Achmed KhammasTEIL E

DAS 1. JAHR


Die ganze Sache begann damit, daß ich im Sommer 1975, im Jahr des Holz-Hasen, in der Nähe von Damaskus abu Muhammad kennenlernte, auf den mich mein Bekannter Said al-Khooja schon Monate zuvor aufmerksam gemacht hatte. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich den Gedankengängen der beiden allerdings noch nicht folgen. Doch als ich abu Muhammad (al-Masih Daruisch al-Khooss) persönlich traf und von ihm zu lernen begann, ging dies schon wesentlich besser und ich konnte auch gezielte Fragen stellen.

Meine letzte Frage an abu Muhammad war damals: „Sage mir, was soll ich für Dich tun? Was kann ich machen um der Sache Aufschwung zu geben?“. Ich bezog mich hierbei konkret auf die Realisierung der Maschine, von der ich bei abu Muhammad später ein kleines Modell gesehen habe. Abu Muhammad antwortete mir damals: „Schreibe!“ – und das tue ich bis heute.

Ob es sinnvoll ist, 30 Jahre später immer noch damit weiterzumachen, weiß ich nicht. Vielleicht würde mir der Messias heute eine ganz andere Antwort auf die gleiche Frage geben, die Zeiten ändern sich schließlich. Oder ist seine Antwort allgemeingültig und statisch? Da ich jedoch nicht weiß, was ich sonst (anderes) machen soll, schreibe und verkünde ich weiter, beantworte Fragen und lege Berichte vor wie diesen. Letztlich stellt sich die Frage dann an Leserin und Leser, was sollen / wollen / können SIE machen, wenn Sie diese Geschichte zu Ende gelesen haben...?!

Aber noch sind Sie ja nicht so weit – also weiter im Text:

Nachdem wir die vielen Briefe verschickt hatten – an die wichtigen Adressen natürlich per Einschreiben – sollten noch einmal alle arabischen Staatschefs einen Brief mit der Forderung nach finanziellen Zuwendungen erhalten. Schon seit einigen Tagen hatte ich das Gefühl, daß sich die Stadt langsam wie eine Muschel um mich schließt. Flüge waren ausgebucht, Maschinen gestrichen, irgend etwas war im Gange. Also brachte ich die Briefe zur Post, steckte brav die Belege ein und sprang anschließend in ein Sammeltaxi nach Beirut. Außer meinem irakischen Reisepaß und etwas Geld hatte ich nichts dabei – und hatte deshalb wohl auch keinen Verdacht erregt. Meinen Eltern ließ ich nur einen kleinen Zettel auf dem Eßtisch: „Habe in Berlin zu tun.“

Da im Libanon gerade der Bürgerkrieg begonnen hatte, wechselte ich sicherheitshalber schon außerhalb der Stadt in ein anderes Taxi und ließ mich direkt zum Flughafen fahren. Dort angekommen dauerte es auch nicht lange, bis ich einzig mit einer Bordkarte bewaffnet eine Interflug-Maschine besteigen konnte. Genau 12 Stunden nach meinem letzten Besuch des Damaszener Hauptpostamtes saß ich in meiner Wohnung in Berlin und staunte immer noch, wie einfach alles gelaufen war.

Am nächsten Tag klingelte es am Nachmittag bei meinen Eltern in Damaskus. Als meine Mutter aufmachte, standen ihr mehrere Bewaffnete gegenüber die energisch nach mir verlangten. Und die dann wie begossene Pudel wieder abzogen, nachdem sie ihnen klargemacht hatte, daß ich doch gar nicht in Syrien sei. Sie mußte ihnen sogar mein fast leeres, aufgeräumtes Zimmer zeigen, damit sie es glaubten. Nachbarn erzählten mir später, daß der Geheimdienst den ganzen Block abgeriegelt hatte um mich auch dann zu erwischen, falls ich versucht hätte, über die Zwischenhöfe hinter dem Haus zu flüchten. Aber ich war ja wirklich nicht mehr da. Es geht eben wirklich nichts über eine gesunde Paranoia...

