allTEIL C

Solarhäuser und solare Bauelemente

Maritime Habitate (A)

 

In diesem Kapielteil geht es um bewohnbare schwimmende Objekte, die von der Hausboot-Größe bis zu schwimmenden Städten reichen, und die sowohl für Flüsse und den küstennahen Bereich, als auch für die offene See gedacht sind. Es ist eine der großen Utopien aus den 1960er und 1970er Jahren: Gigantische schwimmende Strukturen auf dem Meer sollen den Menschen neuen Lebensraum bieten, wenn der Platz an Land nicht mehr ausreicht, und Freiheit. Was weit über das Selbstverständnis eines braven Hausboots hinausgeht, weshalb ich diese hier auch nicht explizit behandeln werde (auch wenn die Grenzen zunehmend schwer zu ziehen sind).

Jetzt, fünfzig Jahre später, bildet die Sorge, daß der Meeresspiegel wegen der Klimaerwärmung extrem stark steigen könnte, die Hauptmotivation für den Trend Aquawohnen. Wesentlich bei den hier vorgestellten Designs und Umsetzungen ist, daß sie in den meisten Fällen ein besonderes Augenmerk auf die Nutzung erneuerbarer Energien legen.

Schilf-Insel in Peru

Schilf-Insel in Peru


Es gibt aber auch natürliche maritime Habitate, die auf dem Wasser schwimmen. So lebt eine Gruppe von Menschen am Titicaca-See bei Puno in Peru seit Hunderten von Jahren ununterbrochen auf beweglichen Inseln, die sie aus lebendem und getrocknetem Totora-Schilf herstellen. Die Urus-Insulaner fischen und werkeln, ankern, wenn es nötig ist, und bewegen sich ansonsten über die Wasseroberfläche.

Im Gegensatz zu anderen Behausungen auf dem Wasser, die früher oder später sinken, wird hier den bis zu 3 m dicken Schilfschichten, auf denen diese Menschen samt ihren Häusern, Möbeln usw. ruhen, regelmäßig oben mehr hinzugefügt, als unten langsam absinkt, um die Differenz auszugleichen und die Struktur zu erhalten.

Ein Wachturm auf einer großen Insel in der Mitte erinnert an den ursprünglichen Grund für die Flucht vom Land – Feinde, die von allen Seiten eindringen und dazu zwingen, auf dem Wasser zu bauen. Heute leben etwa 2.000 Menschen auf 49 schwimmenden Inseln, einige Häuser werden modernisiert, u.a. mit Solarzellen, und es gibt sogar einem lokalen Radiosender, der mit den Bewohnern auf einem Bündel Schilfrohr mitfährt (Stand: 2021).

Ganz ähnlich sahen die Ma’dan-Siedlungen auf schwimmenden Schilfinseln im Süd-Irak aus, bevor diese Sümpfe unter Saddam Hussein trockengelegt wurden. Diese organischen Inseln hatten sich in unzähligen Generationen aus verrottendem Schilf und Büffelmist gebildet. Und auch hier mußten jedes Jahr neue Schichten aus Schilf obenaufgelegt werden, da sich die Grundschichten auflösten.

Nachdem sich die beinahe zerstörten Marschländer seit 2003 wieder regenerieren, und die UNESCO sie im Jahr 2016 der Liste des Weltkulturerbes beigefügt hat, ist zu erwarten, daß die Menschen, die hier noch auf winzigen, schwimmenden Inseln leben und sich vom Fischfang ernähren, ebenso wieder eine Zukunft haben wie das einzigartige Ökosystem.

Auf dem flachen Inle-See in Myanmar wiederum haben die in Pfahlhäusern lebende Intha schwimmende Felder angelegt, die aus Schlick und dem Wurzelwerk der üppig wachsenden Wasserhyazinthen gebaut und mit Bambusstangen im Boden verankert werden. Da die Konstruktion von Menschen nicht betreten werden kann, werden die Felder vom Boot aus bewirtschaftet. Über das Jahr sind mehrere Ernten von Tomaten, Gurken, Auberginen und anderen Gemüsen möglich.

Außerdem leben Naturvölker in Asien, der Südsee und dem Indischen Subkontinent seit Jahrtausenden auf den Meeren wie Indischer Ozean oder im Pazifik, aber auch auf Flußläufen und großen Binnenseen ein Nomadenleben auf ihren Hausbooten und Schiffen. Noch heute leben Völker wie die Moken, Bajau oder Amundawa die Tradition der Seenomaden. Die Familien leben und arbeiteten mehr oder weniger ihr ganzes Leben auf ihrem Booten, die mitunter zu schwimmenden Dörfern zusammengelegt werden.

Ein weiteres Beispiel ist der riesige Tonle Sap See mitten in Kambodscha, der zur Regenzeit so stark anwächst, daß er bis zu zehnmal so groß ist wie in der Trockenzeit. Überall stehen die Häuser am Ufer auf Pfahlkonstruktionen, doch oft leben die vielfach aus Vietnam stammenden Fischerfamilien in schwimmenden Häusern. Zudem gibt es hier nicht nur schwimmende Märkte wie anderswo auch, sondern auch schwimmende Schulen, schwimmende Polizeistationen und schwimmende Gemeindeverwaltungen.


