erdeTEIL A

ZIELVORSTELLUNG


Die beschränkten Möglichkeiten des Menschen, mechanische Energie in Form von Energieüberschüssen freizusetzen, hat schon früh dazu geführt menschliche Arbeit durch andere Energieumsetzer zu substituieren. Solche Substitutionsprozesse sind in zweierlei Hinsicht möglich:

- durch die Verwendung von Energieumsetzern, die absolut mehr Energie aufnehmen können, oder

- durch die Erhöhung des Wirkungsgrades eines Energieumsetzers.

1975 wurde damit gerechnet, daß der Energieverbrauch im Jahre 2000 zwischen 26 und 30 Milliarden Tonnen eines Superbrennstoffes betragen würde. Im Jahre 1965 waren demgegenüber nur 5,9 Milliarden Tonnen verbraucht worden (95). Die Auswirkungen dieser Steigerungsrate auf die Biosphäre galten als nicht voraussehbar. Inzwischen sind diese Zahlen sogar noch übertroffen worden – und die globale Gefährdung durch den immens steigenden Verbrauch in Ländern wie Indien oder China und anderen Schwellenländern macht vielen Menschen Angst.

Um zu überleben, brauchen wir daher eine Gesamtenergie-Konzeption wie ich sie im nachfolgenden Teil B näher beschreibe.

Dies bedeutet, daß wir in globalem Maßstab eine ökonomische, langfristig sichere und umweltfreundliche Energieversorgung aufbauen müssen. Es beinhaltet das Unterziel einer möglichst nachhaltigen Nutzung der erneuerbaren und unerschöpflichen Energieformen (Wasser, Wind, Sonne, Erdwärme, Gravitation, Druckunterschiede usw.), und dies bei minimaler Vergeudung. Dabei sind alle Verfahren zu vermeiden, die das Gleichgewicht der Biosphäre stören könnten.

Zwei Jahre nach dem Erscheinen des aufrüttelnden Buches Grenzen des Wachstums mußte der Mitautor Dennis Meadows bitter feststellen:

„Kein einziger Politiker, keine einzige politische Organisation, keine Partei, kein wichtiges Industrieunternehmen hat sich bisher anders als vor der Veröffentlichung des Alarmrufes von ‚Grenzen des Wachstums’ verhalten. Es ist, als ob nichts geschehen wäre, als ob wir diese Studie in unseren Schreibtischen versteckt hätten, alles blieb beim alten.“ (96)


Ich hege natürlich die Hoffnung, mit meiner vorliegenden Arbeit Dennis Meadows und seiner Gruppe etwas entgegen zu kommen (wenn auch mit einer zeitlichen Entfernung von über 30 Jahren). Denn es reicht nicht aus nationale Energiesparpläne zu verabschieden, jährlich wiederkehrende Konferenzen zu veranstalten, noch mehr Symptome zu erforschen, und was sonst noch so alles getrieben wird. Auch die Dezentralisation, unabhängig davon wie unterstützenswert sie auch ist, kann eine Verbesserung des Zustands nicht alleine gewährleisten.

Denn erst müssen die Fundamente einer Gesamtenergiekonzeption gelegt werden. Hierfür ist zum einen die Inventur der Bestände dieses Planeten vordringlich. Die unerschöpflichen und die erschöpfbaren Quellen sind dabei völlig getrennt zu behandeln. Weiterhin ist die Diversifikation der Energieträger zur Erhöhung der Versorgungssicherheit wesentlich, zumindest solange, bis sich ein Synergetisches Modell findet, das allen Anforderungen einer ökonomisch und ökologisch gesunden Umweltpolitik entspricht. (97)

Erst nachdem eine umfassende Exploration zum Erwerb genauester Kenntnisse, eine Prospektion zur Bestandsaufnahme der Ressourcen sowie eine Evaluation zur objektiven Beurteilung der bestmöglichen langfristigen Nutzung dieser Ressourcen erfolgt ist, sollte die eigentliche Nutzung beginnen, wobei die bei der Evaluation aufgestellten Regeln beachtet werden müssen... auch wenn dies auf den ersten Blick nach einem beträchtlichen Zeitaufwand aussieht, den wir uns eigentlich gar nicht mehr leisten können.