In dem Magazin Kosmische Evolution erscheint ein Artikel von mir: Der Energietransformer. Ich selber baue nun in Berlin an einem etwas größeren Modell der Maschine als jenes, das bei mir in der Wohnung steht, und das ich schamhaft – es ist wirklich sehr primitiv – nicht groß herumzeigen will. Ein größeres Modell, an dem eventuell sogar Messungen durchgeführt werden können, käme dem Wunsch vieler Menschen nach, die ich während meiner PR-Kampagne persönlich und brieflich kennengelernt habe. Ich will aus der Fülle dieser Adressaten nur einige Namen herausgreifen: Thyssen-Rheinstahl-Technik / Timken GmbH / DGS / SSES / Dr. F. Vester ...sowie Dutzende Ingenieure, Konstrukteure, Erfinder, Physiker, Mathematiker und andere. Eine sehr verständnisvolle und freundliche Antwort kommt vom Manfred von Ardenne Institut, Dresden (pdf).

Und da ich im Fachbereich Religionswissenschaft an der FU immatrikuliert bin, lege ich meinem Professor Fritz Steppat eine Dissertation vor, im Umfang von einer Seite. Schließlich soll Einstein eine anderthalbseitige eingereicht haben – die auch angenommen wurde.

Ich tröste den entsetzten Professor mit den Worten, daß ich ihm diese Seite auch gerne 500 mal kopieren und dann alles binden lassen würde, falls ihm die Quantität so wichtig sei. Bei dieser ‚Dissertation’ geht es übrigens darum, wie man den Koran als 1.400 Jahre alte ‚Patentanmeldung’ der Maschine verstehen kann.

Fahrradbetriebens System für die 3. Welt
'Human powered' - für die 3. Welt

Gleichzeitig präsentiere ich verschiedenen Gruppen, die sich mit Entwicklungsprojekten in der 3. Welt beschäftigen, eine vereinfachte Version der Maschine zu Bewässerungszwecken, die im Rahmen der Angepaßten Technologie einsetzbar ist. Das System ist bislang allerdings noch nicht ausprobiert worden. Über viele weitere muskel- und pedalbetriebene Geräte berichte ich im Kapitel Muskelkraft.

Wenn nun jemand auf die naheliegende Frage kommt „ja und dann?“, so kann ich nur auf meine Arbeit verweisen, und leider nicht auch auf die von anderen. Ich habe sie aber alle informiert. „Ihr Leute der Schrift! Unser Gesandter ist nunmehr zu euch gekommen, um euch (auf Grund der Offenbarung, die er erhalten hat) vieles von der Schrift klarzumachen, was ihr (bisher) geheimgehalten habt, während er (gleichzeitig) gegen vieles nachsichtig ist (und es auf sich beruhen läßt). Ein Licht und eine offenkundige Schrift sind von Gott zu euch gekommen.“ (5. Sure, Der Tisch, 15. Vers)

Nach einiger Zeit fliege ich wieder nach Damaskus und habe auch keinerlei Schwierigkeiten bei der Einreise. Doch aufgrund des weitergeführten Finanzierungsplanes durch Haschisch-Schmuggel werde ich am 15. Oktober auf dem Flug von Damaskus nach Berlin in Schönefeld erwischt und verbringe sieben Wochen in Haft, bis mein Vater sich einschaltet. Said, der dummerweise unbedingt beweisen will, daß er mich nicht auf diese Reise geschickt hat, landet mit einigen Kilos ebenfalls für ein paar Wochen im Gefängnis in Ostberlin. Ich selbst werde in der Untersuchungshaft ausgesprochen korrekt behandelt und freue mich sogar, als ich bei den wiederholten Verhören (vermutlich von Mitarbeitern der Stasi) immer wieder nach der Maschine gefragt werde. Trotz Einzelhaft gelingt es mir, die Frohe Botschaft über Kassiber an andere Mitgefangene zu verteilen – und ich nutze die Zeit in meiner Zelle, um endlich einmal in aller Ruhe den gesamten Koran lesen und laut rezitieren zu können.