Das Konzept schwimmender Inseln ist nicht neu. Es taucht erstmals in Homers Odyssee auf, wo die schwimmende Insel Aiolia der Wohnort des griechischen Windgottess Aiolos ist, und findet sich in zahllosen literarischen Werken wieder, von Jonathan Swifts Gullivers Reisen über C. S. Lewis’ Science-Fiction-Trilogie Perelandra bis hin zu Hugh Loftings Die Reisen des Doktor Dolittle.


Ein früher Vorläufer der Idee einer sehr speziellen schwimmenden, bewohnbaren Inseln stammt aus dem Jahr 1791, aus der Zeit der Französischen Revolution. Das gigantische Floß von St. Malo, das hier auf einem Stich von 1798 gezeigt wird, sollte 600 Fuß lang und 300 Fuß breit werden und in der Lage sein, 600 Kanonen und 15.000 Soldaten (andere Quellen: 60.000) für die Invasion Englands zu transportieren. Zudem befindet sich in der Mitte eine bombensichere, mit Metall ummantelte Zitadelle, vermutlich für die Admiralität.

Besonders interessant ist, daß das Floß  mit Hilfe von vier großen Schaufelrädern bewegt werden sollte, die wiederum von vier Windmühlen angetrieben wurden. Wenn die Windräder nicht zur Verfügung standen, konnten die Schaufelräder mit Pferdekraft angetrieben werden. Tatsächlich gebaut wurden diese gewaltigen Geräte aber nie. Dafür nutzten beide Seiten die mehrfach publizierte Idee für ihre jeweilige Propaganda.


Die Propellerinsel
(Grafik)

Zu den Ideengebern des Seasteading – das Konzept der Errichtung von dauerhaften Wohnsitzen auf See, sogenannten Seasteads, außerhalb des von einer Regierung beanspruchten Gebiets – kann auch Jules Vernes gezählt werden, der in seinem utopischen Roman Die Propellerinsel (L’Île à hélice) von 1895 eine 5 x 7 km große, ovale künstliche Insel aus Stahl beschreibt, die von amerikanischen Milliardären erbaut wird, deshalb Milliard City genannt wird, und die mit Dampf und Elektrizität betrieben die Gewässer des Pazifik befährt. Die hier abgebildete Zeichnung stammt von dem französischen Illustrator und Maler Hippolyte Léon Benett.

Ein komplettes schwimmendes Dorf einschließlich Kirche, das auf einem riesigen Floß über den Amazonas fährt, hatte Verne schon 1881 in dem Buch La Jangada (o. 800 Meilen auf dem Amazonas) zum Schauplatz eines Romans gemacht.


Als Vorläuferprojekte sind weiterhin die schwimmenden Flughäfen für Transatlantikflüge zu nennen, die in der Januarausgabe 1930 des US-Magazins Popular Mechanics besprochen wurden. Zu dieser Zeit konnte zwar ein Passagierflugzeug gebaut werden, das für diese Reise geeignet ist, aber wegen des hohen Treibstoffbedarfs für den Flug hatte es nur eine begrenzte Nutzlast. Um mit der damaligen Luftfahrttechnologie einen sicheren Flug zu ermöglichen, werden acht solcher Flughäfen im Atlantik gefordert.

Im Gegensatz zu späteren Ideen für schwimmende Flughäfen, die frei schwammen, hatte dieses Konzept eine schwimmende Flughafenplattform, jedoch mit Stabilisatoren, die ein Kippen und Rollen des Flugdecks verhindern. 1935 plädiert auch der berühmte französische Luftfahrtpilot und Konstrukteur Louis Charles Joseph Blériot für schwimmende Flughäfen im Mittelatlantik, die er Seadromes nennt, als Lösung für wirtschaftliche Passagierflüge.


Weiterhin sind die Pläne des französischen Ingenieurs Leon Feoquinos aus Marseilles zu nennen, der 1931 eine riesige schwimmende Stadt zwischen Bordeaux in Frankreich und St. Johns in Neufundland vorschlägt, die damals 2 Mio. $ hätte kosten sollen – aber nie realisiert wird.


In einem Patent aus dem Jahr 1942 beschreibt der Erfinder Edward R. Armstrong aus Overbrook, Pennsylvania, eine schwimmende und tauchfähige Landebahn, die insbesondere für die Verwendung auf See als Wartungs- und Betankungsbasis für Flugzeuge in Kriegszeiten bestimmt ist (US-Nr. 2.399.611, erteilt 1946). Und in Deutschland reicht Dipl.-Ing. George Paraskevopoulos aus Schenefeld im Jahr 1986 das Patent für einen schwimmenden Flugplatz ein (DE-Nr. 36 30 275.9, erteilt 1988).

Insgesamt gerät die Idee solcher mobiler Flughäfen allerdings in Vergessenheit – natürlich mit Ausnahme der militärischen Flugzeugträger, die ich allerdings den Schiffen zuordne und deshalb aus dieser Übersicht heraushalte. Ebenso wie die immer größer werdenden Kreuzfahrtschiffe, die gewissermaßen auch maritime Habitate darstellen - in dieser Chronologie aber trotzdem nichts zu suchen haben.


In der Literatur taucht das Thema ein weiteres Mal in dem 1957 geschriebene dystopischen Kurzroman Die Gelehrtenrepublik von Arno Schmidt auf, wo nach einer nuklearen Katatstrophe eine künstliche schwimmende Insel, die International Republic of Artists and Scientists (IRAS) in den Rossbreiten des Pazifiks herum schippert. Auf der Insel sollen die wissenschaftlichen und künstlerischen Errungenschaften der Menschheit vor künftigen Weltkriegen sicher sein. In dem Roman, der übrigens im (fiktiven) Jahr 2008 spielt, wird explizit erwähnt, daß das Design der IRAS von Jule Vernes Propellerinsel übernommen wurde.

