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MICRO ENERGY HARVESTING

Felder und Wellen

Schall (I)


Eines der ersten Geräte, das durch Schallwellen bewegt wird, geht auf Prof. Alfred M. Mayer am Stephens Institute of Technology in Hoboken, New Jersey, zurück, der sein Sound-Wheel im Jahr 1876 erfindet – den Vorrang aber später einem Österreicher namens V. Dvorak zuspricht, der das gleiche Gerät unabhängig ein paar Monate zuvor erfunden hatte.

Das Instrument besteht aus vier kleinen, abgestimmten Resonatoren, die zu einem kleinen Kreuz zusammengefaßt auf einer Drehachse befestigt und ausbalanciert sind. Wird es in der Nähe der Quelle eines kontinuierlichen Tons aufgestellt, der genau die Tonhöhe besitzt, auf welche die Resonatoren abgestimmt sind, wie beispielsweise eine elektrisch angetriebene Stimmgabel, bewirkt die Reaktion der stationären Welle, die sich innerhalb jedes Resonators bildet, gegen das geschlossene Ende, daß das Rad ,rückwärts’ zu drehen beginnt.

Das hier abgebildete Modell ist an der Universität von Toronto zu besichtigen. Es soll sich um einen Teil der Vorrichtungen handeln, welche der deutsche Physiker und Akustiker (Karl) Rudolph Koenig zur  Centennial Exposition 1876 in Philadelphia mitgebracht hat. In Koenigs Verkaufskatalog von 1889 wird es für 60 Francs angeboten, was damals ungefähr 15 $ entspricht.


Es gibt zudem viele Berichte darüber, daß alte Zivilisationen Klänge und Schall verwendet haben, um ihre Monumente zu bauen. Solange es für diese Technologie(n), mit denen große Steine zum schweben gebracht wurden, um sie leichter zu bewegen, keine nachweislichen Indizien oder Beweise gibt, werde ich das Thema hier aber nicht weiter behandeln.


Im April 2006 berichtet der ZDF Infokanal über eine Entwicklung von Prof. Elmar Breitenbach, Leiter des Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bei der ein Piezokristall Lärm absorbiert – der ja nichts anderes als eine Vibration in Form von Schallwellen darstellt. Bei einer Recherche fand sich ein bereits 1999 beantragtes Patent, an dem Breitenbach beteiligt ist, und zwar als Mitarbeiter eines Teams des Automobil- und Karosseriebauunternehmens Wilhelm Karmann GmbH in Osnabrück (US-Nr. 6.206.460, erteilt 2001).

Bei diesem Patent geht es um die Dämpfung der Vibrationsenergie bei Fahrzeugen. Möglicherweise bildete die Beschäftigung mit der Lärmabsorption die Anregung dafür, diese Vibrationen sinnvoll zu nutzen anstatt sie nur zu dämpfen. Leider läßt sich nichts darüber finden, ob Breitenbachs Entwicklung weiterverfolgt wurde.


An der University of Utah stellen der Physiker Orest Symko und sein Team Mitte 2007 eine Methode vor, mit der Wärme zuerst in Schallwellen, und diese anschließend in Elektrizität umgewandelt werden (Thermokaustik). Ich behandle dies daher unter Wärme (s.d.).

Farshi Energiefliese Grafik

Farshi (Grafik)


An dem ‚Create the future contest’ der NASA beteiligt sich 2008 auch der Inder Devavrat Madhavi aus Bangalore mit dem Konzept einer verglasten, Schall-absorbierenden Fliese namens Farshi welche die eingefangene Energie mittels einer piezoelektrischen Folie in Strom umwandelt.

Insbesondere auf Flughäfen, wo in 100 m Entfernung von startenden Maschinen noch ein Schalldruck von bis zu 120 db (entsprechend ca. 25 Pascal) gemessen werden kann, ließe sich das System gut nutzen. Auch in diesem Fall ist nichts über eine Umsetzung bekannt.


Die Designer Jihoon Kim, Boyeon Kim, Myung-Suk Kim und Da-Woon Chung aus Korea beteiligen sich mit ihrem Sonic Energy Absorber (SONEA) wiederum an der International Design Competition 2008 in Japan.