Mit Said nimmt es dagegen fast ein schlimmes Ende: Da er kein Deutsch spricht und auch sonst etwas eigensinnig ist, entwickelt sich seine rund 8-monatige Haft zu einer ziemlichen Tortur, und als er plötzlich vor meiner Tür in Westberlin steht, erschrecke ich heftig. Später finde ich heraus, daß meine Eltern, die mich über RA Vogel freigekauft hatten, eben diesen explizit darum gebeten hatten, alles zu unternehmen, damit ich nichts von der Verhaftung Saids erfuhr! Leider war auch seine Familie in Damaskus nicht in der Lage, mich zu benachrichtigen.

Das geplante Modell, das bei Bernhard Schaeffer aufgestellt werden soll, und dessen Teile ich in professionellen Werkstätten habe herstellen lassen, wird nie installiert, weil Bernhard mit den Teilen ganz andere Versuche macht als eigentlich verabredet (er ist Anhänger von Schauberger und Bauer) – und sie schließlich sogar noch verschlampt. Said und ich schauen uns an, was Bernhard mit den mir vom Mund abgesparten Maschinenelementen anstellt, und sind entsetzt.

Mit einigen Schwierigkeiten gelingt es mir, das Geld für zwei Flugtickets zu beschaffen und Said am 31.12.1976 heil und sicher in seiner Heimat abzuliefern, wo er schnell wieder zu Kräften kommt. Ich selbst beschließe daraufhin, ab dem neuen Jahr 1977 das halbverwaiste Ingenieurbüro meiner Eltern zu übernehmen, da mein Vater schon seit über zwei Jahren primär mit Geschäften im Irak beschäftigt ist.

Für mich persönlich war das Jahr überaus ergiebig. Ich habe sehr viel gelernt und vieles erfahren, einiges gesehen und noch mehr gehört. Allerdings habe ich während der ganzen Zeit vergeblich auf eine helfende Hand gewartet, die sich aus Freude an der Arbeit, aus Begeisterung und aus Verantwortung dazu entschlossen hätte, mit mir zusammen den ‚Trip’ durchzuziehen. Es gab aber viele Hände die aus Freundschaft, aus Mitgefühl und aus Liebe mitmachten und anpackten wenn ich rief. Dazu zählten Uwe, Petra, Heinz, Michael, Carmen, Hans, Hilde und noch viele andere. Aber niemand hat gezeigt, daß ihr oder ihm die Maschine wichtig genug ist, um sie anzupacken und nie mehr loszulassen, schade. Aber „nur der Allerglücklichste wird sie bekommen“, steht im Koran...

Viele meiner Freunde, Bekannten und Kollegen haben ebenso wie meine Eltern Stunden über Stunden mit mir darüber diskutiert, ob das System nun funktioniert oder nicht. Wenn ich daraufhin gesagt habe, es gäbe doch gar kein ‚nein’, kein ‚geht nicht’ und auch kein ‚vielleicht’, sind einige von ihnen ganz schön böse ausgeflippt.

Meine Eltern haben mich in der ganzen Zeit kräftig unterstützt – allerdings ohne jemals so etwas wie ein offizielles Bekenntnis abzulegen. Meine Mutter finanzierte zwar den Videofilm über den Messias mit 6.000 DM, war jedoch nicht dazu zu bewegen, sich als Ingenieurin auch inhaltlich mit der Maschine zu beschäftigen. Carmen und Michael Geißler, Gründer der Berliner Video-Gruppe Future Kids, die den Auftrag erhalten hatten den Film in al-Zabadani zu drehen, wurden von meinen Eltern später sogar dermaßen erschreckt, daß sie sich diesen gegenüber auch brieflich äußerten – wodurch ich einige Dokumente in die Hand bekam, aus denen ich entnehmen konnte, wie sehr ich die Menschen in meiner Umgebung irritiert habe – und daß einige meiner Ansichten doch nicht so falsch waren.