Ein Jahr später wird in der DDR das Jugendbuch Die glücklichen Inseln hinter dem Winde von James Krüss veröffentlicht, in welchem der Kapitän eines Schiffes im Jahr 1945 auf neun schwimmenden Inseln mit seltsamen Bewohnern und Gebäuden landet, die im Mittelmeer herumtreiben. Und Michael Ende beschreibt 1960 in dem Kinderbuch Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer eine schwimmende Insel als Erweiterung für das zu klein gewordene ‚Lummerland‘, die nach dem Festmachen an der alten Heimstatt ‚Neu-Lummerland‘ genannt wird.

Weiter zu nennen sind der Roman Das steinerne Floß von José Saramagos aus dem Jahr 1986, in welchem sich die iberische Halbinsel von Europa löst und als Insel über den Ozean treibt, sowie der 2001 erschienene Roman Schiffbruch mit Tiger von Yann Martel, in dem eine pflanzliche, schwimmende Insel beschrieben wird, die für kurze Zeit zur Zuflucht eines Schiffbrüchigen wird. Dieser Roman wurde übrigens 2012 grandios verfilmt (Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger).

Triton City Grafik

Triton City
(Grafik)


Ein weiteres Vorläuferprojekt ist der für 5.000 (andere Quellen: 50.000, 100.000) Bewohner gedachte Entwurf Triton City des Visionärs und Architekten Buckminster Fuller aus den späten 1950er und frühen 1960er Jahren.

Dieser hatte von einem japanischen Mäzen den Auftrag erhalten, für die Bucht von Tokio eine seiner tetraederförmigen schwimmenden Städte zu entwerfen, die vor der Küste verankert und mit Brücken mit dem Festland verbunden sein sollte. Das Projekt wurde schließlich aufegeben, bevor es gebaut wurde, weil der japanische Auftraggeber starb.

Auch der Begriff Seasteading selbst, eine Mischung aus Sea und Homesteading (Besiedlung, Inbesitznahme im Sinne der Selbstversorgung), soll aus den 1960ern stammen. Die Wikipedia nennt hingegen zwei Personen, die unabhängig voneinander den Begriff geprägt haben sollen: Ken Neumeyer in seinem Buch Sailing the Farm von 1981 sowie Wayne Gramlich (s.u.) in seinem Artikel Seasteading – Homesteading auf hoher See aus dem Jahr 1998. Ein weiterer Fachbegriff in diesem Zusammenhang ist Very Large Floating Structures (VLFS), womit künstlich hergestellte Pontons gemeint sind, die auf der Meeresoberfläche schwimmen und dauerhafte Bewohner beherbergen sollen.


Es gibt bereits mehr als ein Vorbild für den Traum einer Staatsgründung auf hoher See. So wird durch Leicester Hemingway, den jüngeren Bruder von Ernest Hemingway, im Juli 1964 in internationalen Gewässern rund 15 km vor Jamaika, in der Nähe von Bluefields, die Mikronation New Atlantis gegründet – auf einem selbstgebauten 22 m2 (andere Quellen: 30 m2) großen Floß, das hauptsächlich aus Bambus, Stahl, Eisenrohren und Felsen besteht und mit einem alten Ford-Motorblock an einem flachen Ufer verankert ist.

Da er Vogelexkremente auf dem Floß findet, nimmt er aufgrund des Guano Islands Act von 1856 die Hälfte des Floßes für die USA in Besitz, während er die andere Hälfte für sich selbst beansprucht.

Hemingway plant den Ausbau seiner Nation zu einem Zentrum für Meeresforschung, wird deren gewählter Präsident, gibt eine eigene Währung heraus und druckt eigene Briefmarken, die der Weltpostverein aber nicht anerkennt. New Atlantis hat 1965 sechs illustre Einwohner: Leicester und seine Frau Doris, ihre Töchter Anne und Hilary, die zu dieser Zeit sieben und drei Jahre alt sind, sowie Edward K. Moss, ein CIA-Agent, sowie dessen Assistentin Julia Cellini, die Schwester eines Mafia-Bosses. Die Mikronation erleidet dasselbe Schicksal wie ihr mythisches Vorbild und sinkt im Jahr 1966 bei einem tropischen Sturm.

Im September 1967 ruft wiederum der ehemalige Offizier der Britischen Armee Roy Bates auf einer verlassenen Plattform vor der Küste Englands das Fürstentum Sealand aus und erklärt es zu einem eigenständigen Staat. Ursprünglich geht es ihm darum, auf der Plattform ungestört von der britischen Justiz einen Piratensender zu betreiben. Einige Jahre später folgen eigene Pässe, Briefmarken und sogar eine eigene Währung. Die weitere Geschichte kann auf der sehr ausführlichen Wikipedia-Seite nachgelesen werden.


In diesen zeitlichen Kontext paßt auch der Hinweis, daß es überall auf der Welt Wohnboot-Gemeinschaften in den unterschiedlichsten Ausprägungen gibt. Das von mir gewählte Beispiel ist die Sausalito Houseboat Community in der San Francisco Bay in Kalifornien, die zwar schon in den 1880er Jahren entstand, aber dann im Zuge der von San Francisco ausgehenden Hippie-Bewegung der 1960er stark anwuchs – als Ausdruck eines alternativen Lebensstils.

