allTEIL C

MUSKELKRAFT


Treten und Tanzen (1)


Dieses Kapitelteil umfaßt auch Springen und Hüpfen, Rennen und Laufen sowie viele weiter Bewegungen des Körpers, die zur Energieerzeugung genutzt werden können. Ausnahmen bilden die  schwächeren Muskelbewegungen, wie die der Herz- und Kaumuskeln oder der Lider, deren Nutzung ich im Kapitel Micro Energy Harvesting vorstelle.

Die grundlegende Idee ist nicht neu. Bereits 1996 wird im IBM Systems Journal ein Bericht von Thad Eugene Starner vom MIT Media Lab in Cambridge veröffentlicht, der als ein starker Befürworter des ‚Wearable Computing‘ gilt und seit 1993 die Möglichkeit untersucht, die Energie, die bei den täglichen Handlungen des Benutzers verbraucht wird, zur Stromerzeugung für den Computer zu nutzen, so daß keine Batterien mehr erforderlich sind.

In dem Bericht wird eine eingehende Analyse der Energieerzeugung durch Beinbewegungen vorgestellt und ein Überblick über andere Methoden wie die Erzeugung durch Atem oder Blutdruck, Körperwärme sowie Finger- und Gliedmaßenbewegungen gegeben. Bis 2023 wird der Bericht in 437 Veröffentlichungen zitiert.

Starner ist übrigens auch Mitbegründer und erstes Mitglied des MIT Wearable Computing Project, an dem er als einer der ersten sechs Cyborgs beteiligt ist – indem er seit 1993 hauptberuflich sein eigenes maßgeschneidertes tragbares Computersystem trägt. Seine Doktorarbeit am MIT im Jahr 1999 unter dem Titel ‚Wearable Computing and Contextual Awareness‘ befaßt sich mit Mustererkennung und der Frage, wie Wearable Computing für Zwecke wie die Erkennung von Handbewegungen in der amerikanischen Gebärdensprache eingesetzt werden kann. Viele Jahre später ist Starner technischer Leiter von Googles Projekt für tragbare Computer, das Project Glass.


Eine der ersten Umsetzungsvorschläge zur Nutzung der Tretenergie stammt von Tone Reinertsen-Hellesøy, die im Rahmen ihrer Abschlußarbeit an der Delft University of Technology im Jahr 2001 ein mobiles Energiesystem für die Satellitenkommunikation entwickelt, unter der Vorgabe, daß die einzige wirklich unabhängige Energiequelle, die zur Verfügung steht, die Muskelkraft ist. Dazu sollte das Produkt auch in der Dunkelheit und in allen Arten von Umgebungen und Wetterlagen funktionieren.

Indem die Innovatorin diverse Arbeitsprinzipien wie Windräder, Kurbeln, nach unten ziehende Gewichte u.a. analysiert und bewertet, landet sie schließlich beim Treten als die beste Lösung. Dies paßt auch zu der technischen Entscheidung, zur Umsetzung der Energie Turbomaschinen zu verwenden.

Reinertsen entwickelt daraufhin ein eigenständiges Energiesystem mit einem 12V DC / 8 W Ausgang, das der Anwender mit einem Fußtritt alle zwei Sekunden aktiviert. Mit jedem Zyklus wird Luft durch ein Turbine gedrückt, wobei der Luftstrom diese mit mehr als 10.000 U/min. drehen läßt. Die Turbine ist dabei direkt auf dem Rotor des Elektromotors befestigt, da die hohe Drehzahl die Notwendigkeit eines Getriebes eliminiert.

Um die Durchführbarkeit des Arbeitsprinzips zu demonstrieren, wird ein Prototyp gebaut, dessen Effizienz allerdings viel geringer ausfällt als die theoretisch erwarteten 50 %. Dessen ungeachtet liegen die wichtigsten Vorteile dieses Systems in der hohen Betriebssicherheit und Lebensdauer aufgrund der geringen Anzahl beweglicher Teile.