Das bereits ausgereift wirkende System besteht aus einzelnen Elementen in den Maßen 45 x 45 x 8 cm, die jeweils 7 kg wiegen. Und auch hier ist an einen Einsatz auf Flughäfen gedacht.

Ich weiß nicht, ob die Rechnung schon experimentell überprüft worden ist – sie liest sich jedenfalls recht eindrucksvoll: Pro startendem Flugzeug mit rund 140 db soll ein SONEA-Element 240 kW produzieren. Bei einer Kalkulation mit 500 Flugzeugen pro Tag ergibt das immerhin einen Tagesertrag von rund 120 MWh pro Element! Bislang ist auch in diesem Fall nichts von einer Umsetzung zu sehen.


Im Dezember 2008 macht ein weiteres interessantes Konzept von sich reden. Der auf Nanotechnologie spezialisierte Chemieprofessor Tahir Cagin von der Texas A&M University entdeckt gemeinsam mit seinen Kollegen an der University of Houston, daß der piezoelektrische Effekt bei Blei-Zirkon-Titanat um 100 % steigt, wenn dieses in genau zwischen 20 und 23 nm dünnen Elementen produziert wird. Größer oder kleiner als dieser spezifische Bereich, zeigt sich eine erhebliche Abnahme der Wirkung.

Damit könnte das piezoelektrisches Material die Energie der beim Sprechen ausgesendeten Schallwellen so effektiv in Strom umwandeln, daß damit elektrische Geräte wie Mobiltelefone betrieben werden können. Der Schall der ins Mikrofon sprechenden Person wird als mechanischer Impuls genutzt, um eine Spannung zu erzeugen. Mehr Details über die Nanopiezostreifen gibt es bislang noch nicht.

Cagin, der bereits mit dem renommierten Feynman-Preis in Nanotechnologie ausgezeichnet wurde, untersucht im Laufe der Folgejahre den Effekt weiter, ebenso wie andere piezoelektrische Keramiken, um die Leistung dieser Materialien zu verbessern. Über praktische Anwendungen läßt sich bislang aber nichts finden.


Auch das oben bereits erwähnte Unternehmen Soundpower Corp., dessen piezoelektrische Platten zur Tretstromgewinnung 2008 in Tokio eingesetzt werden, beschäftigt sich mit der Nutzung von Schallwellen beim Sprechen zur Stromerzeugung. Dabei soll es sich um den ,ultimative Traum’ des Firmengründers Kohei Hayamizu handeln.

Auf der Webseite seiner Firma werden Informationen über ein LED-Gerät angeboten, das aufleuchtet, wenn es Schwingungen ausgesetzt wird – leider auf japanisch. In den jüngsten Pressemeldungen von 2016 ist allerdings nur zu lesen, daß der Unternehmer seine Piezoplatten im Rahmen von ,Sicherheitskonzepten’ vermarkten möchte. Von der Schallnutzung ist dagegen nichts zu hören.

Green Noise Grafik

Green Noise (Grafik)


Ein weiteres Design, das seiner Zeit voraus ist, erscheint im Januar 2010 in den Blogs. Unter dem Namen Green Noise stellt der vermutlich chinesische Designer Hung-Uei Jou ein umweltfreundliches Gerät vor, das Schallenergie in Elektrizität umwandelt, um damit die Pistenbefeuerung der Start- und Landebahnen auf Flughäfen zu betreiben.

Um eine einfache Wartung zu gewährleisten, steht die modulare Struktur auf einem Dreifuß-Stativ. Auf einem Display können die aktuellen Betriebsdaten abgelesen werden. Wie konkret – und wie effizient der Schall in Strom umgewandelt wird, ist nicht bekannt.


Im März 2010 berichten Materialwissenschaftler der University of Wisconsin-Madison um Huifang Xu über eine neue Methode zur Wasserspaltung – unter Verwendung von Umgebungsgeräuschen. Bei dem Prozeß werden geringe Mengen ansonsten verschwendeter Energie wie Lärm oder Streuschwingungen aus der Umgebung genutzt, um die chemischen Bindungen des Wassers aufzubrechen.