Carmen: „Der Freund (Said), der in einem psychisch stark angeschlagenen Zustand (verständlich) zu Achmed kam, hat diesen von Anfang an psychisch völlig in der Hand. Die Maschine wird zum absoluten Mittelpunkt, die Planung der beiden wird immer irrealer. (...) Achmeds Verwirrung hat zur Folge, daß er nicht mehr im Kleinen und Details denken kann, sondern nur noch global denkt, das Große Ganze, die Menschheit retten.“

Michael: „Während Achmed der Aufenthalt im anderen Teil der Stadt sehr gut getan hat, er dadurch nüchterner, realitätstüchtiger geworden ist, hat das gleiche dem sensiblen Freund den Rest gegeben. Er ist völlig demoralisiert und hochgradig verwirrt, lügt das Blaue vom Himmel runter, was man alles mit ihm gemacht habe (Elektroschocks etc.) und versucht so die ganze Pleite zu überhöhen, zu mystifizieren, so als wenn ein Schmuggler z.B. nicht einfach nur mit dem Gesetz in Konflikt kommt, sondern mit den Mächten der Finsternis ringt. So wird ein Märtyrer hochstilisiert, da spielt eine Menge islamische Leidens-Mystik mit rein. Das ist alles nur deshalb schlimm, weil es der runtergewirtschaftete Irre, aus mir nicht einsichtigen Gründen versteht, das alles psychisch auf Achmed zu übertragen, er hat ihn voll im Griff. Achmed ist ja sehr empfänglich für alles Übersinnliche, Irrationale, für alle Heilideen, Apokalypsen, Errettungsideologien. (...) Das Ganze hat verdammt viel Ähnlichkeit mit der Gründungsgeschichte spiritistischer Sekten, hier mit islamischem Einschlag.“


Auch meine damalige Freundin Petra schrieb einen Brief an meine Mutter:

„Ich bin froh, daß Achmed bei euch ist. Ich habe kaum noch irgendwelche Beziehung zu ihm gehabt, seit im November der ‚Freund’ kam. (...) Nach meinem Auszug war ich ab und zu noch mal oben und habe versucht, mit Achmed zu reden. Er war hier schon nur noch auf die Maschine ansprechbar und woher er Geld bekommen könne um nach Arabien zu fahren. Er schien aber noch Essen zu haben, als ich am 2. Weihnachtsfeiertag abends dort war. Auch der Ofen war an. Es tut mir leid, daß ich dir nicht mehr sagen kann. Ich wäre gerne mit ihm zusammen geblieben, aber durch den ‚Freund’ wurde unser Verhältnis zerstört. Er behandelte ihn wie einen Bruder, wie er sagte, bediente ihn von vorne bis hinten, was sogar meinem Vater auffiel.“


Ganz offensichtlich – zu jenem Zeitpunkt hatte ich nur unermeßliches Mitleid mit dem gerade aus der Haft entlassenen Said.

Aber jeder Mensch ist frei und kann tun und lassen, was er oder sie will. Ich kann keine Forderung nach Bekenntnissen stellen, aber ich kann mich von Menschen distanzieren, die entweder nur Lippenbekenner oder sogar ‚Bremser’ sind. Klar, Abu Muhammad sagte immer wieder, das System brauche Bremsen. Dies sollte ich auch den Ingenieuren sagen – die sich daraufhin mehrheitlich an den Kopf tippten.

Aber wenn in diesem Jahr etwas wirklich gut funktioniert hat, dann waren es die Bremsen!

DAS 2. JAHR


Ankündigung des Videofilms über Messias und Maschine
Filmankündigung
in der 'Zitty'

Nach dem Ablauf des Jahres des Feuer-Drachens am 17.02.1977 begann das Jahr der Feuer-Schlange (bis zum 06.02.1978).

