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ENERGIESPAREN

Recycling


Die Wiederverwertung von Produkten, Materialen und Abfällen ist ein vielversprechender Schritt auf dem Energiesparsektor, insbesondere weil die Reste oft auch dort anfallen, wo sie (in anderer Form) weiterverwendet werden können. Sie bestehen häufig aus wertvollen, weil energieintensiv hergestellten Grundstoffen; und sie sind da, unabwendbar vorhanden – wenn man die Reste also nicht wiederverwertet, so müssen sie kostenaufwendig transportiert und deponiert werden.

Die größten wiederverwertbaren Posten unter den Abfällen bilden:

  • Autowracks und Altreifen
  • Bauschutt
  • Haushaltsabfälle
  • Industriemüll (z. T. allerdings giftig)
  • Klärschlamm
  • Schlachthofabfälle
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    Auf dem Ende 1979 in Berlin veranstalteten Internationalen Recycling-Kongreß wird erklärt, daß eine Tonne Haushaltsabfälle einem Heizwert von 300 l Heizöl entspricht. Theoretisch ließen sich demnach mit den damals jährlich in der Bundesrepublik anfallenden 18 Mio. t Müll (= 80 Mio. m3) etwa 2 % des Gesamtenergiebedarfs decken. Die folgenden Informationen stammen von Mitte der 1980er Jahre und könnten sicherlich aktualisiert werden, doch die Grundidee, die bestehenden Möglichkeiten und ihre verschiedenen Umsetzungen werde auch hier schon klar. Es sind frühe Formen der ‚Nachhaltigkeit’.

    Ein gutes Beispiel für einen Kreisprozeß, der diesem Anspruch weitgehend gerecht wird, bildet die Frankfurter Nordweststadt mit ihren rund 40.000 Einwohnern, welche von ‚ihrem’ Müllverbrennungswerk mit Strom, Fernwärme und Heißwasser versorgt wird. Eine sehr große Müllverbrennungsanlage zur Elektrizitätserzeugung steht auch im Norden von London, dort werden täglich 1.800 t Müll verstromt.

    In der Bundesrepublik werden trotz der bestehenden 44 Müllverbrennungsanlagen, die zumeist sowohl Strom, als auch Fernwärme liefern, noch immer rund 2/3 des Mülls ‚weggeworfen’. Ein ganz besonderer Einzelposten dabei sind Altreifen, die in den USA (wo noch mehr davon anfallen) bereits mit großem Erfolg zur Stromerzeugung verbrannt werden; dazu später mehr.

    Die Universität Stuttgart untersucht die Frage, ob sich die methanhaltigen Mülldeponie-Abgase zur wirtschaftlichen Energieerzeugung ausnutzen lassen (s.u. Biogas). In den USA werden derartige Systeme bereits genutzt, weil sie auch die Schäden der Deponiegase abwenden, die sonst Bäume und Pflanzen absterben lassen.

    An der Universität Tübingen wird mit großem Erfolg die versuchsweise Herstellung von Öl aus Klärschlamm praktiziert, der erzielte Heizwert beträgt 9.500 kK/kg, was das Produkt gerade für Industriezwecke als sehr geeignet erscheinen läßt.

    Das Institut für Holzchemie und chemische Technologie des Holzes der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Hamburg entwickelte seinerseits eine Metho­de, mittels fein gemahlenem Bariumpulver Öl aus Öl/Flüssigkeitsgemischen ‚aufzusaugen’, welche vorher durch Zugabe eines Elektrolyten ‚gebrochen’ wurden. Damit lassen sich Öle aus Öl/Wasser-Emulsionen zurückgewinnen, z.B. aus Kühlmitteln beim Drehen, Fräsen, Schleifen, Bohren usw. Gleichzeitig kann das Wasser nach der Behandlung einfach in das Abwassersystem eingeleitet werden. Raffinerie-Rückstände nutzen die Firmen Salzgitter GmbH und Sulzer AG zur Produktion von Brenngas, Dampf und Elektrizität; die Systemkomponenten lassen sich bedarfsspezifisch variieren und sind besonders für Chemiebetriebe, Raffinerien und Kraftwerke konzipiert.


    Auf das Thema Altreifen möchte ich etwas ausführlicher eingehen, da es aus quantitativen Gründen modellhaft für die möglichen Wiederverwertungsprozesse von in Großserie hergestellten Industriegütern steht.

