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MICRO ENERGY HARVESTING

Mechanische Systeme

Piezoelektrizität (IV)


Forscher des Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) um Zhong Lin Wang, der gleichzeitig auch am Georgia Institute of Technology tätig ist, stellen im März 2012 einen neuen piezoelektrischen Nanogenerator (NG) vor, der die Einschränkungen früherer Versuche zu überwinden verspricht, ein einfaches und kostengünstiges selbstversorgendes Energiesystem in großem Maßstab zu bauen. Wangs Team hatte bereits im Vorjahr den weltweit ersten piezoelektrischen Nanogenerator aus Zinkoxid-Nanodrähten geschaffen (s.d.).

Nanogenerator des KAIST Grafik

Nanogenerator des KAIST
(Grafik)

Das Team erzeugt ein Komposit durch Mischen von piezoelektrischen Nanopartikeln, Kohlenstoff-Nanoröhrchen und reduziertem Graphenoxid in einer Matrix aus Polydimethylsiloxan (PDMS) und stellt den Nanogenerator anschließend im Schleudergussverfahren her.

Trotz seiner relativen Einfachheit erreicht das Verbundmaterial einen Wirkungsgrad von 7 % sowie eine viel höhere Leistungsdichte als andere Vorrichtungen mit ähnlicher Struktur. In ein Paar Schuhe eingebettet, könnte eine durchschnittlich gebaute Person damit etwa 3 W erzeugen. Haltbarkeitstudien bestätigen zudem, daß selbst nach Tausenden von Zyklen, in denen das Material gebogen und wieder entspannt wird, keine merkliche Verschlechterung der Leistung auftritt.

Im Juli 2012 veröffentlicht ein weiteres Forscherteam des KAIST um Prof. Lee Gun Jae eine Dissertation über einen Nanogenerator aus Nanokomplexen nebst der Basis-Technologie, welche die Herstellung eines kostengünstigen und großflächigen Nanogenerators ermöglicht. Dieses Team verwendet dabei das keramische Dünnschichtmaterial BaTiO3, das eine 15 – 20 mal größere piezoelektrische Kapazität als ZnO besitzt, und das mit Polydimethylsiloxan (PDMS) und entweder Kohlenstoff-Nanoröhrchen oder reduziertem Graphenoxid (RGO) vermischt wird, die beide eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen.

Im August 2012 folgt eine Veröffentlichung des Wang-Teams unter dem Titel ,Hybridizing Energy Conversion and Storage in a Mechanical-to-Electrochemical Process for Self-Charging Power Cell (SCPC)’, in welcher ein mechanisch-chemischer Stromspeicher vorgestellt wird, der sich direkt mit mechanischen Bewegungen aufladen läßt.

Herzstück des Prototyps ist eine piezoelektrische Spezialmembran aus einem Polyvinylidenfluorid-Film (PVDF), während die Kathode der Batterie aus Lithiumkobaltdioxid (LiCoO2), und die Anode aus Titandioxid-Nanoröhrchen (TiO2) auf einer Titan-Schicht besteht. Zur experimentellen Überprüfung wird das Modul in eine Schuhsohle eingesetzt, sodaß beim Gehen mechanischer Druck auf die Membran ausgeübt werden kann.

Durch die dabei hervorgerufene Verformung wird über den piezoelektrischen Effekt ein Spannung erzeugt, welche die Lithium-Ionen von der Kathode löst und durch die Membran zur Anode wandern läßt. Dort angekommen, reagieren die Lithium-Ionen mit dem Anodenmaterial zu Lithiumtitanoxid. Und wie in einem klassisch aufgeladenen Akku können die Lithium-Ionen später wieder freigesetzt werden und dabei Elektronen in einen Stromkreislauf abgeben.

Mit einem rhythmisch ausgeübten Druck bei einer Schreitfrequenz von 2,3 Hz erreichen die Forscher binnen vier Minuten eine Ladungssteigerung von 327 auf 395 µV – während die Zelle bei einem Stromfluß von einem Milliampere innerhalb von zwei Minuten wieder entladen werden kann und dabei eine Kapazität von etwa 0,036 µAh erreicht, was immerhin zum Betrieb eines kleinen Taschenrechners ausreicht.