Hinzu kommt, daß das Gerät durch die Frischluft, die in jedem Zyklus von zwei Sekunden durch das gesamte System fließt, selbstkühlend ist. Die Schwankungen bei den Tritten werden durch die Schwungradwirkung des Rotors und die elektrischer Kapazität ausgeglichen. Leider ist nichts darüber zu finden, ob dieser interessante Ansatz je weiterverfolgt wurde.


Auch das einfache Herumlaufen kann zur Stromerzeugung genutzt werden. Es ist nicht ganz klar, wer sich als erstes damit beschäftigt, doch die damals 12-jährige Schülerin Mai Miyachi aus Tokio beteiligt sich 2002 an dem dritten und letzten Yomiuri Science Vision Wettbewerb mit ihrer Idee, das Gewicht von Fußgängern zur Elektrizitätsgewinnung zu nutzen.

Tretstromgewinnung in Tokio

Tretstromgewinnung
in Tokio

Im Oktober 2006 ist sie dann wohl selbst überrascht zu erfahren, daß ihre Innovation Electricity-Generating Road vom Forschungsinstitut der East Japan Railway Company (JR East) in Zusammenarbeit mit der Keio University tatsächlich umgesetzt wird. Bei ersten Experimenten werden rund 0,1 W pro Sekunde gewonnen. Der Öffentlichkeit wird die Innovation während der japanischen Leitmesse für erneuerbare Energien Mitte Oktober 2007 vorgestellt.

Nach einjährigen Tests beginnt im Dezember 2008 der erste Vor-Ort-Einsatz, der bis zum Februar 2009 andauert. Dabei werden in einigen der Kontrollschleusen der U-Bahneingänge im Großbahnhof Shibuya in Tokio, einem der verkehrsreichsten Bahnhöfe des Landes, spezielle Trittbretter ausgelegt, in denen runde, 3 cm durchmessende piezoelektrische Schalter eingearbeitet sind, die jedes Mal einen Stromimpuls abgeben wenn jemand darauf tritt.

Den Testberichten zufolge bewährt sich statt einer Gummioberfläche eine Abdeckung aus Marmorplatten. Und durch verbessertes Material gelingt es, den bisherigen Wert auf 10 W pro Pendler zu steigern. Die im Einsatz befindliche Fläche an sieben Ticket-Schleusen und auf sieben Treppenstufen mit insgesamt rund 25 m2 soll täglich ca. 1.400 kWh liefern. Die erzeugte Energie wird verwendet, um die Erzeugungskapazität anzuzeigen, soll in Zukunft aber die automatischen Ticketschalter und elektronischen Anzeigesysteme versorgen.

Zum Einsatz kommen piezoelektrische Platten des im September 2006 gegründeten japanischen Unternehmens Soundpower Corp. aus Fujisawa, Präfektur Kanagawa, die man in Japan bereits mieten kann. Eine 20 x 30 cm FB-0001 Platte mit einer Leistung von 0,3 – 0,5 W einen Monat lang für Werbeaktionen zu nutzen, soll 500.000 ¥ kosten (~ 740 €).

Leider besitzt die Firma, die von Hayamizu Kohei aus der Taufe gehoben wurde, als er noch an der Hochschule war, bislang nur eine japanischsprachige Homepage. Neben den Trittplatten beschäftigt sie sich auch mit der Energieerzeugung aus Schall und Vibrationen.

Mit den Tests ihres Power-Generating Floor beginnt die Soundpower im Jahr 2008, wobei im Juli als erstes die Designfirma Kokuyo Office System Co. die stromerzeugenden Fliesen in ihren Sitz montiert. Der von darüber laufenden Fußgängern erzeugte Strom schaltet in den 50 x 50 cm großen Fliesen eingebettete grüne LEDs an, welche den Gehweg beleuchten. Ein ähnliches System wird im April 2009 im Eingang der Fujisawa City Hall in der Präfektur Kanagawa installiert. Soundpower rechnet übrigens mit 0,1 W Leistung, die eine 60 kg schwere Person bei jedem ihrer Schritte erzeugt.