Nach langjährigen Kämpfen um den rechtlichen Status der Siedlung und Versuchen der Stadtverwaltung, die ‚wilde und meist gesetzwidrig errichtete‘ Wasser-Kommune zu räumen und schließlich zu zerstören, gehört die Gemeinschaft heute zum festen Bestandteil der Stadt Sausalito und umfaßt mehr als 400 schwimmende Häuser, die äußerst individuell gestaltet sind.


Nicht vergessen werden darf, daß L. Ron Hubbard, der Gründer der Scientology Kirche, und seine leitenden Angestellten zwischen 1967 und 1975 eine maritime Gemeinschaft mit vier Schiffen unter dem Namen Sea Organization (Sea Org) bildeten. Diese Leute verbrachten die meiste Zeit auf hoher See und liefen Häfen auf der ganzen Welt nur an, um aufzutanken und Nachschub zu beschaffen.

Sea City of the Future Grafik

Sea City of the Future
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In dem im Januar 1984 erschienenen Buch The future world of agriculture von Wendy B. Murphy beschreibt Walt Disney, wie er die zukünftige Welt der Landwirtschaft sieht: „Roboter pflegen Pflanzen, die auf schwimmenden Plattformen rund um eine Meeresstadt der Zukunft wachsen. Das Wasser aus dem Ozean verdunstet, steigt zum Boden der Plattformen auf und ernährt die Pflanzen.“

Das Buch aus dem EPCOT Center der Walt Disney World enthält Fotos und Texte, die die Geschichte der Landwirtschaft und deren mögliche Zukunft beschreiben, einschließlich der Experimente von Disney mit Hydrokulturen, Rotationstrommeln, Zwischenpflanzungen und anderen fortschrittlichen Methoden, sowie des Anbaus von Lebensmitteln für die Restaurants im EPCOT Center selbst.


Fast völlig unbekannt ist, daß im März 1988 das John Brewer Floating Hotel (o. Barrier Reef Floating Resort) eröffnet wird, das auf eine Idee des aus Italien stammenden australischen Bauunternehmers Doug Tarka (o. Tarca) und seines Sohnes Peter zurückgeht. Es ist kaum nachvollziehbar, warum so gut wie niemand von diesem imposanten schwimmenden Bauprojekt etwas weiß, das eine der frühesten praktischen Umsetzungen eines maritimen Habitats darstellt und zumindest in Australien eine Art Kultstatus erreicht haben soll.

Tarka betrachtet das Great Barrier Reef als seine größte Leidenschaft. Er ist Hobby-Taucher, macht Ausstellungen wie ‚Korallengärten‘ und transportiert Menschen zum Riff. Später organisiert er Unterwasserreisen in einem gelben, selbst entworfenen U-Boot. Und schließlich gelingt es ihm, Investoren für sein ehrgeiziges Projekt zum Bau eines Hotels direkt am Großen Riff zu begeistern.

Das schwimmende Hotel wird in Singapur gebaut wobei aus Zeitungsausschnitten und Archivberichten hervorgeht, daß sich der Bau verzögert, schließlich etwa drei Jahre dauert und 21 Mio. $ kostet. Im Sommer 1987 / 1988 wird Hotel innerhalb von sechs Monaten über mehr als 5.000 km bis zum Great Barrier Reef geschleppt, wo es etwa 70 km vor der Küste von Townsville in Queensland vor Anker geht. Da auch die kanadische Luxushotel-Kette Four Seasons in das Projekt investiert hatte, gibt es zur Eröffnung eine Menge Aufheben und viel Marketingunterstützung in den Medien.

Das siebenstöckige Gebäude verfügt auf den fünf Etagen, die für Wohnzwecke vorgesehen sind, über 140 Doppelzimmer und 34 Luxusappartements, in denen insgesamt 356 Gäste untergebracht werden können. In separaten Räumen in den beiden unteren Etagen sind außerdem 98 Mitarbeiter untergebracht. Darüber hinaus gibt es einen Nachtclub, Bars, Restaurants, einen Konferenzraum, eine Sauna mit Schwimmbad, ein Theater für 100 Personen, einen Hubschrauberlandeplatz, ein Bootsparkplatz und sogar einen schwimmenden Tennisplatz.

John Brewer Floating Hotel

John Brewer
Floating Hotel

Das Gebäude ist 89,2 m lang und 27,6 m hoch, kann aber nicht von selbst gesteuert werden, eigene Motoren waren in der Planung nicht vorgesehen. In den Medien hat es daher einen eigenen Spitznamen: Floatation oder Floatel von englisch float (schwimmen, treiben) und hotel. Eine Standortveränderung funktioniert nur, indem das Hotel von einem starken Schiff geschleppt wird.

Weitere Informationen über die technischen Grundlagen sind – zumindest im Netz – leider nicht auffindbar. Es ist nur zu erfahren, daß es an Bord neben Generatoren und einem großen Klimatisierungssystem auch Ausrüstungen für die Abwasserbehandlung gibt, eine Müllverbrennungsanlage sowie eine Entsalzungsanlage, die bis zu 152 Tonnen Trinkwasser pro Tag produzieren kann.

Bevor das schwimmende Hotel eröffnet, wird es noch von einem Zyklon heimgesucht. Überraschenderweise bleibt die Hauptstruktur weitgehend unversehrt – nur der Pool wird erheblich beschädigt.