Wang und sein Forschungsteam haben bisher mehr als 500 Exemplare dieser Leistungszellen gebaut und getestet. Die Wissenschaftler schätzen, daß ein Zweizellengenerator-Speichersystem um fünf Mal effizienter sein wird. Insbesondere soll zukünftig eine verbesserte, flexible Umhüllung die Mängel der derzeitigen starren Metallverpackung vermeiden.

Diese Forschungen werden von der DARPA, der US Air Force, dem Office of Basic Energy Sciences des Department of Energy, der National Science Foundation und dem Knowledge Innovation Program der Chinesischen Akademie der Wissenschaften unterstützt.

M13-Synthese Montage

M13-Synthese
(Montage)

Über einen neuen flexiblen piezoelektrischen Nanogenerator des KAIST, der auf einer Bio-Vorlage basiert, wird im Dezember 2013 berichtet. Das Team um die beiden Professoren Keon Jae Lee und Yoon Sung Nam arbeitet daran, die Fähigkeiten der Natur nachzuahmen, diverse Materialien spontan zu synthetisieren und per Selbstorganisation herzustellen, die hoch entwickelte Architekturen aufweisen, wie Muscheln, Schwämme und Knochenmineralien.

Die natürliche Meeresmuschel zum Beispiel, deren Schale aus Kalziumkarbonat (CaCO3) besteht, ist sehr steif und hart, während die aus dem gleichen Material hergestellte künstliche Kreide ausgesprochen zerbrechlich ist. Zudem werden die meisten künstlichen Synthesen (der Materialien) unter toxischen, teuren und extremen Bedingungen durchgeführt – im Gegensatz zu den natürlichen Synthesen, bei denen die Material in gutartigen und milden Umgebungen verarbeitet werden.

Dem KAIST-Team gelingt es nun erstmals, ein anorganisches piezoelektrisches Material nach Bio-Vorlage durch umweltfreundliche und effiziente Materialsynthesen zu realisieren, indem ein virales M13-Gen genutzt wird, das für Menschen harmlos ist und in der Natur weit verbreitet existiert, um das hochpiezoelektrische Material Bariumtitanat (BaTiO3) zu synthetisieren. Damit soll ein flexiblen Nanogenerator mit verbesserten Leistung hergestellt werden können.

Im Mai 2014 können Lee und seine Kollegen eine Lösung für die schlechte Energieeffizienz und die komplexen Herstellungsprozesse vorstellen, welche die Vermarktung von Nanogeneratoren bislang behindert haben. Unter Verwendung des sogenannten anorganischen Laser-Lift-off-Prozesses (LLO) entwickelt das Team eine robuste Technik, um einen hochwertigen piezoelektrischen Dünnfilm aus losen Saphir-Substraten auf Kunststoffsubstrate zu übertragen. Dabei können großflächige PZT-Dünnschicht-Nanogeneratoren von 2 x 2 cm Größe auf flexiblen Substraten produziert werden.

Im Versuch gelingt es den Wissenschaftlern, aus der geringen mechanischen Verformung eines einzelnen dünnen Kunststoffsubstrats einen hohen Output bei ~ 250 V zu erzielen, was ausreicht, um 100 LEDs einzuschalten – und die gemessenen Stromsignale bei der Biegebewegung eines menschlichen Fingers zeigen eine hohe elektrische Leistung von ~ 8,7 µA. Darüber hinaus soll der piezoelektrische Nanogenerator einen nicht näher bezifferten Weltrekord beim Wirkungsgrad der Leistungsumwandlung aufstellen, der fast 40 mal höher liegt als der bisheriger Modelle.

Um die Ausgangsleistung noch weiter zu verbessern, untersucht das Forscherteam nun ein Verfahren, um dreidimensionale Stapel von flexiblen piezoelektrischen Dünnfilmen zu bauen. Daneben soll mit dem flexiblen Nanogenerator auch ein klinischer Versuch durchgeführt werden.

MoS2-Sytem Grafik

MoS2-Sytem
(Grafik)

Im Oktober 2014 melden Prof. James Hone und Wenzhou Wu aus Wangs Team am Georgia Institute of Technology, bei dem nun auch Kollegen der Columbia University mitmachen, daß man zwischenzeitlich den weltweit dünnsten elektrischen Generator hergestellt habe – der nur eine Atomlage dick ist und aus Molybdändisulfid (MoS2) besteht, das für seine Flexibilität und Leichtigkeit bekannt ist. Es ist gleichzeitig der erste experimentelle Nachweis, daß dieses Material piezoelektrische Eigenschaften besitzt.