Hierfür züchten die Forscher aus zwei gängigen Kristallen, Zinkoxid (ZnO) und Bariumtitanat (BaTiO3) Mikrofasern bzw. Mikrodendriten, und legen sie in Wasser. Werden diese anschließend mit Ultraschallwellen in Schwingungen versetzt, biegen sich die Kristalle zwischen 5° und 10° an jedem Ende, wobei die Asymmetrien in den Kristallstrukturen starke positive und negative Ladungen erzeugen – eine Reaktion, welche die umliegenden Wassermoleküle zerreißt und Wasserstoff und Sauerstoff freisetzt.

Der piezoelektrochemische Effekt, wie er von dem Team genannt wird, wandelt 18 % der Energie aus Schwingungen in Wasserstoff um, was höher als die meisten experimentellen Energiequellen ist, sodaß diese einfache und kostengünstige Technologie die Chance hat, eines Tages tatsächlich verwendet zu werden, um den Kraftstoff unter Verwendung des Schalls des vorbeifließenden Verkehrs, startender Flugzeuge oder brechender Wellen zu ernten.


Unter dem Namen Urban Transducer Skyscraper stellen im April 2010 die US-Designer Ryan BrowneNathanael DunnDaniel Nelson und Benjamin Scholten den Entwurf eines nachhaltigen, gemischt genutzten Wolkenkratzers vor, der von Wind und Lärm mit Energie versorgt wird.

Urban Transducer Grafik

Urban Transducer
(Grafik)

Dahinter steht die Idee, daß eine der am weitesten verbreiteten Formen der Umweltverschmutzung in den Städten der Lärm ist, der nur selten als schädlich angesehen wird. Der Schall ist nichts anderes als Energie, die durch Absorption nicht im Nichts verschwindet, sondern in neue Energie umgewandelt wird. Diese resultierende Energie ist in der Regel Wärme, die möglicherweise zum Problem der globalen Erwärmung beiträgt.

Der Urban Transducer soll die städtische Lärmbelastung in Chicago im Form von Luftschall erfassen und in nutzbare Energie transformieren. Um die maximale Menge an Energie aus dem Lärm zu erfassen, verwendet das Fassadensystem Akustikplatten, die so eingestellt sind, daß sie auf bestimmte Wellenlängen der vorliegenden Frequenzen reagieren. Das System hat zudem die Fähigkeit, sich an die am häufigsten auftretenden Frequenzen und deren Standorte zu erinnern, so daß es sich präventiv anpassen kann, um eine maximale Effizienz zu erreichen.

Die Technologie der jeweils 4,5 x 9,0 m großen Akustikplatten basiert auf einer Vielzahl von individuell einstellbaren Metallbändern, was es jedem Band erlaubt, in einer eigenen Frequenz zu schwingen – entsprechend den gerade auftretenden Lärmspektrum. Anschließend werden die Schwingungen über Magnetspulen und piezoelektrische Elemente in Strom umgewandelt und dieser zum späteren Verbrauch gespeichert.

Zusätzlich zum Schall, nutzt das Bauwerk die Windkraft, um Energie für das Gebäude zu erzeugen. Integriert zwischen den Akustikplatten sind hierfür ähnlich aufgebaute ,Windplatten’ vorgesehen, die mit Miniatur-Windturbinen bestückt sind. Wie man den Abbildungen entnehmen kann, soll es sich dabei um horizontal drehende Darrieus-Rotoren handeln.


Drei Jahre später erhält ein ähnliches Konzept sogar eine ,Lobende Erwähnung’ der Skyscraper Competition 2013. Diesmal sind es Julien BourgeoisOlivier ColliezSavinien de PizzolCédric Dounval und Romain Grouselle aus Frankreich, die sich mit der Energie als eines der wichtigsten Anliegen unserer heutigen Gesellschaft beschäftigen.

Ihr treffend benannter Entwurf Soundscraper, ein unbewohnter Funktionsbau, soll ebenfalls die negativen Umweltauswirkungen von Lärm minimieren, indem er den Luftschall als Energiequelle erschließt. Weshalb als passende Standorte gerade Gebiete mit dichter Verkehrsinfrastruktur in Frage kommen, vor allem außerhalb der Stadtzentren an Autobahnkreuzen und Eisenbahnknotenpunkten, wo die Lärmbelästigung maximal ist.

