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MICRO ENERGY HARVESTING

Felder und Wellen

Wärme (V)


Die Professoren Karl Böhringer und Robert Darling von der University of Washington (UW) stellen im Juni 2010 gemeinsam mit Kollegen der Stanford University und der Firma General Motors Co. einen thermisch betriebenen, insektoiden Roboter mit Hunderten von winzigen Beine vor, der mehr als das Siebenfache seines Eigengewichts tragen und sich dabei in jeder Richtung bewegen kann.

Roboter-Beinchen

Roboter-Beinchen

Der Roboter wiegt 0,5 g, hat die Dicke eines Fingernagels und ist etwa 25 mm lang und 8 mm breit. Technisch gesehen ist er ein Tausendfüßler mit 512 Füßchen, die in 128 Sätzen von je vier Stück angeordnet sind. Jeder Fuß besteht aus einem elektrischen Draht, der zwischen zwei verschiedenen Materialien eingeschlossen ist, von denen sich das eine unter Wärme stärker ausdehnt als das andere.

Fließt ein Strom durch den Draht, erhitzt er die beiden Materialien, wodurch eine Seite expandiert und den Fuß wölbt. Die Oberfläche der Füße ist im Vergleich zu ihrem Volumen so groß, daß sie in nur 20 Millisekunden aufheizen bzw. abkühlen. Dies geschieht in den Reihen der Füße 20 – 30 mal pro Sekunde, wodurch sich der Roboter mit einer Geschwindigkeit von rund 3 m/s vorwärts bewegt. Die Forschung wird von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) der National Science Foundation und General Motors gefördert.


Im September 2010 berichten die Fachblogs, daß vor kurzem Forscher an zwei verschiedenen Institutionen die Entwicklung von Technologien gemeldet haben, um die Abwärme von elektrischen Geräten wie Computern oder Kühlschränken in Strom umzuwandeln.

Wissenschaftler am California Institute of Technology (CalTech) konstruieren hierfür einen  Nanonetz-Film aus Silizium (silicon nanomesh film), der Wärme sammeln und wandeln kann – während ihre Kollegen an der Ohio State University (OSU) mit einem Halbleitermaterial arbeiten, das ebenfalls die Fähigkeit hat, Abwärme zu transformieren.

Das Material der CalTech-Forscher um Prof. James R. Heath, das wesentlich effizienter, kostengünstiger und umweltfreundlicher als andere thermoelektrische Lösungen sein soll, hat die Form einer 22 nm dicken Platte aus Silizium, die eine gitterähnliche Matrix von 11 oder 16 nm weiten Löchern enthält, die 34 nm weit voneinander entfernt sind. Dieses Design senkt die Wärmeleitfähigkeit des Films beträchtlich, was bedeutet, daß Wärme leicht durchreisen und entkommen kann. Zugleich kann aber auch Strom gut hindurch geleitet werden, was seit jeher eines der Ziele der Entwickler thermoelektrischer Geräte war.

Die Wärme reist in Form von Vibrations-Paketen, die als Phononen bekannt sind (quantisierte Pakete aus Lichtwellen), und das Nanonetz verlangsamt diese Phononen, so daß ihre Energie gewonnen werden kann, bevor sie sich chaotisch im gesamten Material verteilt. Die Forscher experimentieren jetzt mit unterschiedlichen Anordnungen von Löchern und verschiedenen Materialien, wobei sie vom Department of Energy, der Intel Foundation und der National Science Foundation finanziert werden.

Über die weiteren Schritte kann man sich aus der Dissertation ,Nanostructured silicon thermoelectrics’ von Jen-Kan Yu im März 2012 informieren.


Die OSU-Forscher um Joseph Heremans und Prof. Roberto Myers beziehen sich wiederum auf Vorarbeiten der japanischen Tohoku-Universität, wo 2008 gezeigt wurde, wie Wärme in Spinpolarisation umgewandelt werden kann, ein bislang nicht vollständig verstandenes Phänomen, das als Spin-Seebeck-Effekt bekannt ist (siehe dazu unter Magnetische Batterie sowie die Arbeiten von Prof. Burkard Hillebrands an der TU Kaiserslautern im Absatz über die Nutzung von Schall).