Auf der Grafik soll gezeigt werden, wie positiv und negativ polarisierte Ladungen aus einer einzigen Schicht von Atomen herausgedrückt werden, wenn diese gestreckt wird.

Konstruiert wird der Generator, indem dünne Schichten aus MoS2 auf Kunststoffsubstrate aufgebracht werden, die sich leicht biegen lassen. Allerdings kann der piezoelektrische Effekt, um Elektrizität zu erzeugen, nur unter bestimmten Bedingungen erzielt werden, wie beispielsweise die Notwendigkeit einer ungeraden Anzahl von MoS2-Schichten.

Im Experiment kann bewiesen werden, daß mit einer zunehmenden Anzahl von Schichten die Menge des erzeugten Stroms abnimmt. Zudem erweist sich, daß das zweidimensionale Material eine größere Menge an Elektrizität erzeugt, wenn es in Gitterform angeordnet wird.

Eine einzelne MoS2-Schicht, die um 0,53 % auseinander gezogen wird, produziert eine Spitzenleistung von 15 mV und 20 pA, was einer Leistungsdichte von 2 mW und einem Wirkungsgrad von 5,08 % entspricht.

Hinweis: Bereits im August 2014 war es Thomas Müller und seinen Mitarbeitern an der TU Wien gelungen, eine neuartige Halbleiterstruktur herzustellen, die sich ausgezeichnet für den Bau von Solarzellen eignet. Nachdem einige Monate zuvor eine ultradünne Schicht aus nur drei Atomlagen des photoaktiven Kristalls Wolframdiselenid produziert werden konnte, entstand durch die erfolgreiche Kombination mit einer zweiten, ebenfalls nur drei Atomlagen dicken Schicht aus Molybdändisulfid ein Material, das zu großflächigen durchsichtigen, biegsamen und hauchdünnen Solarzellen führen könnte.


Zurück zur Chronologie: Im April 2012 wird berichtet, daß Wissenschaftler der Tsinghua University in China eine neue Art von piezoelektrischem Material entwickelt haben, das kein Blei enthält. Auf der Suche nach einem besseren, umweltfreundlichen Material setzen die Forscher eine Folie aus Zinkoxid (ZnO) ein, der sie Vanadium hinzugefügen. Nähere Informationen darüber habe ich bislang nicht finden können.


Daß auch eine direkte Virus-basierte piezoelektrische Energieerzeugung möglich ist, zeigt ein im Mai 2012 veröffentlicher Forschungsbericht der University of California, Berkeley, im welchem Byung Yang Lee und seine Kollegen darauf hinweisen, daß piezoelektrische Materialien zwar aus einer Vielzahl anorganischer Materialien sowie organischer Polymere hergestellt werden können, die Synthese solcher Materialien jedoch häufig toxische Ausgangsverbindungen, harte Bedingungen und/oder komplexe Prozesse erfordert.

Nachdem andere Teams schon zuvor gezeigt haben, daß hierarchisch organisierte natürliche Materialien wie Knochen, Kollagenfibrillen und Peptid-Nanoröhrchen piezoelektrische Eigenschaften aufweisen können, zeigt Lees Team nun, wie die piezoelektrischen und flüssigkristallinen Eigenschaften des M13-Bakteriophagen (Phagen) verwendet werden können, um elektrische Energie zu erzeugen.

Unter Verwendung der Piezoresponse-Kraftmikroskopie können die Struktur-abhängigen piezoelektrischen Eigenschaften des Phagen auf molekularer Ebene charakterisiert werden. Im Experiment wird gezeigt, daß selbstorganisierende dünne Filme aus Phagen piezoelektrische Stärken von bis zu 7,08 V aufweisen können. Außerdem wird nachgewiesen, daß es die genetische Veränderung des wichtigsten Hüllproteins ​​des Phagen möglich macht, die Dipolstärke des Phagen zu modulieren, um die piezoelektrische Reaktion abzustimmen.

Das Team entwickelt schließlich einen Phagen-basierten piezoelektrischen Generator, der bis 6 nA Strom und 400 mV erzeugt – was verwendet wird, um eine Flüssigkristallanzeige zu betreiben. Da die Bioverfahrenstechnik eine groß angelegte Produktion von gentechnisch veränderten Phagen ermöglicht, bieten darauf basierende piezoelektrische Materialien möglicherweise einen einfachen und umweltfreundlichen Ansatz zur piezoelektrischen Energieerzeugung, schreiben die Wissenschaftler.