Die Grenzen des Möglichen entdecken können wir indessen nur, wenn wir uns über sie hinaus ins Unmögliche vorzutasten versuchen. Wir können die Zukunft humaner gestalten, wenn wir sie in unser Bewußtsein einbeziehen und mit aller uns zur Verfügung stehenden Intelligenz und Vorstellungskraft versuchen, in sie ‚einzudringen’. Dieser Prozeß erfordert jedoch eine Assimilation, ein In-sich-aufnehmen von Umweltdaten in bewußt materiell-mechanistischem Sinne.

Ebenso wie die Kenntnis von Vergangenheit und Gegenwart kann auch die Zukunftsforschung bei dieser Arbeit hilfreich sein, denn sie hat inzwischen viele Attribute einer Protodisziplin angenommen. So erfordert eine verantwortungsvolle Zukunftsanalyse ein Programm, welches die drei folgenden Punkte berücksichtigt:

- Auflistung der Alternativen

- Analyse der Präferenzen

- Eine produktive Weise des Vorgehens (d.h. die Mittel zu beschaffen, mit deren Hilfe die Zukunftsvorstellungen Wirklichkeit werden können)

Der dritte Punkt ist der wesentliche, denn alles was vom Neuland der anderen Seite gemeldet wird, klingt meist so unwahrscheinlich und überraschend, daß es – wenn überhaupt – nur mit ungläubigem Staunen und größter Skepsis aufgenommen wird. Und dem entsprechen dann auch meistens die Chancen einer Realisation (bzw. deren ausbleiben).

Wobei ich gestehen muß, daß mir dies selbst überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Denn wie anders als NEU sollen denn neue Dinge sein können?! Und hier rede ich nicht über kleine Verbesserungen, Optimierungen und andere methodische Erneuerungen - sondern um wirklich neu gefundene, entdeckte oder erfundene Dinge.

Leider muß man auch heute noch (schmerzlich) festellen, daß in vielen Köpfen - und vor allem in denen der akademischen Welt - noch immer nichts fliegen kann, was schwerer ist als Luft. Und schon gar nicht irgendwelche Ideen, die den bisherigen Lehrmeinungen widersprechen. Denn das DARF ja nicht sein. Wobei es aus dem Blickwinkel der logischen Vernunft heraus doch gar nicht anders sein KANN, als daß neue Idee, Theorien und Konstrukte dem bisherigen widersprechen... denn dies IST ja eines der entscheidenden Kriterien dafür, daß es sich um etwas wirklich Neues handelt. Umso trauriger ist es, wie in vielen Fällen mit den neuen Ansätzen umgegangen wird - denn dies entspricht eher einer Mentalität der Inquisition, als der eines verstandgesteuerten, zielorientierten und zukunftsweisenden Verhalten, wie es sich heutzutage eigentlich für jeden Wissenschaftler, Techniker und/oder Entscheider geziemen würde. Die - wenn sie ehrlich sind - allesamt konstatieren: „So wie bisher geht es nicht mehr weiter“.

Um aus dem derzeitigen Teufelskreis auszubrechen, ist das Vorbild ‚Zurück-zur-Natur’ allerdings zu beschränkt als daß es auf globaler Ebene realisierbar wäre. Die meisten Menschen auf unserem Planeten haben eher ‚zu viel’ Natur – jedenfalls in ihren eher lebensfeindlichen Ausformungen. Außerdem fehlt die dazu notwendige breite Dezentralisation der Produktionsmittel. Was aber auf alle Fälle und sofort notwendig wäre ist eine grundlegende Abwendung von der heute praktizierten ‚Cowboy-Wirtschaft’ (weite, unbegrenzte Flächen – unbekümmert – draufgängerisch – eroberungslustig). Als Modell einer den Umweltprämissen stärker entsprechenden Wirtschaft nenne ich hier die ‚Raumfahrer-Wirtschaft’ (vollständiges Recycling unter Einbezug sowohl des körperlichen als auch des geistigen Zustands des gesamten Systems).