Die Ergebnisse aus Japan, wo die Forscher nur ein Stück Metall verwendeten, werden an der OSU dupliziert – allerdings experimentieren die Wissenschaftler hier mit dem besser geeigneten Halbleitermaterial Gallium-Mangan-Arsenid, um Wärme in Elektronen-Spin-Energie umzuwandeln. Ein solcher Ansatz, der Thermo-Spintronik genannt wird, würde zwei Probleme gleichzeitig lösen, denen sich Computerentwickler gegenübersehen: die Abfuhr der Abwärme sowie die Schwierigkeit, mehr Rechenleistung zu erhalten, ohne mehr Wärme zu erzeugen.

Diese Arbeit wird von der National Science Foundation, dem Office of Naval Research und dem Ohio Eminent Scholar Discretionary Fund unterstützt, von einer praktischen Umsetzung ist aber noch nichts zu sehen.


Ebenfalls im September 2010 stellt ein gemeinsames Team von ukrainischen und amerikanischen Wissenschaftlern ein neuartiges pyroelektrisches Verfahren vor, mit dem kleine Geräte mit Strom aus Abwärme versorgt werden können.

Bei dem Phänomen der Pyroelektrizität (auch pyroelektrischer Effekt oder pyroelektrische Polarisation genannt) handelt es sich um die Eigenschaft einiger piezoelektrischer Kristalle, auf eine zeitliche Temperaturänderung mit einer Ladungstrennung zu reagieren.

Im Gegensatz zu thermoelektrischen Vorrichtungen, die eine konstante Temperaturdifferenz verwenden, um eine konstante Spannung bereitzustellen, erzeugen pyroelektrische Materialien die Spannung nur für eine kurze Zeit, und zwar so lange wie sich die Elektronen in dem kristallinen Material von einem Ende zum anderen bewegen. Bislang fand der pyroelektrische Effekt kaum Anwendungen, da er nur Wirkungsgrade zwischen 1 % und 5 % erreichte.

Den Wissenschaftlern zufolge ist der Schlüssel zu einer effizienteren Energieumwandlung und einer höheren elektrischen Stromerzeugung ein schneller Temperaturwechsel entlang dem pyroelektrischen Material.

Die Forscher um Anna Nickolaevna Morozovska vom V. Loshkarev Institut für Halbleiterphysik der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine und Sergei V. Kalinin vom Oak Ridge National Laboratory (ORNL) in Tennessee nutzen hierfür ferroelektrische Nanodrähte, winzige Strukturen, die in Reaktion auf thermische Fluktuationen in der Umgebung schnell einen elektrischen Strom erzeugen. Solche Nanogeneratoren sollen sich gut in biologischen Anwendungen, in der Medizin und Nanotechnologie einsetzen lassen – aber auch im Weltraum, weil sie besonders bei niedrigen Temperaturen mit sehr hohem Wirkungsgrad funktionieren.

Das Team analysiert, wie der pyroelektrische Koeffizient mit dem Radius des Nanodrahtes zusammenhängt. Dabei wird herausgefunden, daß der Koeffizient umso höher ist, je kleiner der Drahtradius ist, bis er bei einem kritischen Radius in die paraelektrische Phase übertritt. Dieser sogenannte ,Größeneffekt’ könnte verwendet werden, um die Phasenübergangstemperaturen in ferroelektrischen Nanostrukturen anzupassen, wodurch ein System mit einer hohen abstimmbaren pyroelektrische Reaktion machbar wird.

Theoretisch könnte die Verwendung von Gleichrichterkontakten dem polarisierten ferroelektrischen Nanodraht ermöglichen, in Reaktion auf Temperaturschwankungen einen sehr starken pyroelektrischen Gleichstrom mit hoher Spannung zu erzeugen, der unter Verwendung eines bolometrischen Detektors nachgewiesen und geerntet werden kann, einem besonderen Strahlungssensor zur Messung über das gesamte Wellenlängenspektrum. Eine derartige nanoskalige Vorrichtung würde keine beweglichen Teile enthalten und auch für den Langzeitbetrieb geeignet sein.