Auf der Energy Harvesting & Storage conference von IDTechEx, die ebenfalls im Mai 2012 in Berlin stattfindet, berichtet Sang-Goo Lee, Firmenchef der IBULE photonics über die neuesten Entwicklungen bei der Züchtung von piezoelektrischen Blei-Magnesium-Niobat-Bleititanat Einkristallen (PMN-PT) und ihre Anwendungen in Ultraschallwandlern, Feuermeldern und in der koreanischen Automobilindustrie.

Das piezoelektrische Einkristall-Material wird zwar in einem Hochtemperatur-Kristallwachstumsverfahren hergestellt, erzielt im Vergleich zu polykristallinem PZT jedoch einen 10-fach höheren Spannungsausgang.

Daniel Song von der Hanyang University präsentiert seinerseits Pläne der koreanischen Bahnindustrie, die piezoelektrische Energiegewinnung bei Magnetschwebebahnen zu implementieren, nachdem zumindest theoretisch bewiesen werden konnte, das eine Energieernte von den Schwingungen des supraleitenden Drehgestells möglich ist.


Im Juni 2012 berichten Wissenschaftler der Cranfield University in Großbritannien um den Dozenten Michele ,Mik’ Pozzi über einen Weg, die Einschränkungen des traditionellen Ansatzes zu überwinden, mit piezoelektrischen Keramiken Energie aus den täglichen Aktivitäten des Menschen zu gewinnen. Die Keramiken werden normalerweise in Resonanzsystemen auf die in der Umgebung  vorherrschende Frequenz abgestimmt.

Pizzicato-Harvester

Pizzicato-Harvester

Dabei sei das Problem, daß Menschen träge sind wie Faultiere, während Piezos schneller sind als Kolibris. Um mit ihnen eine gute Leistung zu erhalten, müssen sie bei hoher Frequenz zum vibrieren gebracht werden, und dies, obwohl die menschlichen Bewegungen auf einige Hertz begrenzt sind.

Statt der traditionellen Lösung, am Ende eines freitragenden Bimorph Masse hinzuzufügen, um dessen Resonanzfrequenz zu reduzieren und an die Umgebungsschwingungen anzupassen, kommt Pozzi zu der Erkenntnis, daß die besten Betriebsbedingung für die Energieernte in der Resonanz liegen. So läßt sich der Bimorph – ein piezoelektrisches Sandwich mit Metallfüllung, das auch als Zweikristallelement bekannt ist – zupfen, um dann bei seiner Grundresonanz frei zu schwingen, ähnlich wie es die Saiten eines Musikinstruments tun.

Diese Methode wird als Frequenzaufwärtsumwandlungstechnik klassifiziert, bei der mit einer niederfrequenten Eingangserregung ein Resonanzelement mit einer viel höheren Frequenz zum schwingen gebracht wird. Ein Demonstrator, der an der Cranfield University gebaut wird, trägt dementsprechend auch den Namen ,Pizzicato-Kniegelenk-Energy Harvester’. Ich habe darüber bereits im Kapitel Muskelenergie berichtet (s.d.).

Der Prototyp verfügt über eine zentrale Nabe, welche die piezoelektrischen Zweikristallelemente sowie einen Außenring mit eingebetteten Plektra hält. Bei einer Kniegelenk-Anwendung würden diese jeweils an Hüfte bzw. Schenkel befestigt werden. Wenn der Träger läuft, drehen sich Nabe und Ring in Bezug aufeinander in einer hin- und hergehenden Bewegung, sodaß die Plektra die Bimorphe zupfen. Der Demonstrator erzeugt bei normaler Gehgeschwindigkeit etwa 2 mW, was für eine Vielzahl von Sensoren und sogar für die drahtlose Kommunikation ausreicht.

Das Team untersucht nun die Anwendung der Technik in anderen Bereichen – z.B. durch die Entwicklung eines Pizzicato-Windgenerators. Das gemeinsam mit Kollegen der University of Liverpool und der University of Salford durchgeführte Projekt wird von dem Defence Science and Technology Laboratory (DSTL) finanziert, einem Teil des britischen Verteidigungsministeriums.