1977 jährte sich der 27. Ramadan entsprechend dem islamischen Kalender zum zweiten mal am 09.09. Der 27. Ramadan war das Datum, zu welchem die ‚Einladung an alle Wissenschaftler dieser Erde’ in den Sommerkurort Bloudan (das Nachbardorf von al-Zabadani) ausgesprochen wurde, wie sie als erstes in Form zweier Telegramme an BBC London und RMC (Radio Monte Carlo), und danach in fast 1001 Briefen an Universitäten und Forschungsanstalten, öffentliche und kommunale Einrichtungen, Wissenschaftler, Kleriker, Arbeitsgemeinschaften und Politiker abgesandt wurde.

Schon im ersten Jahr zeigten wir das Video-Band über den Messias und seinen Stab Mose, jenes von ihm gebaute Maschinenmodell in Syrien. Dieses Band wurde nun unter anderem im Reichstag anläßlich der Konferenz Europa + 30, im (damals einzigen) vegetarischen Restaurant Verena am Kurfürstendamm sowie bei anderen Gelegenheiten öffentlich vorgestellt. Zusätzlich gab es viel ‚Heimarbeit’ sowie Kooperationen mit Bürgerinitiativen wie der BI Oberhavel in Berlin.

Wir suchten und fanden intensiven Kontakt zu Wissenschaftlern, Forschern, Politikern und Arbeitsgruppen an Universitäten sowie zu interessierten Bürgern und Personengruppen aller Bereiche. Die Modellkonstruktionen zeigten die gewünschten Ergebnisse – das Wasser strudelte zuverlässig empor. In diesem zweiten Jahr (1977/1978) konzentrierten wir uns auf internationale Kontakte sowie auf Konferenzen und Symposien im großarabischen Raum. Als Resultat (?) wurde die erste arabische und internationale Konferenz über alternative Energietechnologien an der Universität von Riad in Saudi-Arabien durchgeführt (26. – 31.03.1978). Eingeladen wurden wir allerdings nicht...

Erste Kontakte ergaben sich in Damaskus zur holländischen Botschaft und zur tschechischen Handelsmission. Einige Vereine und Organisationen antworteten uns direkt nach al-Zabadani: „An Herrn Messias...“ – und die Post kam tatsächlich an!

Unsere völlig offenen Kontaktaufnahmen von Syrien aus in die umliegenden Länder und Staaten durch wiederholte Schreiben und Aufrufe an Staatsmänner und Institutionen haben uns z.T. in schwierige Situationen gebracht. Schlußendlich bekamen wir aber ‚Narrenfreiheit’. Hinter diesen beiden Sätzen verstecken sich wiederholte Verhaftungen, Drohungen und Verhöre – die wir aber alle glimpflich überstanden haben.

Ich füge hier aus dokumentarischen Gründen ein Eigenprotokoll vom 02.05.1977 ein:

Mein Vater wurde gestern zur Abteilung 37 des Syrischen Geheimdienstes 251 gerufen und dort nach mir befragt. Er wurde gebeten, mich am heutigen Abend um 19:00 persönlich hinzubringen. Mir gegenüber wurde später gesagt, daß es sich bei diesem Verhalten um eine reine Höflichkeitsgeste gehandelt habe, man wollte mich nicht einfach ‚abholen lassen’.

Zum betreffenden Zeitpunkt wurden wir empfangen, und mein Vater wurde kurz vor mir ins Zimmer gebeten, in dem sich das Büro von Herrn Hauptmann Ahmad befand. Als ich etwas später herein gerufen wurde, bat mich Hauptmann Ahmad, meinen Lebenslauf zu schreiben, wen ich kennen würde, „und alles über deine Freunde“. An dieser Stelle weigerte ich mich entschieden und wurde daraufhin als heiuan tituliert (= Tier, ‚blöder Esel). Zwei per Klingel gerufene Mitarbeiter, brachten mich ins Nebenzimmer. Mein Vater war über die Situation entsetzt und wurde nach Hause geschickt. Dann kam Hauptmann Ahmad zu mir ins Zimmer und schloß die Tür.

