des Jahres verschiedene Ehrungen und Preise und verkauft sogar ein erstes System an eine private Molkerei in Karumapuram, Bundesstaat Tamil Nadu, im Südosten Indiens.

Im praktischen Betrieb stellt sich jedoch bald heraus, daß das Promethean-System zu teuer, zu kompliziert und zu groß ist. Als Resultat wird auf die Solarenergie und die Peltier-Kühlung verzichtet, und die Firma schwenkt um zu einem anderen Energiespeicher-System, das billiger ist und die unzuverlässige Stromversorgung kompensiert.

Die entsprechende, zum Patent angemeldete ‚thermische Batterie’, die ein Phasenwechselmaterial verwendet, um 28 kWh Energie in Form von Eis zu speichern, war gemeinsam mit dem Olin College entwickelt und ebenfalls durch die NSF gefördert worden. Wenn Strom verfügbar ist, bildet sich in der thermischen Batterie Eis, und auch ohne Strom kann sie für mehrere Stunden mit einer Autobatterie betrieben werden.

Die frisch gemolkene Milch wird über einen zylinderförmigen Tank gegossen, der durch die thermische Batterie gekühlt wird. Die ersten Maschinen von Promethean haben etwa die Größe eines großen Kühlschranks. Um die Wärme aus der Kühlflüssigkeit wieder zu entfernen, zirkuliert diese durch eine traditionelle Kompressor-Schleife, wie sie in Wärmepumpen, Klimaanlagen und Kühlschränken verwendet wird.

Im Januar 2012 wird bekannt, daß in den folgenden Monaten bei drei Milchverarbeitungsbetrieben in Indien Anlagen installiert werden sollen, die über die neuartige Energiespeicher-Technologie verfügen. Im Mai erklärt die seinerzeitige Außenministerin Hillary Clinton persönlich Promethean und Icelings, den indischen Partner der Firma, zu Gewinnern eines Förderzuschusses des indisch-amerikanischen Science and Technology Endowment Board.

Die erste große kommerzielle Bestellung kommt im Jahr 2013, und bis Mitte 2015 werden rund 150 Einheiten verkauft, die je nach Modell 8.000 – 10.000 $ kosten und jeweils die Produktion von 20 – 30 Bauern in einem typischen indischen Dorf unterstützen. Die überwiegende Mehrheit der Promethean-Aktivitäten, einschließlich der Herstellung, findet derweil in Indien statt. Da sich die Technologie inzwischen aber weit von den ursprünglichen Intentionen entfernt hat, werde ich sie hier nicht weiter verfolgen.

Peltier-Chips

Peltier-Chips


Ein weiteres Beispiel für die Anwendung des Peltier-Effekts wird Anfang 2008 seitens der Firma Nextreme gemeldet, die auch miniaturisierte thermoelektrische Generatoren anbietet (s.o.).

Das Unternehmen stellt einen Chip vor, der seine eigenen, eingebauten Peltier-Kühler hat. Die äußerst winzigen Elemente sitzen dabei so auf dem Chip, daß sie gezielt bestimmte ‚hot spots’ kühlen können (thin-film thermal bump technology).


Ebenfalls 2008 präsentiert die in Herborn beheimatete Rittal GmbH & Co. KG als Weltneuheit ein Peltier-Kühlgerät in Leichtbauweise mit 100 W Kühlleistung, den Rittal Thermoelectric Cooler.

Das Gerät verfügt über einen COP (Coefficient of Performance) von größer als 1, hat eine Größe von nur 125 x 155 x 400 mm und ein Gewicht von rund 3 kg. Im Vergleich zu herkömmlichen Geräten sei die Effizienz um über 100 % größer, zudem sollen sich bis zu 75 % der Energiekosten einsparen lassen. Die komplett anschlußfertigen Einheiten der Blue e+ Serie wird als die effizientesten Kühlgeräte-Serie der Welt bezeichnet.


Eine clevere Umsetzung ist das Konzept einer zum Patent angemeldeten Wasserflasche, die sich durch Kondensation von selbst wieder auffüllt und im Juli 2015 in den Blogs kursiert. Die Entwicklung der neu gegründeten Firma Fontus Water Technology GmbH aus Wien, hinter welcher der Industriedesign-Student Kristof Retezár steht, hat bereits diverse Designpreise gewonnen. Namensgeber für Fontus ist der römische Gott der Quellen und Brunnen.