Ebenfalls im Juli 2012 erscheint die Meldung, daß südkoreanische Wissenschaftler der Seoul National University (SNU) um Kahp-Yang Suh ein synthetisches Äquivalent für die menschliche Haut aus ,Nano-Haar’ Fasern entwickelt haben, das aufgrund seiner einfachen Architektur leicht und preisgünstig hergestellt werden kann und in der Lage ist, Druck, Scherung und Torsion zu erfassen – auch wenn hier noch keine Rede von einem Energy Harvesting ist.

Die künstliche, piezoelektrische Haut mit eingebauten Sensoren verwendet zwei geringfügig getrennte dünne Schichten aus dem flexiblen Polymer Polymethylsiloxan (PDMS), die jeweils mit einer sehr dünnen Schicht aus Platin bedeckt sind, um sie leitend zu machen. Was das Design so einzigartig macht, ist die Verwendung von mit Platin bedeckten, im Durchmesser 100 nm dünnen und einen Mikrometer langen ,Nanohärchen’, welche die inneren Oberflächen der beiden Polymerschichten bedecken.

Die intermolekularen Van der Waals-Kräfte zwischen den Nanohärchen bewirken, daß die beiden Schichten wie eine Art molekulares Klettband zueinander gezogen werden, sodaß das Platin eine elektrische Verbindung aufbauen kann. Gleichzeitig wirkt die Biegefestigkeit Härchen dem entgegen und drückt sie auseinander, wodurch die beiden Kräfte in bestimmtem Abstand zu einem Gleichgewicht finden. Jeder Druck bringt die beiden Schichten einander näher, was den Kontakt zwischen den Härchen erhöht und den elektrischen Widerstand verringert.

Tatsächlich erweist sich die künstliche Haut damit als empfindlicher als die menschliche, sodaß sich auf einer Matrix aus 64 Pixeln der Weg von zwei Marienkäfern verfolgen läßt.

Nanohelix-Strukturen

Nanohelix-Strukturen


Im August 2012 berichten Forscher am Trinity College in Dublin unter der Leitung von Prof. Vojislav Krstić über ihre Erfindung sogenannter Nanohelix-Strukturen, die als Teil einer Familie von ,Nanogürteln’ gelten, winzige bandartige Strukturen mit Halbleiter- und piezoelektrischen Eigenschaften, welche erstmals im Jahr 2001 von dem o.g. Team um Zong Lin Wang am Georgia Tech nachgewiesen wurden.

Die Innovation ermöglicht die skalierbare Herstellung von metallischen, hoch leitenden und nanostrukturierten 3D-Materialien, wobei die Spiralstrukturen die Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen und Materie auf der Nanoskala ausnutzen können, sodaß sie sich auch für Energy-Harvesting-Anwendungen eignen. Die in diesem Verfahren gezüchteten Nanospiralen können in Länge, Schraubendurchmesser und Spulendurchmesser exakt auf spezifische Anwendungen abgestimmt werden.

Die Methode hatte Krstić gemeinsam mit seinem Kollegen Jose Manuel Hernandez Caridad bereits 2011 zum Patent angemelder (EP-Nr. 2508469, veröffentlicht 2012).

Im Mai 2015 folgt ein weiterer Forschungsbericht des Krstić-Teams zu den spiralförmigen Nanoteilchen, bei dem es allerdings nur um die optische Leistung von metallischen Nanohelix-Strukturen geht – in Erweiterung des spiralförmigen Antennenkonzepts auf den optischen Wellenlängenbereich. Neuigkeiten bezüglich dem Energie-Ernten gibt es bislang aber keine.


Im September 2012 geben die Firma Teijin Ltd. und die private Kansai University in Suita in der Präfektur Osaka die Entwicklung eines neuen flexiblen und transparenten piezoelektrischen Materials bekannt, das bislang beispiellose piezoelektrische Effekte zeigt und mit einem einfachen und praktischen Koextrusionsverfahren hergestellt werden kann.

Tajitsu-Piezo

Tajitsu-Piezo

Das Team um Prof. Yoshiro Tajitsu produziert das neue Material in einem einfachen Herstellungsverfahren, bei dem abwechselnd zwei Arten von Polymilchsäure-Filmen (PLA) laminiert werden: Poly-L-Milchsäure (PLLA) und optische Isomer-Poly-D-Milchsäure (PDLA).