Im Mai 2011 wird aus ORNL gemeldet, daß eine Gruppe um Scott Hunter daran arbeitet, pyroelektrische Bauelemente mit einem Wirkungsgrad von 10 – 30 % zu entwickeln. Bei dem neuen System kommen 1 mm2 kleine, mikro-elektromechanische Strukturen (micro-electro-mechanical device, MEMS) mit frei schwingenden Auslegern zum Einsatz, die jeweils 110 mW produzieren können. Werden diese MEMS erwärmt und abgekühlt, wird ein in wechselnden Richtungen fließender Strom initiiert.

Dieser entsteht dadurch, daß die Ausleger so befestigt sind, daß sie mit der Wärmequelle in Verbindung stehen und sich aufgrund ihrer bimetallischen Zusammensetzung biegen, sobald die Wärme sie erreicht. Die Spitze des heißen Auslegers kommt dadurch mit der kalten Oberfläche eines Kühlkörpers in Kontakt, worauf der Ausleger rasch seine Wärme verliert und sich wieder zurückbiegt, um ein weiteres Mal mit der heißen Oberfläche in Berührung zu kommen.

Der Ausleger schwingt so lange zwischen der Wärmequelle und der Wärmesenke hin und her, wie die Temperaturdifferenz zwischen der heißen und der kalten Oberfläche aufrecht erhalten wird. Auf einer Fläche von rund 6,5 cm2 lassen sich 1.000 Stück dieser Strukturen stapeln, die zusammen genügend Elektrizität erzeugen, um andere Prozesse zu versorgen. Das Projekt läuft unter der Schirmherrschaft des U.S.Department of Energy.

Im Januar 2012 veröffentlicht das Team zwar einen weiteren Bericht über den pyroelektrischen Koeffizienten unter dem Titel ,Surface polar states and pyroelectricity in ferroelastics induced by flexo-roto field’, doch über praktische Umsetzungen ist bislang nichts zu erfahren.


Eine dritte Meldung vom September 2010 betrifft die Ausnutzung von Quanteneffekten, um Abwärme in elektrische Energie zu verwandeln. Prof. Charles Stafford und der Doktorand Justin Bergfield von der University of Arizona (UA) entwerfen am Computer ein thermoelektrisches Gerät ohne bewegliche Teile, dessen Thermospannung ca. 100 mal größer sein soll, als die der Geräte anderer Gruppen.

Die Physiker nutzen die Gesetze der Quantenphysik, die im Bereich der Energieerzeugung bisher noch kaum angezapft wurden. Der Schlüssel zu der neuen Technologie liegt in einem Quantengesetz, das Welle-Teilchen-Dualismus genannt wird: Kleine Objekte wie Elektronen verhalten sich entweder als Welle oder als Teilchen.

Die Technologie der Forschungsgruppe basiert auf einem gummiartigen Polymer, der zwischen zwei Metallen als Elektroden eingezwängt ist. Stafford und Bergfield entdecken das Potential dafür, Wärme in Strom umzuwandeln, als sie Polyphenylether untersuchen, Moleküle, die spontan zu langen Polymerketten aggregieren. Das Rückgrat eines jeden Polyphenylether-Moleküls besteht aus einer Kette von Benzolringen, die wiederum aus Kohlenstoffatomen aufgebaut sind. Das Kettenglied-Struktur des Moleküls wirkt als ,molekularer Draht’, durch den Elektronen wandern können.

Mit Hilfe von Computersimulationen lassen die Wisenschaftler einen Wald aus Molekülen ,wachsen’, die zwischen den zwei Elektroden (die gelblichen Objekte oben und unten in der Abbildung) angeordnet sind, um das Array dann einer simulierten Wärmequelle auszusetzen. Wird die Anzahl der Benzolringe in jedem Molekül erhöht, steigt damit auch die erzeugte Leistung. Die Fähigkeit der Moleküle, Wärme in Strom zu transformieren, liegt in ihrer Struktur: Ähnlich wie Wasser, das eine Flußgabelung erreicht, wird der Fluß von Elektronen längs des Moleküls in zwei Teile gespalten, sobald dieser auf einen Benzolring stößt, wobei ein Teil jeweils einem Arm des Rings folgt.