Die anschließende Szene im Nebenzimmer:

„Stell dich da an die Wand!“

Er macht einige Drohgebärden, sucht an meinem Körper Berührungspunkte für Schläge – meine Weigerung steht zwischen uns.

Ich frage ihn, ob ich ihm eine Frage stellen darf.

Er bejaht.

„Welche Reaktion meinerseits würden Sie bevorzugen? Ich hätte drei anzubieten: die indische, in der ich versuche, wie Ghandi alles schweigend und duldsam über mich ergehen zu lassen - die eher deutsche, bei der ich mich am Anfang noch etwas verteidige und das eine oder andere blaue Auge verursache, bevor ich zusammengeschlagen werde - oder unsere lokale Variante, bei der ich euch inständig anflehe und das ganze tränenreiche Schauspiel durchziehe, bis Ihr vielleicht Erbarmen zeigt?!“ Nun bin ich aber gespannt.

Es dauert etwas. Mir ist klar, auf diese Art hat noch keiner seiner bedauernswerten Delinquenten mit ihm gesprochen.

Er starrt mich noch immer an.

Ich frage ihn, ob er verstanden habe, warum ich mich weigern würde. Er verneint.

„Als du verlangt hast, ich soll über meine Freunde schreiben. Das kann und werde ich nicht machen.“

Er hat Verständnis, da er wohl annimmt, ich würde auf irgendwelchen ‚privaten Schweinekram’ anspielen.

„Nein, nein. Nur Deinen Lebenslauf... und die Sache mit dem Messias.“

„Aber klar doch, gerne.“

Er überlegt einen Moment, die Hände in den Hosentaschen. Ein gutes Zeichen in dieser Situation. Dann bietet er mir sogar eine Zigarette an und meint, „über die innere Überzeugung sollte sich niemand streiten, aber sag mal, glaubst Du wirklich, er ist der Messias?“

„Ja.“

Er schaut mir in die Augen, dann gibt er mir Feuer. Ich bin Nichtraucher, aber in diesem Moment kann ich die Zigarette gebrauchen.

Dann schreibe ich. Ich habe sieben Blatt Papier bekommen und ich verlange mehr, als die sechste Seite voll ist.

„Komm doch morgen wieder“. Meinen Tee hatte ich ausgetrunken. Hauptmann Ahmad gibt mir einen Zettel und beginnt die ersten sechs Seiten zu lesen. Ich verabschiede mich.

Auf dem Zettel steht „Rauslassen, aber nur wenn er morgen um acht Uhr abends wiederkommt.“

Inschallah!


Bei meinem zweiten oder dritten Besuch dort schlossen wir dann so etwas Ähnliches wie Freundschaft, und er gab mir eine arabische Übersetzung der indizierten Barnabas-Bibel mit.

„Die kann dir bei deinen Disputen mit den Christen nutzen!“


Ich brachte das Buch einige Monate später seiner Abteilung zurück, was anscheinend niemand erwartet hatte, doch ihn selbst habe ich nicht mehr gesehen. Dafür erinnerte ich mich später wiederholt an einige seiner Aussagen:

„Man wird dich bekämpfen, besonders die Petroleum-Trusts; die Sache ist hier bei uns in Syrien nicht zu realisieren; wir wahren nur alle Geheimnisse,“ – und mit einer höflichen Geste – „auch die der Sektiererei. Aber eins stimmt, das Paradies muß man selber bauen!“


Andere Abteilungen waren nicht ganz so entgegenkommend. Und anscheinend wollte sich jeder der diversen Dienste auch selbst einmal mit uns beschäftigen. Wir wurden herumgereicht wie Außerirdische, mit deren Gebrabbel keiner etwas anfangen konnte, ohne jedoch zu wissen, was man sonst mit ihnen anfangen könnte. Außer verhören eben.