Durch abwechselndes einsetzen positiver und negativer Elektroden zwischen den PLLA- und PDLA-Folien, welche eine piezoelektrische Bewegung in entgegengesetzten Richtungen zeigen, wenn sie elektrischen Feldern der gleichen Richtung ausgesetzt werden, kann die piezoelektrische Bewegung in der gleichen Richtung ausgerichtet werden.

Durch Variieren der Anzahl der Schichten kann zudem die piezoelektrische Leistung so gesteuert werden, daß sie sich für kundenspezifische Ausführungen mit spezifischen Bedürfnissen anpassen läßt. Außerdem verbessert sich die Piezoelektrizität dramatisch, wenn die Qualität des PLA ein gewisses Maß an Reinheit übersteigt. Durch den Einsatz von hochreinem PLLA und PLDA, das mit einer von Teijin entwickelten Raffinerietechnik erreicht wird, demonstriert die weltweit erste binär gemischte PLA-Mehrschichtfolie piezoelektrische Eigenschaften, welche sogar die von Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) übertreffen. Zudem ist das neue Material umweltfreundlich.


Der Sieger des diesjährigen Design-Wettbewerbs Land Art Generator Initiative (LAGI), der im Oktober 2012 bekanntgegeben wird, ist ein auffallendes, piezoelektrische Energie erzeugendes Kunstprojekt namens Scene Sensor, das von Künstlern James Murray und Shota Vashakmadze aus Atlanta entworfen wurde, um oberhalb und unterhalb der Oberfläche des Staten Island Park installiert zu werden. Dabei soll sich ein Riegel aus zwei Ebenen zwischen dem nördlichen und östlichen Hügel des Parks erstrecken.

Die geplante Energieerzeugungskapazität von 5.500 MWh aus dem starken Wind, der vor Ort herrscht, soll durch flexible Platten und einem mit piezoelektrischen Drähten ausgestatteten Metallgitter erfolgen. Daneben sind Dünnschicht-Solarzellen aus amorphem Silizium installiert – und auch die Besucher selbst können Energie produzieren, wenn sie auf einer Plattform herumlaufen, die über der Wasserlinie liegt. Dem Entwurf zufolge soll an einem Frühlingstag die gesammelte Energie für 1.200 Haushalte ausreichen.

Interessanterweise integriert auch das zweitplazierte Team aus New York City in seinem 1.000 MWh Projekt TREE neben kinetischen auch piezoelektrische Generatoren – die Sache kommt langsam in Mode.

DCJ-Prototypen

DCJ-Prototypen


Im Dezember 2012 wird in den Blogs eine andere, aber ebenso wichtige Umsetzung des piezoelektrischen Effekts vorgestellt. Inspiriert von der Lunge, und durch Anpassung einer Technik, die den Luftstrom durch Strahltriebwerke verbessert, haben Forscher bei GE Global Research um Peter deBock eine neuartige Kühleinrichtung geschaffen, die extrem dünne, leisere und leistungsfähigere Laptops und Tablets ermöglichen soll.

Unter dem Namen Dual Piezo Cooling Jet (DCJ) wird ein gerade mal 3 mm dickes Gerät vorgeführt, das aus zwei Nickel-Scheiben besteht, die auf beiden Seiten mit einem Streifen aus piezoelektrischen Keramiken verbunden sind (im Bild blau).

Wird ein Wechselstrom durch die keramische Komponente geführt, dehnt sie sich aus und zieht sich wieder zusammen. Da dies bis zu 150 mal pro Sekunde geschieht, wirken die Nickelscheiben wie ein Blasebalg. Verengt sich das piezoelektrische Material, werden die Kanten der beiden Nickelscheiben zusammengedrückt, so daß sie sich voneinander weg krümmen und Heißluft aus der Umgebung ansaugen. Dehnt sich das piezoelektrische Material dann aus, kommen die Nickel-Scheiben wieder zusammen und die Luft wird mit hoher Geschwindigkeit aus der Mitte ausgestoßen.

Nachdem GE das erste Patent für die Technologie im Jahr 2004 erhalten hatte, hat es diese jetzt der japanischen Firma Fujikura Ltd. lizenziert, einem großen Hersteller von Kühlgeräten. GE bietet zudem DCJ-Kits an, um die Technologie in der nächsten Generation von Tablets und Laptops zu testen. Realistisch betrachtet, sollte die DCJ-Kühlung daher irgendwann in den nächsten paar Jahren auf den Markt kommen.