Dabei wird die Benzolringschaltung in einer Weise konstruiert, daß die Elektronen gezwungen sind, auf einem der beiden Pfade eine längere Strecke um den Ring zu reisen. Dies bewirkt, daß die beiden Elektronenwellen außer Phase sind, wenn sie sich beim Erreichen der anderen Seite des Benzolrings wieder vereinigen. Wenn sich die Wellen treffen, heben sie sich gegenseitig in einem Prozeß auf, der als Quanten-Interferenz bekannt ist. Wird um dem Schaltkreis herum nun eine Temperaturdifferenz angeordnet, führt diese Unterbrechung im Fluß der elektrischen Ladung zum Aufbau eines elektrischen Potentials – also einer Spannung – zwischen den Elektroden.

Das Konzept der Welleninterferenz wird bereits bei Geräuschunterdrückungs-Kopfhörern genutzt, wo ankommende Schallwellen durch Gegenwellen ausgelöscht werden, die das Gerät selbst erzeugt. Ähnlich lassen sich die Außengeräusche in Wohnungen aktiv mit mit einem sogenannten EAP-Spacer reduzieren, einem schlanken, im Fensterrahmen integrierten Mini-Lautsprecher, der den genau passenden Gegenschall erzeugt. Dieses System wird von Forschern des Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) im Juli 2016 vorgestellt. Das UA-Team sei allerdings das erste, das die Wellennatur der Elektronen nutzbar macht und ein Konzept entwickelt, diese in Energie umzuwandeln.

Vom Entwurf her sei die in sich geschlossenen Technik leichter herzustellen und instand zu halten, als andere derzeit verfügbare Technologien. Man könne einfach ein Paar Metallelektroden nehmen und diese mit einer einzigen Schicht der Moleküle bestreichen um ein Solid-State-Gerät zu erhalten, das als thermoelektrische Vorrichtung agiert, ohne Kühlmittel wie flüssigen Stickstoff zu benötigen.

Molekulare thermoelektrische Vorrichtungen könnten helfen, ein wesentliches Problem von Photovoltaik-Zellen zu lösen: werden Solar-Paneele sehr heiß, geht ihre Effizienz rapide nach unten. Mit einer Vorrichtung auf der Grundlage des neuen Designs könnte man einen Teil dieser Wärme ernten und verwenden, um zusätzlichen Strom zu erzeugen, während die Kühlung gleichzeitig den Photovoltaik-Prozeß effizienter macht.

Mit dem Material – weniger als 1 Millionstel Zoll dick – könnten z.B. Auspuffrohre von Autos oder Fabrikschornsteine beschichtet werden. Mit einer sehr effizienten Version sollte es möglich sein, mit der Abwärme eines Kraftfahrzeugs 200 Stück 100 W Glühlampen mit Strom zu versorgen, behaupten die Forscher, was einer Erhöhung der Effizienz des Fahrzeugs um mehr als 25 % entspricht.


Nokia E+Cu (Modell)


Im Oktober 2010 kursieren in den Blogs Berichte über ein Handy-Konzept des englischen Designers Patrick Hyland, dessen Akku durch die Körperwärme des Nutzers oder Hitzequelle wie ein laufendes Notebook oder irgendein anderes Gerät, das Wärme produziert, aufgeladen wird.

Die Rückseite des Nokia E+Cu genannten Geräts, das ganz ohne Ladegerät auskommen soll, besteht aus Kupfer, welches die Wärme an den innenliegenden Generator weiterleitet. Damit das Handy nicht überhitzt, wird die überschüssige Hitze durch eingearbeitete Rillen nach außen abgleitet. Optisch erinnert die Abdeckung an vertrockneten Wüstenboden.

Ob Nokia diese Idee tatsächlich irgendwann einmal aufgreift und umsetzt, ist fraglich. Die massive Kupferplatte dürfte das Handy nicht nur schwerer machen, sondern auch deutlich teurer. Aber auch schöner, als dünne und billige Plastik-Akkudeckel.