In den Folgejahren berichtet die Presse immer wieder über die Firma, die noch eine Reihe anderer Produkte in Arbeit hat, darunter eine batterielose TV-Fernbedienung, welche sich mit jedem Knopfdruck selbst nachlädt, und die 2009 im Rahmen eines Joint Venture mit NEC verwirklicht werden soll. Ich habe diese Entwicklung bereits unter den muskulären Systemen beschrieben (s.d.). Über tatsächliche Produkte konnte ich bisher aber nichts finden.

Ecotile Funktionsgrafik

Technologie des Ecotile
(Grafik)


Bikram Mittra
vom National Institute of Design im indischen Gujarat beteiligt sich im Jahr 2003 mit dem Designkonzept Ecotile am Pop Sci and Core77 Wettbewerb.

Auch bei seinem Entwurf handelt es sich um eine piezoelektrische Bodenfliese, die beim ,Betreten’ Strom erzeugt.

Auf der Abbildung wird das Konzept dieser Energieumwandlungsmethode gut nachvollziehbar dargestellt. Eine Umsetzung scheint bisher aber nicht erfolgt zu sein.


Im Mai 2006 sendet der BBC London ein Interview mit der Architektin Claire Price, Leiterin des Architekturbüros The Facility in London, in dem diese auch die Möglichkeiten beschreibt, den Fußgängerverkehr zur Stromerzeugung zu nutzen. So kalkuliert sie den Ertrag der 34.000 Reisenden, welche täglich die Victoria Underground Station in London frequentieren, auf eine Energiemenge die ausreichen würde, um 6.500 Glühbirnen zu betreiben.

Im Laufe des Jahres unternehmen Ingenieure des britischen Beratungsunternehmens Scott Wilson auf einer Brücke in den Midlands einen erfolgreichen Testlauf, bei dem die überquerenden Züge einen Flutdetektor mit Strom versorgen. Zum Einsatz kommen dabei zusammenpreßbare Matten, in denen eine Flüssigkeit durch Miniturbinen gepreßt wird, welche die Stromerzeugung übernehmen. Die Elektrizität wird anschließend in Supercaps gespeichert. Eher in einem Nebensatz wird erwähnt, daß die grundlegende Technologie auf Mini-Generatoren basiert, die in Militärstiefeln eingebaut bereits vom US-Militär getestet worden seien (s.o).

Nun soll die Pacesetter genannte Technik, deren Konversion zum Unterboden-Einsatz durch The Facility erfolgt ist, Anfang 2007 in den 570 Treppenstufen des 170 m hohen Spinnaker Tower in Portsmouth installiert werden, eine touristische Aussichtsplattform, wobei der gewonnene Strom von 3 – 5 W pro Fußtritt zu Beleuchtungszwecken genutzt werden soll. Beteiligt sind die Firma Philips und ein Team der Hull University, das ebenfalls bereits an einem Laufschuh mit integriertem Generator gearbeitet hat.

Die Ingenieure gehen davon aus, daß sich sogar die Flutlichter von Sportstadien durch die dort ein- und ausströmenden Massen betreiben ließen. Weitere Einsatzgebiete sind die Erzeugung des Stroms für die Straßenbeleuchtung durch die Schritte von Fußgängern, die Stromerzeugung für Ampeln durch den Fahrzeugverkehr oder die Beleuchtung von Eisenbahntunneln durch die Vibrationen der hindurch fahrenden Züge. Mehr dazu steht im Kapitel Mikro Energy Harvesting.

Im Rahmen eines Projektteils, das von einem Team der Southampton University übernommen wird, soll ferner versucht werden, die Schwankungen des Gebäudes selbst zu nutzen – was sich besonders bei stark schwankenden Fernsehmasten und ähnlichen Objekten umsetzen ließe. Es scheint allerdings, als sei das Spinnaker Tower-Projekt nie verwirklicht worden.