Das Hotel wird ein Jahr lang als Four Seasons Barrier Reef Resort betrieben, doch das Unternehmen hinter dem Projekt, die Barrier Reef Holdings Ltd., gerät bald in finanzielle Schwierigkeiten, woraufhin das Unternehmen, um die Verluste zu decken, das Hotel an eine japanische Firma verkauft, die es 1989 nach Vietnam transportiert, eine weitere Reise von mehr als 5.000 km. Am Zielort wird das Gebäude wurde im vietnamesischen Stil umgebaut und mit einem neuen, schicken Pool versehen.

Ende des Jahres erscheint eine Veröffentlichung des Centre for Coastal Management der Southern Cross University in Lismore, New South Wales, mit dem Titel ‚The John Brewer Reef Floating Hotel: A Case-Study in Marine Environmental Monitoring‘, die im Netz einsehbar ist.

Bis 1997 liegt das nun Saigon Floating Hotel (o. Floating Hotel Saigon) genannte schwimmende Bauwerk im Saigon-Fluß in der Nähe der Tran Hung Dao-Statue in Ho-Chi-Minh-Stadt vor Anker. Umgangssprachlich als The Floater bekannt, ist es ein beliebter Nachtclub, gerät trotzdem aber erneut in finanzielle Schwierigkeiten und kann die Kosten für die technische Unterstützung nicht wieder hereinholen.

Das Hotel wird schließlich von Nordkorea gekauft und in die 1998 eröffnete Touristenregion Mount Kumgang an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea verlegt. Touren in das Resort Haegumgang, (o. Hegyumgang Hotel), wie es jetzt heißt, werden im Jahr 2008 ausgesetzt, nachdem eine südkoreanische Frau von einem nordkoreanischen Soldaten erschossen wurde, weil sie in einen gesperrten Bereich eingedrungen war. Das Gebäude wird sich selbst überlassen und soll eigentlich abgerissen werden, doch im Jahr 2018 vereinbaren der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un und der südkoreanische Präsident Moon Jae-in die Wiedereröffnung des Resorts im Hafen von Kumgang.

Als Jong-un die Anlage im Oktober 2019 besucht, ist er allerdings erschüttert, wie architektonisch rückständig und äußerst schäbig das nicht gepflegte schwimmende Hotel inzwischen wirkt, das in den vergangenen 30 Jahren mindestens 14.000 km zurückgelegt hat. Im Januar 2020 erklärt die nordkoreanische Regierung, daß die Sanierung des Gebäudes aufgrund der Korona-Einschränkungen bis auf weiteres verschoben ist.


Der Unternehmer, Energieinnovator und Futurist Marshall Thomas Savage erörtert in seinem 1992 erschienenen Buch The Millennial Project: Colonizing the Galaxy in Eight Easy Steps den Bau von verankerten künstlichen Inseln bzw. Arkologien in den tropischen Ozeanen – als erster Schritt, um zu lernen, wie man Kolonien im Weltraum aufbauen oder ‚züchten‘. Dabei schlägt Savage eine Methode vor, die der von lebenden Korallen ähnlich ist, und die von Prof. Wolf Hartmut Hilbertz entwickelt und in seinem Konzept der Cybertecture auch angewendet wurde (‚Mineralisches Akkretionsverfahren zum Bau von Strukturen im Meer‘).


Freedom Cove

Ab 1992 erfüllen sich der Bildhauer Wayne Adams und die ehemalige Ballerina Catherine King den Traum eines Lebens auf einer einzigartigen schwimmenden Insel. Ihr heimisches Paradies namens Freedom Cove in der Nähe von Tofino, einem Ort an der Westküste von Vancouver Island in British Columbia, Kanada, ist unabhängig von Stromanbietern und Supermärkten, denn die Insel ist komplett autark und liefert auch Nahrung und alles was zum Leben benötigt wird. Darunter auch ein massives Bleibe mit Schlaf- und Wohnzimmer sowie Küche und Ofen.

Inzwischen besteht das in jahrzehntelanger liebevoller Handarbeit erschaffene ‚Lakestead‘ aus zwölf Plattformen, die unter anderem fünf Gewächshäuser, einen kleinen Leuchtturm, der gleichzeitig als Dusche dient, eine Kunstgalerie und sogar ein Tanzstudio tragen. Die beiden Bewohner bauen Früchte und Gemüse an, fangen Regenwasser auf und besorgen sich zusätzliches Trinkwasser von einem in der Nähe befindlichen Wasserfall. Das schwimmende Eigenheim wird darüber hinaus durch Sonnenstrom betrieben, wobei die installierte Solar-Anlage genügend Energie liefert, um sich das ganze Jahr über selbst versorgen zu können.

Mittlerweile haben Catherine und Wayne zwei Kinder, die das ganze Jahr über mit ihren Eltern auf der Insel leben. Das Paar probiert im Laufe der Zeit auch aus, ein paar Hühner zu halten, die aber wieder abgeschafft werden, weil das Geflügel vermehrt Ratten und auch Raubtiere anlockt.