Auch das innovative italienische Start-up-Unternehmen GreenRail s.r.l. des Gründers Giovanni Maria De Lisi, das im Jahr 2012 aus der Taufe gehoben wird und seinen Hauptsitz in Milano hat, will zur Erzeugung von Strom Piezo-Elemente nutzen – und zwar in Form von Bahnschwellen. Der Bedarf an den Bauteilen ist groß: Allein in Europa müssen pro Jahr im Schnitt etwa 40 Millionen Stück ersetzt werden.

GreenRail-Bahnschwelle

GreenRail-Bahnschwelle

Die von der umweltbedachten Firma entwickelten Schwellen bestehen größtenteils aus einer Mischung aus recycelten Reifen und Plastikabfällen um einen Betonkern herum, da komplett aus Kunststoff bestehende Modelle zu leicht sind, um Züge mit mehr als 80 km/h fahren zu lassen. Die Vorteile des Kunststoffmantels liegen primär darin, daß er die Schwingungen dämpft und daher leiser, langlebiger und günstiger instand zu halten ist, als herkömmliche Versionen.

Zudem sei das neue Modell stabiler als reguläre Schwellen. Bei einem Kilometer Bahnstrecke, bestehend aus 1.670 GreenRail-Bahnschwellen, kämen 35 t Altreifen und 36 t Altkunststoffe zum Einsatz. Die Lebensdauer der neuartigen Schwellen liege bei ungefähr 50 Jahren.

Die zweite Besonderheit bilden die integrierten Piezo-Elemente, die den Druck der Züge auf die Schwellen in Elektrizität umwandeln. Der Firma zufolge sollen pro Kilometer und Stunde 10 – 15 durchfahrende Züge reichen, um bis zu 120 kW zu generieren. Nun arbeitet das Start-up, das die neuen Schwellen bereits in 148 Ländern patentiert hat, zusammen mit der Polytechnischen Universität Mailand und weiteren Partnern an der Kommerzialisierung des Prototyps.

Nach GreenRails Kalkulation betragen die Gesamt-Produktionskosten mit 70 € pro Stück (andere Quellen: 85 €) deutlich weniger als bei Betonschwellen mit einer Gummibasis und nachgerüsteter Piezo-Technik. Neben der Schwelle mit den Piezoteilchen, plant das Unternehmen, das im Laufe der Folgejahre diverse Preise gewinnt, auch eine Variante mit integrierten Photovoltaikzellen. Der erste vollständig aus GreenRail bestehende Schienenkilometer soll 2016 auf seine Alltagstauglichkeit getestet werden.


Interessanterweise gelangt auch ein Team von Studenten der University of Nebraska-Lincoln im Juli 2015 zu einer ähnlichen Entwicklung, als es fünf Systeme konzipiert, die Energie von den Schienen beziehen. Ziel des Projekts ist die Versorgung von Warnlichtanlagen an Bahnübergängen.

Das erste System ist so konzipiert, daß es Strom über eine induktive Spule erzeugt, die über einem Permanentmagneten mit radialem Magnetfeld an der Schiene befestigt ist, während das zweite System einen Streifen aus piezoelektrischem Material umfaßt, der auf der Unterseite der Schiene befestigt ist. Unter dem Gewicht des Zuges biegt sich die Schiene und belastet das Material mechanisch, was die Leistung erzeugt. Die beiden Systeme erzeugen zwar ausreichend Strom, um Funksensoren zu versorgen, können aber nicht genug produzieren, um dem Zweck der Studie gerecht zu werden.

Als alternative Lösungen werden daher noch ein Ratschen-Mechanismus konzipiert, der durch die vertikale Biegung der Schiene bewegt ein Getriebe mit Generator dreht, sowie eine Art Hydrauliksystem mit Zylinder und Motor, das durch die vertikale Ablenkung der Schiene angetrieben wird. Bei dem fünften System wird ein federbelasteter Nockenmechanismus, der an den Schienen befestigt ist, von jedem der darüber rollenden Rad gedrückt. Sobald es passiert, wird die Feder zurück-, und durch das nächste Rad wieder nach vorne geschoben. Mit der entstehenden Pendelbewegung wird ein Stromgenerator angetrieben, der eine ausreichende Menge an Elektrizität erzeugt.

 

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