Erst im April 2010 hört man wieder etwas von der Facility-Technologie, als das Unternehmen bekannt gibt, daß man das erste System noch in diesem Jahr in einem Einkaufszentrum in den USA installieren will, mit einem bald darauf folgenden weiteren Standort in Großbritannien. Es wird erwartet, daß jede Platte pro Tag rund 1 kWh Strom generiert, was ausreicht, um rund 300 Telefone aufzuladen. Da das System einen Gleichstrom erzeugt, ist es auch sinnvoller und effizienter, den gewonnenen Strom für DC-Geräte zu benutzen, anstatt ihn in Wechselstrom zu wandeln und ins Netz einzuspeisen. Danach wird es allerdings völlig still um das Ganze.


Ende 2006 gibt der Erfinder Marc Almond aus dem britischen Altrincham bekannt, daß er mit seinem im Jahr 2000 gegründeten Unternehmen Blitz Jive Ltd. ein Bodenelement entwickelt hat, das die Energie des Laufens, Hüpfens oder Tanzens in Strom umwandelt.

Bei seiner Teilnahme an dem Powergen EnergyLab Wettbewerb springt Almond vor der Jury auf seiner Bodenmatte so stark herum, daß er damit 16 Glühbirnen und einen Ventilator betreiben kann. Die Firma wird bereits 2011 als aufgelöst geführt, ohne daß sich eine zwischenzeitliche Umsetzung bestätigen läßt.


Ein weiteres Konzept bildet das Energy collection and storage system (EGAS) der 2005 gegründeten Firma Great Systems Inc. aus El Mirage in Arizona, welches 2006 patentiert wird, bislang aber noch nicht in Produktion gegangen zu sein scheint (US-Nr. 7.009.350, erstmals angemeldet 2004). Als Erfinder des Tretgenerators wird der Firmengründer Robert J. Gold genannt.


Ein bereits ausgereiftes Produkt ist demgegenüber die tragbare Energiequelle FreeCharge Weza, welche die Firma Freeplay, die uns bereits bei den kurbelbetriebenen Geräten ausführlich begegnet ist, im Jahr 2006 auf den Markt bringt.

FreeCharge Weza

FreeCharge
Weza

Der fußbetriebene 40 W Tretgenerator, der für knapp 270 $ angeboten wird, lädt die integrierte 12 V / 7 Ah Blei-Säure-Gel-Batterie – und in Verbindung mit einem ‚Xantrex XPower Powerpack 400 Plus’ ist es möglich, mit ein paar Kalorien sogar eine Notbeleuchtung, kleinere Elektrowerkzeuge oder einen Computer zu betreiben. Weza ist übrigens ein Wort in Swahili und bedeutet Energie.

Der FreeCharge Weza besticht durch sein Äußeres ebenso wie durch seinen ergonomischen Betrieb, da man hier nicht ununterbrochen drehen muß, wie bei den üblichen kurbel- oder pedalbetriebenen Stromgeneratoren.


Als Ergebnis eines Forschungsprojekts ,When Nature Calls’, das von den Partnern Enviu, einem Unternehmen zur Förderung von Innovatoren in Nachhaltigkeit, sowie dem Architekturbüro Döll in Rotterdam in den Niederlanden durchgeführt wird, entsteht im Jahr 2006 das Konzept für einen nachhaltigen Tanzclub, der unter dem Namen Sustainable Dance Club (SDC) offiziell im Rahmen der Veranstaltung ,The Critical Mass’ bekanntgegeben wird.

Club Watt Dancefloor

Tanzfläche im
Club WATT

Gegen Ende des Jahres 2007 wird dann von dem Miterfinder Michel Smit die Firma Sustainable Dance Club BV (SDC) gegründet und mit der Entwicklung von Produkt-Prototypen begonnen. Bereits im September 2008 kann mit dem Club WATT die erste ‚Öko-Disco’ der Welt eröffnet werden.

Kernstück der mit Millionengeldern niederländischer Privatinvestoren völlig neu gestalteten früheren Nighttown-Disco an der West-Kruiskade in Rotterdam ist das erste Modell des Sustainable Dance Floor (SDF), einer flexiblen elektromechanischen Tanzfläche, bei welcher der Boden unter den Füßen um einige Millimeter nachgibt. Die Schwingungen der Bewegungsenergie werden dann per Dynamo in Elektrizität umgewandelt und gespeichert. Dabei zeigen LEDs im Boden sowie Lampen an der Bühne das erreichte Energie-Level der Tänzer an.