Um in Kontext zu bleiben, soll hier gleich die Geschichte des aus Middlesbrough stammenden Briten Richart ‚Rishi‘ Sowa (o. Reishee) erzählt werden, der im Jahr 1997 vor Zipolite, einer kleinen Siedlung an der Westküste Mexikos, in einer Lagune eine künstliche schwimmende Insel namens Spiral Island angelegt, indem er unter einer 3 m breiten Schale aus Pappmaché Einwegflaschen befestigt, die ihr den nötigen Auftrieb verleihen. Darauf errichtet der Musiker, Künstler und Zimmermann eine Hütte aus Ästen. Vier Monate später wird die Konstruktion allerdings von dem Wirbelsturm Pauline zerstört.

1998 beginnt Sowa mit einem größeren Projekt, diesmal an der Ostküste von Mexiko, einen Kilometer südlich von Puerto Aventuras auf der Halbinsel Yucatán. In vierjähriger Arbeit konstruiert er eine 16 x 20 m große, ebenfalls Spiral Island genannte Insel aus Bambusrohren und Holzplatten, auf der er ein zweistöckiges Haus mit einen Solarherd und einer Kompost-Toilette errichtet – und verschiedene Pflanzen wie Mangroven anpflanzt. Diesmal wird die Insel durch den Hurrikan Emily im Juli 2005 zerstört.

Joysxee Island

Joysxee Island

Nachdem Sowa finanzielle Unterstützung vom Leiter eines lokalen Ökologischen Parks und weiteren Investoren bekommt, startet er 2007 mit dem Bau der dritten Version seiner Insel, die er nun Joysxee Island nennt. Da sie mit 20 m Durchmesser groß genug ist, kann er darauf ein dreigeschossiges Gebäude mit Solaranlage errichten, einen solarbetriebenen Wasserfall mit einem Bachlauf sowie drei Strände.

Daneben gibt es drei Duschen, einen Pool als Badewanne, einen Whirlpool und eine Trockenkompost-Toilette. Regenwasser wird mit einem aus Muscheln konstruierten Trichtersystem aufgefangen, und gewaschen wird mit einer eine wellenbetriebenen Waschmaschine. Mit Sand beschichtet wiegt die Konstruktion etwa 60 Tonnen, weshalb für den Auftrieb rund 100.000 mit Netzen zusammengehaltene Plastikflaschen erforderlich sind. Zur Insel gehört auch ein Art Fähre aus Wasserflaschen, die bis zu acht Personen zur Insel oder zurück aufs Festland befördern kann.

Sowa verbessert und erweitert seine Insel ständig, wobei er auch von Freiwilligen unterstützt wird, bis sie einen Durchmesser von 25 m erreicht – und natürlich auch mehr Plastikflaschen benötigt. Ab August 2008 bietet er Führungen über die Insel an, und im Mai 2011 beginnt er, seine Insel in eine Lagune der Insel Isla de Mujeres nördlich von Cancún zu verlegen, da sie für ihren damaligen Standort an einem Pier in der Laguna Majax zu groß geworden war.

Im Jahr 2014 zieht seine neue Lebensgefährtin Jodi Bowlin zu ihm auf die Insel. Was man symbolisch so verstehen kann, daß sein ‚Nestbau‘ letztlich erfolgreich war. Inzwischen befindet sich die Insel jedoch nicht mehr in der Lagune und soll 2016 geschlossen worden sein.


Im Jahr 1995 erscheint das Seasteading in seinen verschiedenen Ausprägungen in dem SF-Film Waterworld von Kevin Costner, wie auch zwischen 1993 und 1996 in der Fernsehserie SeaQuest DSV bzw. SeaQuest 2032 – oder ab 2004 in der Fernsehserie Stargate Atlantis, in der es ebenfalls eine komplette schwimmende Stadt gibt. Ebensolche sind auch häufig Schauplätze in Videospielen, wie der BioShock-Reihe u.v.a., ebenso wie sie gerne in Animes auftauchen, z.B. in Gargantia on the Verdurous Planet, der hauptsächlich auf einer seefahrenden Stadt spielt, die aus einer Flotte von miteinander verbundenen Ozeanschiffen besteht.

Nicht zu vergessen ist die Zeichentrickserie Oiski! Poiski! - Neues von Noahs Insel (Noah’s Island), die von 1997 bis 1999 läuft und von einer im Meer treibenden Insel handelt, die unter Führung des Eisbären Noah Kurs auf einen mythischen Ort nimmt, an dem die mitreisenden Tiere alle friedlich zusammenleben wollen. Und auch in dem SF-Roman The Scar des phantastischen britischen Autors China Tom Miéville aus dem Jahr 2003 kommt eine schwimmende Stadt namens Armada vor, die sich aus historischen Schiffen zusammensetzt (in Deutsch in zwei Teilen veröffentlicht als Die Narbe und Leviathan).

Mega-Float-Design Grafik

Mega-Float-Design
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Die oben erwähnte Sonderform maritimer Habitate, nämlich ein schwimmender Flughafen, wird ab dem Jahr 1998 real, als das Ministerium für Land, Infrastruktur und Verkehr in Japan den Bau des Mega-Float (o. Megafloat) fördert, einer 1.000 Meter langen schwimmenden Prototyp-Landebahn in der Bucht von Tokio. Sie ist in erster Linie als Versuchsträger zur Erforschung der Belastungen und Reaktionen solcher Anlagen gedacht.

Im Vorfeld war 1995 die Technological Research Association of Megafloat (TRAM) gegründet worden, um die Idee weiterzuentwickeln, die ihren Ursprung in den 1970er Jahren hatte. Die Ingenieure stützen sich außerdem auf die Erfahrungen der Expo ’75, deren Herzstück eine schwimmende Meeresstadt namens Aquapolis war, die der japanische Architekt Kiyonori Kikutake entworfen hatte. Sie war ein Prototyp für Meeresgemeinschaften und sollte zeigen, wie Menschen harmonisch auf dem Ozean leben können.