Die japanischen Fujitsu Laboratories geben im Dezember 2010 die Entwicklung einer Energiegewinnungsvorrichtung bekannt, die sowohl Licht als auch Wärme in Strom umwandeln kann. Im Gegensatz zu Geräten, die Photovoltaik-Zellen verwenden, um Licht in Strom zu wandeln oder Temperaturdifferenzen nutzen, um Wärme zu ernten, soll sich das Energie-Einfang-Potential durch die neue Version, bei der beide Technologien auf einem einzigen Hybridgerät kombiniert sind, verdoppeln lassen.

Das aus organischen Materialien hergestellte Gerät, was die Kosten auf ein Minimum beschränken soll, enthält sowohl N-Typ als auch P-Typ-Halbleitermaterialien und kann damit gleichermaßen im photovoltaischen Modus wie im thermoelektrischen Modus betrieben werden. Weitere Details sind bislang nicht bekanntgegeben worden.

Die Fujitsu Laboratories werden die Weiterentwicklung dieser neuen Technologie fortsetzen, um die Leistung von Hybrid-Geräten zu erhöhen, mit dem Ziel, die Technologie um das Jahr 2015 herum zu kommerzialisieren.


Skinny Player (Grafik)


Gleichfalls im Dezember 2010 zeigen die Ingenieure Chih-Wei Wang und Shou-Hsi Fu aus China das Konzept eines von ihnen entwickelten einzigartigen MP3-Players namens Skinny Player, der wie ein Pflaster auf die Haut des Benutzers geklebt wird.

Der bisher nur als Design-Entwurf vorliegende Player benötiget keine Batterien, sondern bezieht seinen Strom aus der während der Bewegung geschaffenen Körperwärme. Das flexible Gerät verfügt über eine Ein-/Aus-Taste sowie einen ebenfalls flexiblen Lautsprecher, so daß es keine Kopfhörer benötigt. Der Speicher sei groß genug, um ein ganzen Album abspielen zu können. Nähere technische Informationen sind nicht bekannt.

Die Designer behaupten, daß der sowohl innovative, wiederverwendbare und auch einfach zu bedienende Skinny-Player seine Klebekraft nicht verliert, selbst nachdem er Hunderte Male befestigt und entfernt wurde.


Überraschenderweise gibt es im Dezember 2010 noch eine ganze Reihe weiterer Innovationen auf diesem Sektor – so als ob die Initiatoren ihre Informationen noch schnell vor Jahresende unter die Menschen bringen wollen.

Die innerhalb weniger Tage veröffentlichten Meldungen beginnen mit einem Bericht aus dem Lawrence Berkeley National Laboratory (Berkeley Lab), wo Wissenschaftler um Jeffrey J. Urban und Prof. Rachel A. Segalman von der University of California, Berkeley, einen Weg gefunden haben, die bislang hohen Kosten und die materialintensive Verarbeitung bei der Herstellung von hocheffizienten thermoelektrischen Materialien signifikant zu senken.

Durch Konstruktion einer Mischung aus weichen und harten Werkstoffen unter Einsatz einer einfachen Kolben-Chemie im Wasser wird eine Methode entwickelt, die eine respektable Effizienz mit geringen Produktionskosten verbindet. Das Team stellt ein nanoskaliges Verbundmaterial her, indem es Nanostäbe aus Tellur  mit einem elektrisch leitenden Polymer umhüllt. Dieses Verbundmaterial läßt sich leicht per Schleuderguß oder mittels Drucktechnik in einen Film aus einer Lösung auf Wasserbasis drucken.

Zusammen mit seiner einfachen Herstellung hat das neue Hybridmaterial eine thermoelektrische Leistungszahl, die Tausende mal größer ist als entweder das Polymer oder der Nanostab alleine. Nun soll die Technik optimiert werden, wobei es u.a. darum geht, zu häufiger vorkommenden Materialien als Tellur zu wechseln.

Dieses Team meldet im Mai 2013, daß es zwischenzeitlich ein hochleitfähiges Polymer- Verhalten entdeckt habe, das an einer Polymer/Nanokristall-Schnittstelle auftritt. Diesmal werden Tellur-Nanodrähte zu dünnen Filmen verarbeitet. Auch dieses organisch/anorganische Verbundmaterial zeigt eine höhere thermoelektrische Leistung als die jeweiligen Bestandteile alleine. Die Ergebnisse könnten sich nicht nur auf die Thermoelektrika-Forschung auswirken, sondern auch auf Polymer/Nanokristall-Komposite, wie sie für die Photovoltaik, Batterien und Wasserstoffspeicher untersucht werden.