Der Werbeslogan des Clubs von Party-Guru Ted Langenbach lautet deshalb auch „We want your energy“. Gemeinsam mit dem Architekten Herman Kossmann will er damit beweisen, daß Umweltschutz und Spaß sehr gut zusammenpassen – und gleichzeitig einen neuen Trend setzen, auch wenn die Eigenstromerzeugung von etwa 10 W pro Tanzendem noch relativ gering ist, gemessen am Gesamtbedarf des Clubs, der bis zu 2.000 Gäste aufnehmen kann. Immerhin können die Tanzenden etwa ein Drittel des Stroms liefern, den die DJ-Bühne verbraucht.

Die interaktive Deckschicht des SDF wird vom Studio Roosegaarde gestaltet, mit der Aufgabe, mit so wenig Energie wie möglich eine maximale Wirkung zu erzielen. Die intelligente Konstruktion aus Glas, Spiegeln und LEDs schafft einen Endlos-Effekt innerhalb der Fliesen, wobei nur eine Reihe von LEDs mit Strom versorgt werden muß, während mehrere Lichterreihen zu sehen sind.

Im Wissenschaftsmuseum in Miami

Wissenschaftsmuseum
Miami

Hergestellt werden die Energie-Bodenmodule gemeinsam mit den ebenfalls niederländischen Partnerfirmen Rinnic/Vaude aus Maassluis und AEGROUP aus Capelle. Sie sollen die gegenwärtig weltweit höchste Energieleistung von bis zu 30 W pro Fliese erreichen und in der Lage sein, extremem Wetter und außergewöhnlichen Kräften zu widerstehen.

Als Kostenpunkt der 6 x 6 m großen Tanzfläche werden 260.000 $ genannt. Der Tanzboden kann aber auch gemietet werden, wobei es sogar möglich ist, eigene Logos auf dem Boden zu integrieren. Außerdem kann die Tanzfläche in verschiedenen Größen aufgebaut werden, je nach Anzahl der Kacheln, die jeweils 65 x 65 cm groß sind. Empfohlen wird eine Fläche von mindestens 9 und maximal 68 Kacheln. Die Monatsmiete pro Kachel beträgt zu diesem Zeitpunkt 60 €, exklusive Transport und Personal.

Im Jahr 2009 wird eine verbesserte Version des SDF gebaut und zu einer Vielzahl von Kunden auf der ganzen Welt transportiert. Die ersten Festinstallationen erfolgen im September 2009 im Wissenschaftsmuseum in Miami und 2010 im Franklin Institute in Philadelphia, dazu kommen kurzzeitige Projekte in Kanada, China, Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Anschließend konzentriert sich das Unternehmen auf die Weiterentwicklung des energieerzeugenden Bodens, dessen  kostengünstigere und effizientere Version für Anwendungen im großen Maßstab den Namen Sustainable Energy Floor (SEF) bekommt.

Ein 7 x 7 m großer Sustainable Dancefloor ist im Januar 2011 auch die Hauptattraktion auf dem Hamburger Rathausmarkt bei der Auftaktfeier zur Umwelthauptstadt Europas. Und im März produzieren 1.400 Tänzer im Temple Club in San Francisco, der sich ebenfalls als Öko-Disko auszeichnet, auf 16 Paneelen 10 Stunden lang immerhin 480 W.

Bis Ende 2012 nennt die Firma in ihren Referenzen bereits 17 feste Installationen sowie Veranstaltungen wie Partys, Messen und Festivals in 69 verschiedenen Städten in 18 Ländern. Die größten Projekte bilden eine Installation aus acht Modulen für EDF, als offiziellem Partner und Stromversorger, während der Olympischen Spiele und Paralympics in London (wo auch noch sechs Kurbelgeneratoren aufgestellt werden) – sowie eine Club-Tour für Radio ,Los 40 Principales’ in 30 Clubs in ebenso vielen Städten Spaniens, bei der ein Tanzboden aus 64 Modulen zum Einsatz kommt.