    Weltweit fallen jährlich rund 60 Mio. Tonnen Altreifen an, alleine in der Bundesrepublik sind es 400.000 t ( = 35 bis 40 Mio. Stück, Stand 1980er Jahre). Nur ein Viertel davon wird runderneuert. Die Wiederverwendung – besonders in Form der Verbrennung zu Energiezwecken – wird daher von vielen Seiten experimentell erprobt und z.T. auch schon angewandt. Im Hamburger Hafen entsteht beispielsweise eine 20 Mio. DM Anlage, welche im Pyrolyse-Verfahren jährlich 6.000 t Altreifen verwertet. Auf einem glühenden Wirbelbett aus Sand werden die Reifenrohstoffe getrennt, womit eine Rückgewinnung von Toluol (klopffester Bleiersatz), Naphtalin und Benzol möglich wird. Die Entwicklung dieses Wirbelschicht-Pyrolyse-Verfahrens wurde vom BMFT mit rund 410.000 DM gefördert.

    Die Universität Hamburg untersucht ein anderes Verfahren, bei welchem die Altreifen mit 800°C heißem Sand ‚beschossen’ werden. Dabei ergeben 7 kg Reifenmaterial etwa 2,5 kg Öl und 1,5 kg Gas.

    Ein weiteres Verfahren schlägt die Firma Messer Griesheim GmbH in Düsseldorf vor. Es handelt sich um ein Kaltzerlegungsverfahren, bei dem ein Kühlsystem mit flüssigem Stickstoff eingesetzt wird, welcher fast alle Kunststoffe und viele Metalle verspröden kann. Die so behandelten Materialien werden anschließend in einer Hammer- oder Prallmühle zerkleinert. Das entstandene Gummimehl wird zu Matten gepreßt, die im Bauwesen als Schallschutzmaterial dienen können. Das ganze System soll auch wirtschaftlich arbeiten.

    Die Entwicklung eines Drehrohr-Reaktors durch die Gesellschaft für Materialrückgewinnung und Umweltschutz in Bochum wird vom BMFT mit 5 Mio. DM gefördert. Auch dieser Reaktor dient der Öl-Rückgewinnung aus Altreifen.

    Von der Firma Phoenix AG in Hamburg kommt der Vorschlag, die zermahlenen Altreifen als aufrauhende und gegen Frostbruch ­sichernde Zumischung zu Straßenbitumen und Asphalten zu nutzen.

    In England wird dagegen eine Umwandlung ohne Sauerstoffverbrauch angestrebt. Es fallen dort jährlich etwa 20 Mio. Altreifen an (= ca. 150.000 t), die sich bisher nutzlos aufeinander türmen. Eine entsprechende Anlage soll jährlich etwa 50.000 t nutzbares Material daraus produzieren.

    In den USA, wo im Jahr rund 200 Mio. Stück Altreifen anfallen, will die Firma Goodyear Tire and Rubber Co. in Jackson durch chemische Recyclingprozesse etwa 40 % Öl, 15 – 20 % gasförmige Kohlenwasserstoffe und 35 – 49 % Kohlerückstände zurückgewinnen. Pulverisiert können sich letztere wiederum zu neuen Pneus verarbeiten lassen. Bis Anfang 1986 haben sich in den USA schon zwei Milliarden Altreifen angesammelt! Da die Verbrennung der Reifen schwefelfrei ist und derartig hohe Wärmewerte erzielt, daß sie sogar in Kohlekraftwerken eingesetzt werden können, nimmt Kalifornien 1988 die größte Reifenverbrennungsanlage der Welt in Betrieb, die täglich 19.000 Altreifen verarbeitet, von denen alleine in der kalifornischen Wüste rund 40 Millionen Stück lagern. Ähnliche Pläne werden daraufhin auch in das Abfallwirtschaftsprogramm der Bundesregierung aufgenommen, was auch nahe liegt, denn der Bau des amerikanschen ‚Reifenkraftwerks’ wurde von dem Stuttgarter Ingenieurbüro Fichtner geleitet – und das Know-how lieferte das Unternehmen Gummi-Mayer in Landau.

    Die Firma Waste Recovery Inc. in Dallas entwickelt einen neuartigen Reifen-Häcksler, dessen Klingen bis zu 4 Mio. Altreifen zerkleinern können, bevor sie durch neue ersetzt werden müssen. Das so zerkleinerte Reifengummi hat einen höheren Heizwert als die meisten Kohlesorten. Interesse an dem System zeigt insbesondere die Papier- und Zementindustrie.