Der zweite Bericht beschreibt, daß sich eine bestimmte Klasse von Thermoelektrika auf der nanoskaligen Ebene in Reaktion auf Temperaturänderungen ziemlich unerwartet verhält. Bei der Entdeckung handelt es sich um einen Phasenübergang in ,entgegengesetzter Richtung’, der dabei hilft die starke thermoelektrische Reaktion dieser Materialien zu erklären sowie andere nützliche Thermoelektrika zu identifizieren.

Die Wissenschaftler aus dem Brookhaven National Laboratory des U.S. Department of Energy (DOE), der Columbia University, dem Argonne National Laboratory, dem Los Alamos National Laboratory, der Northwestern University und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) nutzen neu verfügbare experimentelle Techniken und theoretische Ansätze, um Blei-Chalkogenide zu untersuchen (mit Tellur, Selen oder Schwefel verbundenes Blei).

Mit den neuen Techniken ist es ihnen möglich, das Verhalten einzelner Atome im Nanobereich zu ,sehen’ und zu modellieren, wobei sie subtile Veränderungen in den Atomanordnungen beobachten können, die mit herkömmlichen Mitteln nicht zu sondieren sind. Das Team um die Physiker Simon Billinge und Emil Bozin vergleicht den beobachteten Phasenübergang mit denen von Wasser, das sich bei Abkühlung von gasförmigem Dampf erst zu flüssigem Wasser und dann zu festem Eis verdichtet, wobei die Atome jeweils irgendeiner Form der strukturellen Umwandlung unterliegen.

Manchmal führt eine weitere Abkühlung zu weiteren strukturellen Übergängen, bei denen sich Atome im Kristall neu anordnen oder verschoben werden, um die Gesamtsymmetrie zu senken. Im Gegensatz zum bekannten und normalen Entstehen solcher lokalisierten atomaren Verzerrungen beim Abkühlen, zeigen die Chalkogenide das entgegengesetzte Verhalten: Die atomaren Verschiebungen treten nicht bei der niedrigsten Temperatur auf, sondern bei einer Erwärmung. Die detaillierte Analyse ergibt, daß sich die Entfernung zwischen einem bestimmten Atom und seinem nächsten Nachbarn um etwa 0,025 nm verändert, wenn das Material wärmer wird, was darauf hinweist, daß einzelne Atome verschoben wurden.

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist dieses zufällige ,flippige’ Verhalten der Schlüssel für die Fähigkeit von Materialien, Wärme in Strom umzuwandeln. Die zufällig umkippenden Dipole behindern die Bewegung von Wärme durch das Material in der gleichen Weise, wie es schwieriger ist, sich durch Unterholz zu bewegen, als durch einen geordneten Apfelgarten, in dem die Bäume in Reihen aufgestellt sind. Die resultierende geringe Wärmeleitfähigkeit ist für die thermoelektrischen Eigenschaften von entscheidender Bedeutung. Die Studien sollen den Wissenschaftlern nun dabei helfen, weitere thermoelektrische Materialien mit außergewöhnlichen Eigenschaften zu suchen.

Monothermal-Aufbau Grafik

Monothermal-Aufbau
(Grafik)


In der dritten Meldung wird berichtet, daß Walter Lovell und seine Firma Lovell Patented Technology in South Hadley, Massachusetts, eine Erfindung namens Monothermal patentiert hätten, die elektrischen Strom aus Umgebungswärme erzeugt, ohne dabei auf bestehende Verfahren zurückzugreifen, die einen Temperaturunterschied (bzw. eine kühle Seite) erfordern, wie beim Seebeck-Effekt, oder eine chemische Reaktion, wie z.B. die Redoxreaktion in Batterien.