Im Club WATT werden die Toiletten übrigens mit Regenwasser gespült, wobei die eingesparte Wassermenge von 1.000 m3 dem Jahresbedarf von rund 13.000 Menschen entspricht. Zu einem späteren Zeitpunkt ist geplant, die Spülung sogar mit dem Schweiß der Partymeute zu betreiben, wobei das Kondenswasser der Tanzenden von der Decke gesammelt und in die Klokästen geleitet wird.

Im Juni 2013 wird eine fünfjährige Zusammenarbeit mit dem VNIIZHT vereinbart, dem Forschungsinstitut der Russischen Eisenbahn (RZD), um Wege zu erkunden, die Technologie auf Bahnsteigen und in Bahnhöfen einzusetzen. Später im Jahr soll eine Pilotanlage unter strengen Bedingungen getestet werden.

Im September 2014 beginnt zudem eine Kooperation mit dem spanischen Startup OTEM2000, um die kinetischen Tretgeneratoren mit PV-Paneelen zu verbinden. Die Unternehmen wollen gemeinsam hybride Energieböden entwickeln und produzieren, für die auch schon ein Name gefunden ist: Hybrid Energyfloor. Die weitere Entwicklung läßt sich auf der Homepage des inzwischen unter dem Namen Energy Floor firmierenden Firma verfolgen.


Im Juli 2011 wird übrigens gemeldet, daß beim fünften jährlichen Wettbewerb der Hospitality Design Awards, der von der Zeitschrift Hospitality Design gesponsert wird, der Entwurf des Innenarchitekturstudenten Michael Goodsmith von der Iowa State University den ersten Platz in der Kategorie Studenten gewinnt – mit dem Konzept für einen nachhaltigen Nachtclub mit einer energieerzeugenden piezoelektrischen Tanzfläche und anderen umweltfreundlichen Funktionen. Ob dieses von dem SEF inspiriert wurde, wird nicht gesagt.

Biennale Licht-Stuhl

Biennale
Licht-Stuhl


Die beiden Studenten James D. Graham und Thaddeusz Jusczyk von der MIT School of Architecture and Planning in Cambridge, Massachusetts, die bereits auf der Biennale in Turin mit einen Stuhl für Aufsehen gesorgt hatten, der beim darauf-setzen ein Schwungrad rotieren und über einen Generator vier LEDs aufleuchten läßt, arbeiten im Jahr 2007 unter der Leitung von Prof. J. Meejin Yoon an einem Konzept mit dem Namen Crowd Farm, das die bisher nicht verwertete Bewegungsenergie an Orten nutzen soll, an denen sich regelmäßig viele Menschen bewegen.

Inspiriert hätte die beiden der Erfinder Thomas Edison: Besucher, die zu ihm wollten, mußten ein Drehkreuz passieren, dessen Drehbewegung Wasser in einen Vorratsbehälter pumpte. Bei dem Crowd Farm-Konzept der Studenten wandelt dagegen eine Art Dynamo minimale Verschiebungen von unter dem Fußboden verlegten Blöcken in elektrischen Strom um. Das Laufgefühl soll dabei etwa dem auf festem Sand entsprechen.

Ein einzelner Schritt setzt zwar nur eine Energiemenge frei, die zwei 60 W Birnen eine Sekunde lang aufflackern läßt, aber in einer vollen Bahnhofhalle können sich die Schritte schnell addieren. Den Berechnungen zufolge würde die erzeugte Energie trotzdem nur zur Beleuchtung von ein paar Schildern ausreichen. Und wird erst die Energie für den Bau und die Wartung der Unterboden-Dynamos mit eingerechnet, ist es ausgesprochen fraglich, ob das Konzept je in die Nähe wirtschaftlicher Verwertbarkeit gelangen wird.