Rein strukturell gilt es – will man der Abnahme der Lebensqualität entgegenarbeiten – zu Zuständen weitgehender Überlappung der verschiedenen Lebensbereiche zurückzukehren. Zusätzlich zu sauberen, erneuerbaren und ausreichenden Energiequellen können Zustände, in denen oben im Haus gewohnt und unten im Haus gearbeitet wird, und dazu vor dem Haus ein Teil des Gartens der Lebensmittelerzeugung dient, ein kontemplatives Hinarbeiten auf eine weitaus bessere Lebensqualität bedeuten (98). Ich glaube wirklich daran und habe auch schon einige entsprechende Erfahrungen sammeln können. Denn man braucht dabei weder auf seine (dann: solarbeheizte) Dusche, noch auf den Zugang zum Internet (ggf. über solarversorgten Satellitenlink) zu verzichten... was ich auch keinesfalls machen würde!

Auf der vierten Zukunftskonferenz in Südamerika im Jahre 1975 wurde eine Rettungsbootstrategie für die Länder der Ersten Welt vorgeschlagen. Da das Problem der abnehmenden Lebensqualität jedoch ein globales Problem ist, dürfte diese Strategie nicht viel nützen. Es bedarf statt dessen vielmehr eines gemeinsamen Handelns von Orient und Okzident, von Nord und Süd. Dabei ist – neben der Sprache – das unterschiedliche Denken wohl der Kernpunkt aller Kommunikationsschwierigkeiten. Wobei es doch eigentlich nur zwei Arten des Denkens gibt: Das westliche/nördliche, das äußerst zielgerichtet und ziemlich ‚verkopft’ ist, und das östliche/südliche, das eher kontemplativ und stark emotional gesteuert ist. 

Spirale des kybernetischen Denkens

Spirale des kybernetischen Denkens

Frederic Vester schlug daher vor, ein kybernetisches Denken als Hilfsmittel zur Symbiose dieser beiden Denkarten – oder wenigstens als Katalysator zwischen ihnen einzusetzen. Aus beiden Denkarten, der translatorischen und der rotatorischen, bildet sich eine neue Einheit, die sich spiralig nach oben entwickelt, um so einerseits dem Kreisprozeß eine Richtung zu geben – und andererseits den Verlauf der fast schmerzhaft geraden Linie in eine ‚atmende’ Kreisbewegung zu verwandeln. Es ist schön, wie leicht sich dieser Ansatz in der folgenden Abbildung graphisch darstellen ließ. (99)

Ich möchte an dieser sehr passenden Stelle vorwegnehmen, daß ich im Teil D dieser Arbeit ausführlich auf das technische Modell einer solchen Einheit eingehen werde, welches im Sinne der Zielvorstellung einer Gesamtenergiekonzeption auf der  Reintegration der beiden Kernsysteme, des Wasser- und des Wärmekreislaufs aufbaut, und dessen Funktion vermutlich auf  Wechselwirkungen zwischen der mikro- und der makroskopischen Ebene beruht.

Zum Verstehen dieser neuartigen Zusammenhänge bietet sich das kybernetische Denken deshalb besonders gut an, da es ein ganzheitliches Denken ist, also ein Denken in miteinander verbundenen, netzartigen Zusammenhängen, und weil es den dynamischen Wandel der Einflußfaktoren mit einbezieht. Es ist systemorientiertes Denken, das nicht ‚linear-kausal’ und eindimensional ist, sondern vernetzt-kausal viel eher der mehrdimensionalen Realität entspricht (100). Man kann sicher sein, daß sich mittels dieses eher biologisch-kosmologischen Denkens ganz andere Perspektiven auftun werden als mittels eines Denkens, das grundsätzlich zwischen Subjekt und Objekt unterscheidet. (101)

Wieder einmal finden wir hier die Gesetzmäßigkeiten der Evolution und ihrer Entsprechung auf der molekularen Ebene, der Spirale der DNS.

Und deshalb geht es im abschließenden Kapitel dieses Teiles nun auch um Evolution und Synergie.


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