Die auch Lovell Monothermal genannte Erfindung soll PV-Zellen ähneln, die Elektronen durch Photonen anregen, mit dem Unterschied, daß das Monothermal die Elektronen über Infrarot-Strahlung und jede Form molekularer Aktivität anregt, die Wärme erzeugt. Lovell zufolge soll ein früher, im Jahr 1995 produzierter Prototyp seit mehr als einem Jahrzehnt ununterbrochen arbeiten und dabei in einer Umgebung mit Raumtemperatur LCD-Uhren und einen Tischventilator mit Strom versorgen.

Der als unglaublich einfaches Konstrukt beschriebene und sehr viel einfacher als Solarzellen herzustellende Wandler soll patentiert sein, was ich allerdings nicht verifizieren konnte. Das Gerät, das aus Kupfer, Phosphor, Chromoxid und einer Aluminium-Magnesium-Legierung besteht, sei der ultimative Festkörper-Umgebungsenergiewandler – und ein Block dieser Einheiten mit einem Volumen von rund 100 Liter könnte mit einer Temperatur von 27°C und ohne Wartung ein ganzes Haus 20 Jahre lang versorgen, während er Tag und Nacht Strom produziert.

Trotz dieser überaus ambitionierten Behauptungen ist auch auf Lovells Homepage nichts über eine kommerzielle Umsetzung zu finden (letzter Stand: 2014).


Um die Systematik der Chronologie zu unterstützen, werden alle weiteren Informationen bezüglich thermoelektrischer Technologien mit Beginn des Jahres 2011 in dem schon mehrfach erwähnten Kapitel Wärme unter Der Thermoelektrische Effekt / Seebeck-Effekt (TEGs) aufgeführt (s.d.).


Im Juni 2011 werden Meldungen über neue Pläne der Firma Airbus bekannt, die aus der Vision des Unternehmens für die Luftfahrt im Jahr 2050 stammen. Demzufolge besitzt die neuartige Konzeptkabine ein integriertes ,Neuronennetz’, das eine intelligente Schnittstelle zwischen dem Passagier und dem Flugzeug bildet, sowie eine Kabinenwandmembran, welche einerseits die Lufttemperatur kontrolliert und andererseits durchsichtig werden kann, um den Fluggästen einen freien Panoramablick zu ermöglichen.

Der uns an dieser Stelle interessierende Fakt ist jedoch, daß auch die Körperwärme der Fluggäste genutzt werden soll, um Kabinenausstattungen mit Energie zu versorgen. Details über die hierbei einzusetzende Technik werden aber nicht verraten.


Eine weitere Technologie, um Wärme in Strom zu wandeln, wird im März 2012 von Forschern der Hong Kong Polytechnic University um Zihan Xu vorgestellt, die behaupten, eine neue Art Graphen-basierter ,Batterie’ erfunden zu haben, die ausschließlich mit Umgebungswärme läuft. Die Vorrichtung soll die thermische Energie von Ionen in einer Lösung erfassen und sie in Elektrizität umwandeln.

Ionen in wässriger Lösung bewegen sich bei Raumtemperatur und unter Normaldruck mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Metern pro Sekunde. Die thermische Energie dieser Ionen kann somit mehrere Kilojoule pro Kilogramm pro Grad erreichen. Bislang wurde aber wenig unternommen um herauszufinden, wie diese Energie zu erschließen und daraus Strom zu produzieren ist.

Das Team konstruiert die thermische Batterie, indem es Silber- und Goldelektroden auf einen Streifen aus Graphen befestigt, einen Film aus Kohlenstoff, der nur ein Atom dick ist. Im Experiment kann gezeigt werden, daß sechs dieser Vorrichtungen in Serie, die in eine Kupferchlorid-Lösung getaucht werden, eine stetige Spannung von mehr als 2 V erzeugen – womit eine marktübliche LED betrieben wird -, und dies 20 Tage lang.

Im Unterschied zu herkömmlichen Batterien, die chemische Energie in Strom umwandeln, funktioniert die neue Technologie nur durch ernten der thermischen Energie der umgebenden Kupfer-Chlorid-Ionen, die in der Theorie unbegrenzt ist. Insofern arbeitet die Batterie eher wie eine Solarzelle: Die Kupferionen (Cu2+) kollidieren ständig mit dem Graphen-Streifen, wobei diese Kollision energetisch ausreichend stark ist, um ein Elektron aus dem Graphen zu verdrängen. Dieses Elektron kann sich dann entweder mit den Kupferionen verbinden, oder durch den Graphenstreifen reisen und in den Stromkreis fließen.