    Selbstverständlich gibt es noch viele weitere (Energie-)Recycling-Systeme für ebensoviele andere Produkte usw. Für den Bereich der energetischen Nutzung berichte ich ausführlich unter dem Oberbegriff Synthetische Treibstoffe darüber.

    Eine Technologie-Gruppe, die ich hier nicht bearbeite, ist das Material-Recycling wie z.B. Verpackungen, Glas, Papier. Die Mülltrennung der privaten Haushalte, auf der diese Systeme zumeist beruhen, ist zwar noch nicht optimal, doch wurden in den vergangenen 30 Jahren in vielen Industriestaaten sehr große Fortschritte gemacht.

    Es läßt sich allgemein sagen, daß Recycling-Anlagen meist teuer sind, und daß nur wenige Verfahren auch wirtschaftlich arbeiten. Die Systeme sind außerdem nur solange sinnvoll (und funktionsfähig), wie die ‚Verschleiß- und Wegwerfgesellschaft’ noch andauert...

    Als Zusatzsysteme im Rahmen des Energiesparens und zur Bewältigung des Abfallproblems sind diese Technologien sehr zu begrüßen, sie sind aber keinesfalls in der Lage, eine besondere Rolle als Substitutionsenergieträger zu spielen.


    Das in letzter Zeit zunehmend erwähnte ‚Recycling’ von Bremsenergie bei Fahrzeugen u.ä. werde ich unter dem Oberbegriff Energiespeichern behandeln – da die Energie bei diesem Verfahren ja nicht eingespart, sondern vielmehr zwischengespeichert und anschließend meist direkt wieder in Bewegungsenergie umgewandelt wird, sobald es dieser bedarf. 

    Grenzen des Energiesparens 


    Der Überlebenswille. Oder soll ich sagen: die Bequemlichkeit?!

    Als im Mai 1999 das fünfzigjährige Bestehen der Gesellschaft für praktische Energiekunde (GFPE) gefeiert wird, die hauptsächlich durch ihre Trägerschaft für die renommierte Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München bekannt ist, werden folgende Informationen bekanntgegeben, die hier sicherlich an der richtigen Stelle stehen:

    Seit 1988 ist der Primärenergieverbrauch in Deutschland zwar um ca. 5 % zurückgegangen, dies sei aber weitgehend dem Zusammenbruch der Industrie in der ehemaligen DDR zu verdanken.

    Hauptakteure bei der Zunahme des Energieverbrauchs sind schon seit längerem die privaten Haushalte.

    Der Energieverbrauch im motorisierten Individualverkehr hat sich seit 1965 parallel zu den gefahrenen Kilometern mehr als verdreifacht, da der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch in diesem Zeitraum nur geringfügig gesunken ist. Höhere Motorleistung und mehr Gewicht haben die Fortschritte in der Motortechnik so gut wie kompensiert.

    Der Heizölenergieverbrauch hat im gleichen Zeitraum ‚nur’ um 60 % zugenommen, obwohl sich die beheizte Wohnfläche verdoppelt hat. Hier haben sich die verbesserte Wärmedämmung und der Einbau effizienterer Heizkessel ausgewirkt.

    Im Gegensatz zu den privaten Haushalten sei die Industrie mustergültig vorgegangen: Obwohl die Produktion, ausgedrückt durch den Netto-Produktions-Index, seit 1965 um 80 % gestiegen ist, liegt der Energieverbrauch – nach einem Ansteigen in der 1970er Jahren – 1999 wieder auf dem Niveau von 1965. Je produzierte Gütereinheit hat sich der Primärenergieverbrauch also fast halbiert.

    Preisverfallserscheinungen wie beim Öl z.B. haben den Sparwillen des Verbrauchers dann rasch wieder gebrochen – und oftmals die Weiterentwicklung von Alternativ- und Energiespartechnologien gebremst!

    Karrikatur mit zwei Schiffbrüchigen, die auf einem Balken sitzen, den einer von ihnen angezündet hat


    Dies ist allerdings kein Grund dafür, sich über die Konflikte im Nahen Osten zu freuen, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, daß der Ölpreis immer wieder hochgetrieben wird...


    Und zum Abschluß kann man sich ja überlegen, ob man es mit dem Meer oder dem Balken halten will.

    Der Text zu dieser Karikatur von Jupp Wolter, die 1988 erschienen ist, lautet: „Du mit deinem Sparfimmel. Ich hab’s nun mal gerne warm!“


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