Nach einem dieser Verhöre verlangt man von mir, ich solle doch bitteschön meine Eltern, die ja beide diplomierte Wirtschaftsingenieure sind, insgeheim ‚aushorchen’, auf welchem Wege Syrien wohl zu mehr Devisen kommen könne. Da mein Vater seinen Geschäften im Irak nachging, informierte ich am Abend meine Mutter – die mir, nach langem Zureden immer noch entrüstet, eine ‚Expertise’ diktierte, welche ich (natürlich brav ins Arabische übersetzt) anschließend dem zuständigen Offizier überbrachte.

In dem Text wurde empfohlen, die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer anzuheben, um die Kinder besser ausbilden zu können, damit diese auch kapieren, daß verantwortungsbewußte Arbeit wichtig ist um bei der Produktion eine höhere Qualität zu erreichen, wenn sie später ihre Berufe ergreifen. Denn nur so könne man auf dem Weltmarkt konkurrieren und dem Land Devisen bringen.

Karikatur Atomstrom als Messias

'Das Plagiat'

Die säuerliche Antwort des Offiziers war nur, „das wissen wir doch schon...!“  Selbst schuld daran, wenn man eine erfahrene Wirtschaftsingenieurin fragt, die außerdem seit Jahren als Deutschlehrerin am Französischen Gymnasium in Damaskus unterrichtet. Nach dieser einmaligen Tätigkeit als ‚informeller Mitarbeiter’ wollte der Geheimdienst allerdings nie wieder etwas mit mir zu tun haben... Danke, Mama!

In Deutschland erscheint derweil die nebenstehende Karikatur, aus der man erfährt, wie sich die wirkliche Interessenlage darstellt! Die Unterschrift lautete nämlich: „Also, ich jage zuerst den Leuten Angst und Schrecken ein – und dann kommen Sie als Messias!“

Inzwischen sind alle verbliebenen Geldmittel aufgebracht – daher sehen wir dem dritten Jahr mit größter Zuversicht entgegen. Nach dem Motto: „Glücklich ist der Mensch, der über sich lachen kann. Ihm werden die Gründe dafür nie ausgehen“ (Habib Bourgiba).

DAS 3. JAHR


In diesem Jahr des Erd-Pferdes (bis zum 27. Januar 1979) jährte sich die Bloudan-Einladung am 30.08.1978.

Inzwischen hatten wir erfahren, daß verschiedene syrische Ministerien steif und fest behaupten, sie würden keinesfalls mit dem Maschinenprojekt etwas zu tun haben, sodaß sich alle diesbezügliche Aktivität bzw. Inaktivität nun ausschließlich auf das Elektrizitätsministerium konzentriert, welches die ausführlichen Unterlagen unter dem Registratur-Aktenzeichen Nr. G/1580-24.4.78 und dem der Planungsabteilung Nr. 5493-25.4.78 artig verstauben läßt. Nur schade, daß man dort noch nie etwas von dem englischen Zoologen T. H. Huxley gehört hat, der über diese zwar allzu menschliche, aber dennoch nicht gerade entwicklungsfördernde Verhaltensweise gesagt hatte: „Tatsachen hören nicht auf zu existieren, nur weil sie ignoriert werden.“

Die Chancen dafür, daß das Ministerium in Eigeninitiative an das Projekt herangehen werden, sind als ‚nur sehr gering’ formuliert worden, insbesondere da nach neuen Meldungen eine Delegation des Elektrizitätsministeriums an die Kernforschungsanlage Jülich entsandt wurde, um die KKW-Technik zu verinnerlichen! [Auch in die UdSSR wurden im Laufe der Zeit mehrere Delegationen gesandt, man kann nur dankbar dafür sein, daß keiner dieser Pläne jemals umgesetzt wurde.] Als Gegengewicht forcierten wir das Interesse an der Produktion von arabischsprachigen ‚KKW – Nein Danke!’ Stickern, was sich jedoch nicht umsetzen ließ, weil es zum einen noch keinerlei Umweltgruppen in Syrien gab – und weil alle angesprochenen Seiten der wohl berechtigten Überzeugung waren, daß der Geheimdienst eine derartige Aussage als streng zu ahndende ‚Staatszersetzung’ betrachten würde.