Immerhin gewinnen Graham und Jusczyk im Juli 2007 mit ihrem Tectonic Block genannten System den ersten Preis des japanischen Sustainable Construction Wettbewerbs der Holcim Foundation. In einem Kommentar dazu wird vorgerechnet, daß es ausreichen würde – wäre man in der Lage, diese Energie zu sammeln – wenn 84.162.203 Personen jeweils nur einen Schritt täten, um genügend Kraft für den Start eines Space-Shuttle zu produzieren! Ich habe dies allerdings nicht nachgerechnet.


Eine eher künstlerische Umsetzung wird Mitte 2007 von Elizabeth Redmond präsentiert, die sich in ihrer Abschlußarbeit an der University of Michigan im Vorjahr damit beschäftigt hat, Energie aus Körperbewegungen zu gewinnen.

Nun zeigt sie im Rahmen des Wettbewerbs Next Generation Design des Metropolis Magazine im Millennium Park in Chicago, Illinois, den dritten Prototypen ihrer piezoelektrischen Objekte, die sie mit Hilfe einer Förderung der Mohawk Group in Höhe von 10.000 $ und mit Unterstützung der Firma Sensitile Systems geschaffen hat.

Ihre Entwicklung POWERleap ist ebenfalls für urbane Areale mit viel Fußgängerverkehr gedacht, wobei die von den Trittmatten erzeugte Elektrizität von den eingearbeiteten LEDs umgehend wieder verbraucht wird: Der schreitende Mensch hinterläßt mittels seiner fünf Wattsekunden pro Schritt eine funkelnde Lichtspur.

Im Jahr 2008 gegründet Redmond zusammen mit Andrew Katz die Firma PowerLeap Inc. mit Sitz in Ann Arbor, Michigan, die bis Ende 2010 die ersten kommerziellen Produkte unter dem Namen Smart Flooring Solutions auf den Markt bringen will. Zwar wird die Technologie im Januar 2011 auf dem World Future Energy Summit in Abu Dhabi vorgestellt, doch der Plan, die auch Smart Floor oder Powerfloor betitelten Bodenplatten mit den Maßen 50 x 50 cm und einer Dicke von 8,5 cm später im Jahr einzuführen, geht aber nicht auf.

POWERleap Testinstallation

POWERleap
Testinstallation

Und dies, obwohl die ohne beweglichen Teile auskommende piezoelektrische Dünnschicht-Technologie zwischenzeitlich in Zusammenarbeit mit der University of Bolton zu einer intelligenten Flurtechnik weiterentwickelt worden ist, die Funksensoren betreiben kann, welche mit den Management- und Sicherheitssystemen eines Gebäudes verbunden sind. Das Unternehmen hofft nun, einen Zuschuß von der National Science Foundation zu gewinnen,  Geld von Angel-Investoren zu bekommen – und die Kosten des Systems auf 300 $/m2 zu reduzieren.

Im April 2012 wird die an der University of Central Florida (UCF) im Sommer 2008 gegründete Non-Profit Organisation IDEAS offizieller Partner der Firma PowerLeap, und im Juni erweitert das Unternehmen sein Team auf fünf Personen. Nun sollen bis Ende des Jahres in 5 - 10 Geschäften Pilotsysteme installiert werden. Tatsächlich erfolgt der Einbau der nun SPOT (Self Powered Occupancy Tag) genannten Systeme gemeinsam mit Partnerunternehmen wie Nike und Freedman’s seating in einer Reihe von Läden für Sportbekleidung, kommerzielle Fußböden, Gesundheitswesen und Transport – doch im Juni 2013 ist Schluß und PowerLeap verschwindet wieder von der Bildfläche.


Im Juli 2008 findet  die offizielle Eröffnung des zwischen den Londoner Stationen King’s Cross und Angel gelegenen Clubs Surya statt, ein Projekt der Klimawandel-Organisation ‚Club4Climate’ des Immobilienentwicklers Andrew ,Dr. Earth’ Charalambous, in welchem die Tanzenden sogar 60 % des Club-eigenen Stromverbrauchs decken sollen. Auch hier ist ein piezoelektrischer Tanzboden aus Quarzkristallen und Keramik installiert.