Die riesige Stahlkonstruktion, die auf dem Wasser schwimmt, ist 32 m hoch und hat ein 100 m2 großes Deck, so daß sie wie eine abgeflachte Öl-Plattform aussieht. Sie wird von der japanischen Regierung finanziert und kostet 13 Milliarden Yen. Die Anlage wird in einer Werft in Hiroshima gebaut und dann zum Expo-Gelände geschleppt. Im Laufe von sechs Monaten vom Juli 1975 bis zum Januar 1976 wird die schwimmende Stadt 14 Mal von Taifunen heimgesucht. Dennoch ist sie zu 95 % der Zeit für Besucher geöffnet und verzeichnet 3,5 Millionen Besucher.

Das Ergebnis der Arbeiten der TRAM ist schließlich der Entwurf einer 4.000 m lange Start- und Landebahn, die allerdings nur in der o.g. verkürzten Form realisiert wird. Nachdem mehrere reale Flugzeuglandungen durchgeführt werden, kommt das Ministerium zu dem Schluß, daß die hydroelastische Reaktion der schwimmenden Landebahn den Flugbetrieb nicht beeinträchtigt, auch nicht den präzisen Instrumentenanflug in einer geschützten Wasserstraße wie einer großen Bucht. Es wird kein merklicher Unterschied zu landgestützten Flughäfen festgestellt.

Mega-Float im Bau

Mega-Float (im Bau)

Die Struktur wird 1998 wieder abgebaut und durch ein Studienprojekt ersetzt, um genauere Informationen über eine geplante schwimmende Start- und Landebahn auf dem internationalen Flughafen Kansai zu erhalten. Diese wird dann jedoch nicht gebaut, stattdessen eine künstliche Insel zur Stützung der Landebahn errichtet. Die während der Laufzeit des Projekts gewonnenen Informationen und Erfahrungen führen jedoch zu weiteren Plänen für den Bau schwimmender Flughäfen. So wird für die Stadt Yokosuka in der Präfektur Kanagawa ein Mega-Float gleicher Größe wie die im Hafen von Tokio getestete Struktur geplant.

Ähnliche Pläne gibt es später auch woanders. So wird als Mittel zum Bau eines neuen schwimmenden Flughafens für San Diego im Pazifischen Ozean, etwa 5 km von der Spitze von Point Loma entfernt, eine pneumatisch stabilisierte Plattform vorgeschlagen, die im Oktober 2003 aufgrund der sehr hohen Kosten und diverser weiterer Bedenken aber wieder verworfen wird.

Eine anteilige Realisation vollzieht sich ab dem Juni 2014, als der Bau des Achmad Yani International Airport in Semarang beginnt, der Hauptstadt der Provinz Jawa Tengah in Indonesien. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber nicht um einen ganzen schwimmenden  Flughafen, denn nur das Passagierterminal und das Vorfeld sind schwimmend ausgeführt. Das schwimmende Terminal wird im Juni 2018 vom indonesischen Präsidenten Joko Widodo persönlich eröffnet.


Ein potentielles Objekt für das Seasteading ist das schwimmende Zimmer der dänischen Künstlergruppe N55, die das kostengünstige Snail Shell System (SSS), das zu Land und zu Wasser bewegt werden kann, im Jahr 2001 kreiert – allerdings mehr als Kunstobjekt. Es würde einer Person ermöglichen, an so gut wie jeden gewünschten Ort zu Land oder zu Wasser zu leben bzw. zu überleben.

Das SSS besteht aus einem zylindrischen Polyethylentank, der wegen seines ungiftigen Materials, seines geringen Gewichts und seiner Rollfähigkeit ausgewählt wurde. An dem Tank sind verschiedene Vorrichtungen angebracht, wie abnehmbare Raupenketten aus Gummi, die den Tank während des Transports schützen, ein kleines und ein größeres Loch an einer der flachen Seiten, die als Lufteinlass bzw. -ausgang dienen. Und ein ebenfalls abnehmbarer Deckel deckt den Eingang ab, der, wenn er halb geöffnet ist, ebenfalls Luft zuführt und gleichzeitig den Regen abhält.

Drei an der Oberfläche befestigte Ösen dienen als Punkte, an denen das Gerät auf dem Wasser oder bei starkem Wind festgemacht werden kann. Ein Paddel sowie eine Handlenzpumpe sind am Gerät angebracht. Die Pumpe kann für die Zufuhr von Frischwasser oder zum Entfernen von Wasser oder anderen Flüssigkeiten verwendet werden, funktioniert aber auch als Staubsauger.

Auch langsam bewegen kann das kostengünstige System nur eine Person, indem sie es entweder wie ein Rad schiebt, oder darin oder darauf läuft. Auf dem Wasser kann es gerudert, von einem Drachen bewegt oder an ein Schiff, z. B. eine Fähre, angehängt werden.