Wir intensivierten statt dessen unsere Kontakte zu den umliegenden arabischen Ländern, besonders in den Libanon, und hielten weiterhin eine Leitung in die BRD offen, wo wir bei Korrespondenzpartnern nachhakten und das Wachstum einer Idee an der Basis beobachten konnten.

Es wurden viele weitere Briefe abgesandt, gezielt an die Presse und an aus­ländische Vertretungen. In Hamburg besuchten wir die FDP (nachdem wir vor 2 Jahren die CSU in Berlin besucht hatten), und in Damaskus ergaben sich immer wieder Gelegenheiten, lieben und interessierten Besuch aus der ‚deutschen Heimat’ empfangen zu dürfen.

Die syrische Exekutive stellte mehrfach Forderungen, wurde gefüttert und versank wieder im Stupor – und unsere speziell für eine von der Parteiführung eingesetzte wissenschaftliche Kommission erstellte Systemstudie wurde zwar immer wieder im Empfang bestätigt, doch hat es bisher keiner geschafft, eine klare Antwort (Ja oder Nein) geben zu können. Ein persönliches Gespräch mit dem Elektrizitätsminister regte diesen so sehr auf, daß ihm dabei seine Gebetskette platzte.

Während des Besuches einer Delegation um den deutschen Wirtschaftsminister Offergeld (oh, was hofften die Syrer da auf ‚nomen est omen’!) konnte ich die Maschine ihm selbst sowie einer ganzen Reihe von Ministerialbeamten kundtun (Sahlmann, Andresen, Krüger) – und außerdem auch noch dem syrischen Planungsminister Dr. George Hauranieh.

Drehende Maschine mit herausspritzendem Wasser

Das zweite Modell

Der Messias baute inzwischen mit den letzten Moneten ein neues Modell, da das im Video-Film gezeigte vom syrischen Anti-Spionagedienst sicherheitshalber beschlagnahmt worden war (viel später hörte ich Gerüchte, wonach das Modell auf einem 'geheimen Schrottplatz' des Militärs landete). Auch mußte das neue Eimergerät an einer anderen Stelle, diesmal im Hof von Saids Wohnung aufgestellt werden, und dazu noch transportabel sein, um weiteren Verfolgungen zu entgehen. Dies gelang mit einem chinesischen Stahleimer, einem gebrauchten Maschinenschwungrad und dem Guß eines Betonsockels, auf den man zur Tarnung jederzeit ein paar Blumentöpfe stellen konnte. Sobald das Modell in Schwung kam, spritzte ein stetiger Fächer an Wasserstrahlen über den oberen Rand.

Politisch getarnte Differenzen mit dem Irak (ich besaß damals nur die irakische Staatsbürgerschaft) verboten mir nach dem 13.11.1977 die Ausreise aus Syrien – ich blieb also erst einmal im Lande und nährte mich redlich, indem ich das Ingenieurbüro meiner Eltern leitete. Allerdings ohne jeden geschäftlichen Erfolg. Sadats geschichtsträchtiger Besuch in Jerusalem schien auch einige von uns konspirativ ausgelegte Steine ins rollen zu bringen.

Und während die Jahre und Päpste – denn denen schreiben wir natürlich auch ständig – ins Land gehen, drehe ich einige Runden auf dem diplomatischen Parkett, will sagen, ich arbeite als Dolmetscher an der Botschaft der Bundesrepublik in Damaskus. Das kommende 4. Jahr verspricht jedenfalls recht abwechslungsreich zu werden!


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