Der in Bar Surya auf der Pentonville Road zu findende Club besitzt zudem sein eigene Windkraft- und Solaranlage. Für 2010 ist die Installation einer Feriensiedlung namens Club4Climate-Insel geplant, für deren Verwirklichung es bislang allerdings keine Belege gibt.


Der jordanische Designer Sofian Tallal kommt mit seinem Konzept eines städtischen Tretgenerators namens mPower in die Endrunde des Feel the Planet Earth Wettbewerbs 2008.

Die Basis der Einheit besteht aus zwei Tretflächen, die jeweils auf einem hydraulischen Zylinder montiert sind. Die Zylinder werden durch eine Mikro-Hydro-Turbine verbunden, und sobald eine Person auf eine der Flächen tritt, pressen die daraus resultierenden Druckkräfte das Fluid von einem Zylinder in den anderen.

Seine kinetischen Objekte soll die Passanten dazu motivieren, ein paar Minuten ihrer Zeit zu investieren um elektrischen Strom für die Gemeinschaft zu erzeugen.

Die Pflanzen nachempfundenen Teile besitzen auch einen Touchscreen, auf dem sich die erzeugte Energie ablesen läßt. Bislang ist es allerdings bei dem Design geblieben.

YoGen Max

YoGen Max


Das zusammenklappbare Pedal-Ladegerät YoGen Max der Firma Easy Energy aus Las Vegas, Nevada, das im Dezember 2008 vorgestellt wird, erinnert ein wenig an eine alte Nähmaschine – oder an die Effektgeräte von Gitarren. Es besteht aus zwei Seitenteilen, zwischen denen ein Pedal hängt, während sich im Inneren der Seitenteile eine Übersetzung befindet, welche die Fußtritte an einen kleinen Generator weiterleitet. Dieser lädt einen eingebauten Akku, der seine Energie wiederum per Kabel an ein Nitebook weitergibt.

Das Gerät soll 60 – 80 W generieren, wobei ein Drehschalter die Spannung regelt. Zudem kann man noch bis zu 12 Stück AA-Batterien in das Pedal stecken, damit der Laptop nicht gleich ausgeht, wenn man sich kurz ausruhen will. Das Pedal und die beiden Seitenteile können in einem mitgelieferten Transportköfferchen verstaut werden, das nur 17 x 17 x 4,5 cm mißt.

In den Verkauf geht der Tretgenerator aber nicht – statt dessen folgt im Oktober 2009 ein Seilzug-Gerät (s.o.), bevor die Firma nach 2011 wieder in der Versenkung verschwindet.


Im Mai 2009 stellt der britische Telekommunikationsanbieter Orange auf dem Glastonbury Rock-Festival in Großbritannien seine Orange Power Pump vor, ein Ladegerät das in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen GotWind aus Wem, Shropshire, entwickelt wurde. Bei der Modellierung des Designs und der Ergonomie wird mit der Webdesign-Firma Fisheye aus Birmingham zusammengearbeitet.

Das sehr sinnvolle Utensil für Camper, Festivalbesucher oder für die Ferien kann mit jeder standardmäßigen Blasebalg-Fußpumpe für Luftmatratze oder Schlauchboot betrieben werden. Doch statt etwas aufzupumpen treibt der von der Fußpumpe erzeugte Luftstrom eine kleine Luftturbine an, welche dabei Drehzahlen von bis zu 2.000 U/min erreicht und über einen Generator Strom erzeugt.

Eine Minute Pump-Beinarbeit (bei etwa 60 Tritten pro Minute) bringt eine rund fünfminütige Akkulaufzeit für das Handy, das sich mittels Adapter anschließen und aufladen läßt. Mit seinen Maßen von 154 x 129 x 47 mm paßt das leichte Gerät gut in den Rucksack. Der eigentlich über den Shop von GotWind geplante Vertrieb kommt allerdings nie zustande, auf dem Markt ist der Tretgenerator bislang jedenfalls noch nicht angekommen.

 

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