Das System ist in zwei verschiedenen Variationen erhältlich: Das Modell AIRO ist eine 0,8 Liter Flasche, deren Kopf einen Ventilator enthält, der die Luft durch einen Filter und dann in eine Kammer zieht, wo sie an Peltier-Elementen abkühlt und Kondenswasser erzeugt. Die benötigte Energie stammt aus einer flexiblen Solarzellen-Matte, die bei Nichtgebrauch einfach um die mit 250 $ bezifferte Flasche gewickelt wird.

Das hier abgebildete zweite Modell RYDE wird unter den Stahlrahmen eine Rads montiert (225 $). Die Apparatur, an deren Unterseite die eigentliche Trinkflasche eingeschraubt wird, nimmt an der Vorderseite den Fahrtwind auf, besitzt seitlich angebrachte Solarzellen und kann ebenfalls etwa einen Tropfen Wasser pro Minute liefern – allerdings nur, wenn die Außentemperatur mindestens 20°C erreicht.

Gemeinsam mit Partnern in den USA startet Retezár im April 2016 eine Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo – bei welcher statt der erwünschten 30.000 $ sagenhafte 345.576 $ von 1.439 Interessenten zusammenkommen. Bislang ist die Produktion noch nicht aufgenommen worden – wohingegen Stimmen laut wurden, die vor einer übertriebenen Erwartungshaltung warnen und bezweifeln, daß Fontus in der Lage sein wird, ein zufriednstellendes Produkt zu liefern.


Im Mai 2016 berichten Forscher der Universität Groningen und der Universität Manchester, daß sie den Peltier-Effekt nun auch in Graphen entdeckt hätten, das entweder ein oder zwei Atomlagen dick ist. Dabei gelingt es ihnen zu zeigen, daß der Effekt durch Abstimmung von Typ und Dichte der Ladungsträger im Material von Heizung zu Kühlung umschaltbar ist.


Eine interessante Literaturstelle, die sich mit dem Peltierelementen beschäftigt, stammt aus dem SF-Roman The Ghost from the Grand Banks von Arthur C. Clarke:

“You’ve heard of the Peltier Effect?”

“Of course ... every domestic icebox has depended on it since 2001, when the environmental treaties banned fluorocarbons.”

“Exactly. ... Our physicists have discovered a new class of semiconductors - a spin-off of the superconductor revolution – that ups efficiency several times. Which means that every icebox in the world is obsolete, as of last week.”

Wohlgemerkt, der Roman erschien im Jahr 1990.


Der Ferroelektrische Effekt


Ferroelektrizität beschreibt das Phänomen, daß gewisse Stoffe auch ohne das Anlegen eines äußeren elektrischen Feldes ein elektrisches Dipolmoment aufweisen. Ferroelektrizität kommt nur in Kristallen vor, in welchen die kristalline Symmetrie eine polare Achse zuläßt. Ferroelektrische Stoffe sind deshalb immer auch piezoelektrisch und pyroelektrisch (s.d.). Im Unterschied zu piezoelektrischen Stoffen kann die spontane elektrische Polarisation in Ferroelektrika durch das Anlegen einer Spannung um 180° umgepolt werden.

Die Vorsilbe ‚Ferro-’ bezieht sich bei den Ferroelektrika nicht auf eine Eigenschaft von Eisen, sondern auf die Analogie zum Ferromagnetismus: Wie bei den Ferromagnetika die Magnetisierung, so verschwindet bei Ferroelektrika die Polarisation bei hohen Temperaturen – und das Material wird paraelektrisch. Bei Abkühlung des Materials findet bei Unterschreiten einer bestimmten Temperatur ein Phasenübergang statt, der in der Regel mit einer Strukturveränderung (Verringerung der Kristallsymmetrie) zusammenfällt, worauf das Material ferroelektrisch wird. Ebenso verschwindet die Ferroelektrizität auf Grund eines Phasenüberganges oberhalb einer kritischen Temperatur, der sogenannten ferroelektrischen Curie-Temperatur.

Eine wichtige Anwendung von Ferroelektrika sind ferroelektrische Arbeitsspeicher (FRAM). Über einen Einsatz in Verbindung mit energiewandelnden Systemen habe ich bislang noch nichts finden können.

 

Weiter mit dem Formgedächtnis-Effekt...