Die als evolutionär beschriebene Fassade vibriert je nach Stärke und Richtung des städtischen Lärms. Die maximale Exposition gegenüber dem Lärm wird gewährleistet, indem die ,Haut’ des Gebäudes aus elektroaktiven Geißeln (o. Wimpern) besteht, die von einer leichten, äußeren Metallstruktur getragen werden. An dem 100 m hohen Turm sind im ganzen 84.000 Stück dieser Wimpern integriert, die mit besonderen Schallsensoren namens Parametric Frequency Increased Generators (PFIG) bedeckt sind.

Diese PFIG-Energie-Harvester konvertieren durch Umgebungsgeräusche verursachte Schwingungen in kinetische Energie, wonach eine Gruppe von ,Wandler-Zellen’, mit einem neuen, nicht näher beschriebenen Ansteuerverfahren verwendet werden, um die mechanische Energie in Strom umzuwandeln. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge könnte ein Turm bis zu 150 MW produzieren, was 10 % des Verbrauchs der städtischen Beleuchtung von Los Angeles entspricht.

PFIG

PFIG

Die hier erwähnten parametrischen Frequenz-erhöhten Generatoren (PFIGs) sind im übrigen erstmals im August 2009 durch Tzeno Galchev, Hanseup Kim und Khalil Najafi von der University of Michigan beschrieben worden. Ein PFIG ist konzipiert um hohe Amplituden aufzunehmen, die mit niederfrequenten Schwingungen einhergehen. Und da er in einer nicht-resonanten Art arbeitet, kann er über ein breites Band von Frequenzen betrieben werden.

Die FIG-Komponente des Generators hat ihren Namen von einem Konzept namens Frequenzaufwärtswandlung, eine Methode, um die Wirksamkeit von niederfrequenten Sammlern zu erhöhen. Dies wird durch die Implementierung einer mechanischen Umsetzung erreicht, so dass die interne Betriebsfrequenz des Generators über die der Eingangsfrequenz erhöht wird. Die FIGs arbeiten bei einer Frequenz, die um eine Größenordnung höher ist als die Umgebungsvibration.

Das Team hatte damals eine Vorrichtung hergestellt, die bei einer Eingangsbeschleunigung von 9,8 m/s2 und 10 Hz eine mittlere Leistung von 5,8 μW und eine Spitzenleistung von 288 μW erzeugt. Dabei arbeitet das Gerät über einen Frequenzbereich von 20 Hz. Das Innenvolumen des abgebildeten Generators beträgt 2,1 cm3 (einschließlich Gehäuse: 3,7 cm3), was etwa der Hälfte einer Standard-AA-Batterie entspricht. Auch dieses Projekt wird von der National Science Foundation unterstützt.

Najafi befaßt sich später übrigens mit Cyborg-Insekten, welche mit der eigenen Flügelbewegung Energie erzeugen (s.d. 2011).


Im August 2010 ist zu erfahren, daß ein koreanisches Forscherteam um Sang-Woo Kim von der Sungkyunkwan University in Seoul und Young Jun Park vom Samsung Advanced Institute of Technology ebenfalls daran arbeitet, ein schallbetriebenes Handy zu entwickeln.

Hierfür schaffen die Wissenschaftler ein Feld aus Zinkoxid-Nanodrähten, das zwischen zwei Elektroden eingebettet ist. Wird das Sandwich von Schallwellen im Bereich von 100 Dezibel getroffen, erzeugt es einen elektrischen Strom von etwa 50 mV. Was für ein durchschnittliches Handy, das ein paar Volt erfordert, allerdings zu wenig ist.

Die in diesem Stadium als Machbarkeitsnachweis betrachtete Forschung soll nun fortgesetzt werden, um eine höhere Leistung zu erhalten. Unter den genannten potentiellen Einsatzbereichen werden auch schalldämmende Wände in der Nähe von Autobahnen genannt, die Strom aus dem Lärm der passierenden Fahrzeuge erzeugen. Außerdem hofft das Team, daß sich die Technologie auch umkehren läßt, um elektrischer Signale in Schall umzuwandeln.

Informationen über eine Weiterentwicklung ließen sich bisher nicht finden.

 

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