Da sich Elektronen mit extrem hohen Geschwindigkeiten durch das Graphen bewegen (dank der Tatsache, daß sie sich wie relativistische Teilchen ohne Ruhemasse verhalten), reisen sie viel schneller in dem kohlenstoffhaltigen Material als in der ionischen Lösung. Das freigesetzte Elektron bevorzugt daher auf natürliche Weise durch die Graphen-Schaltung zu reisen, anstatt durch die Lösung. Dies ist der Weg, wie die Spannung durch die Vorrichtung erzeugt wird.

Die Forscher finden zudem heraus, daß die von der Vorrichtung erzeugte Spannung erhöht werden kann, indem die ionische Lösung erhitzt und die Kupfer-Ionen mit Ultraschall beschleunigt werden, da beide Verfahren die kinetische Energie der Ionen erhöhen. Die Spannung erhöht sich auch, wenn die Kupferchloridlösung stärker konzentriert Cu2+ enthält. Andere kationische Lösungen wie Na+, K+, Co2+ und Ni2+ können auch verwendet werden, erzeugen aber niedrigere Spannungsausgänge.

Den Forschern zufolge, die auch mit Graphit und Kohlenstoff-Nanoröhrchen-Dünnschichten experimentiert haben, ist die einzigartige Atomschicht-Natur des Graphen von entscheidender Bedeutung für diese Batterie, während die anderen Materialien nur geringe Spannungen von wenigen Mikrovolt erzeugen, die als Rauschen betrachtet werden. Ob der neue Ansatz ausreichend Energie oder Leistungsdichte für praktische Anwendungen liefern kann, ist noch unklar.

Elastomer-Entropierad

Elastomer-Entropierad


Im September 2012 kursieren in der Presse Berichte über das sogenannte Entropierad, eine im Arbeitskreis Prof. Manfred Wilhelm am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte Wärmekraftmaschine, die durch ein neues Funktionsprinzip auch geringe Temperaturdifferenzen von 40 – 80°C zur Erzeugung von mechanischer Energie ausnutzen kann.

Die Speichen dieses Rades bestehen aus Elastomeren, d.h. schwach vernetzte Polymere, deren bekanntester Vertreter der Naturkautschuk ist. Zu den interessanten Materialeigenschaften gehört, daß ihre Elastizität auf einer Änderung der Entropie des Systems bei Anlegung einer Spannung beruht, und nicht auf einer Änderung der inneren Energie wie in einem klassichen Festkörper, z.B. einem Metall. Dabei ist das Temperaturverhalten eines entropieelastischen Materials bei angelegter Spannung umgekehrt im Vergleich zu einem klassischen Festkörper: Bei einer Erhöhung der Temperatur erhöht sich auch die Spannung des Elastomers.

Indem diese Eigenschaft ausgenutzt wird, kann eine Wärmemaschine entwickelt werden, deren unterer Bereich erwärmt wird, worauf sich die Spannung erhöht und das Rad zu drehen beginnt. Die Konstruktion besteht aus zwei exzentrisch angeordneten Rädern, deren einer Teil in einem warmen Wasserbad liegt. Bei der Drehung durchlaufen die Elastomerfilamente eine reversible Änderung ihrer molekularen Konformation, wodurch sich mechanische Energie gewinnen läßt.

Im Dezember 2014 wird am KIT die neueste, 100 x 75 x 40 cm große und 30 kg schwere Version des Entropierades gezeigt, die mit einer Temperaturdifferent von 50°C ausreichend mechanische Energie erzeugt (15 kW), um einen PKW abzuschleppen. Diesmal werden anstatt der Elastomere allerdings 360 Federn aus der Form-Gedächtnis-Legierung Nitinol verwendet, die nun in Zusammenarbeit mit der Firma Ingpuls GmbH und der Universität Bochum für diese Anwendung optimiert werden sollen. Weitere Entwicklungsschritte sind noch nicht gemeldet worden.

 

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