Der italienische Architekt Giancarlo Zema, der sich schon früh auf schwimmende Objekte spezialisiert, die zudem einen ökologischen Beitrag leisten, hat einen sehr futuristischen Stil, der gleichzeitig stark in die Natur eingebettet ist. Er beginnt im Jahr 2001 neue Wohnformen auf dem Wasser zu schaffen. Zu seinen ‚Meereskreaturen‘ im Bereich der Architektur gehören eine innovative Öko-Yacht mit Unterwasser-Visionarium und Wasserstoff/Brennstoffzellen-Motoren, die den Namen Trilobis erhält. Ich habe sie bereits im Kapitelteil der Elektro- und Solarschiffe vorgestellt.

Schon 2002 entwirft Zema mit seinem Architekturbüro Giancarlo Zema Design Group (GZDG) das erste schwimmende Haus, das ebenfalls einen Unterwasser-Beobachtungsraum besitzt. Mit vier Ebenen, die durch eine Wendeltreppe verbunden sind, und mit Platz für sechs Personen ist das Jelly-Fish 45 (o. Jelly-Fish Floating Home) genannte Konstrukt ein perfektes Beispiel dafür, wie eine neue Art des Wohnens auf dem Wasser aussehen kann.

Die schwimmende Wohnung ist 9 m hoch und hat einen Durchmesser von 15 m. Zu den Wohnbereichen über und unter Wasser gehören ein Arbeitszimmer auf der oberen Ebene, ein Tagesdeck mit Küche und Badezimmern, ein halb untergetauchtes Gästezimmer und eine Unterwasser-Beobachtungskugel, die sich 3 m unter dem Meeresspiegel befindet – und besonders für das Leben in Meeresparks, Atollen, Buchten und Meeren mit reicher Flora und Fauna geeignet ist.

Die Struktur besteht aus einem Rumpf aus Stahl und einem Aufbau aus Aluminium und glasfaserverstärktem Kunststoff, während die Unterwasserkugel aus hochfestem Polycarbonat gefertigt ist. Die Form selbst ist das Ergebnis der Beobachtung von Quallen mit ihren leichten Schwimmkörpern.

Das Projekt erscheint im Jahr 2006 wieder als Teil eines Luxus-Hotelresorts namens Amphibious 1000, das im Auftrag der Firma Seaquest Marine Technology bis 2030 für 500 Mio. $ an einem geschützten Meeresgebiet vor der Küste von Katar errichtet werden soll. Den Plänen zufolge wird das Resort Wohngebäude, Büros, Freizeitbereiche, einen Jachthafen, schwimmende Stege und Unterwassergalerien umfassen. Im Meeresbereich befinden sich zudem vier innovative, halbtauchende Hotels mit Unterwassersälen, die den Gästen faszinierende Ausblicke bieten.

Das Wesentliche sind jedoch die 80 schwimmenden, mobilen Jelly-fish-Suiten, die an kleineren schwimmenden Plattformen verankert sind und als Miniatur-Privathotels fungieren. Dank elektrischer Motoren kann man sich in diesen schwimmenden Behausungen, die vom dem kanadischen Unterwasserfahrzeugspezialisten UVI gefertigt werden sollen, überallhin bewegen. Zema nimmt damit ein Konzept vorweg, das uns im Verlauf dieser Chronologie noch häufiger begegnen wird. Realisieren konnte er seine Pläne bislang aber nicht. Erfolgreich umsetzen kann er erst 2015 seine schwimmende Wohnung WaterNest100 (s.u.).

Näckros Villa

Näckros Villa


Eines der ersten existierenden maritimen Habitate, die über die üblichen Dimensionen und Formen von Hausbooten hinausgehen, ist die schwimmende Näckros Villa im schwedischen Kalmar, die im Jahr 2003 bezogen wird. Die Firma Modern Marine Homes ist im Vorjahr mit der Vision eines kompromißlosen Lebens am Wasser gegründet worden und hat innerhalb von zwölf Monaten das erste Musterhaus in Varvsholmen zu Wasser gelassen.

Die aktuelle und jetzt erhältliche Version ist eine schwimmende mehrstöckige Villa mit einen außen isolierten Betonrumpf, die vom schwedischen Architekten Staffan Strindberg entworfen wurde. Die 12 x 12 m große Villa hat sechs Zimmer und eine Küche, 178 m2 Wohnfläche, 30 m2 Terrasse und 74 m2 Fenster. Der Grundriß konzentriert sich auf die Öffnung des Hauses zum Wasser hin. Das Wohnzimmer liegt so nah wie möglich am Wasser, und die Schlafräume sind so positioniert, daß man auf gleicher Höhe mit dem umgebenden Wasser schlafen geht. Die Küche ist Teil des offenen Bereichs, der das Wohnzimmer und die Terrasse umfaßt.

Auf dem Dach befindet sich zudem ein 100 m2 großer Garten mit einer zusätzlichen Kücheneinrichtung. Geheizt wird mit einer Wärmepumpe, die dem umgebenden Wasser ein paar Grad entnimmt und die Wärme an die Böden im Haus abgibt, dazu gibt es eine Abluft-Wärmerückgewinnung. Die Villa macht Eindruck – und im Jahr 2004 erstellt Strindberg in Zusammenarbeit mit der Stadt Kalmar Schwedens ersten städtischen Entwicklungsplan für schwimmendes Wohnen.


Ein Design, das bislang noch nicht umgesetzt worden ist, wird von Marcin Panpuch im Juli 2004 auf der Ausstellung Future House London des Royal Institute of British Architects (RIBA) vorgestellt, die sich mit innovativen Wohnkonzepten für bestehende Londoner Standorte befaßt.

Bei Panpuchs Hausentwurf handelt es sich um eine leicht umsetzbare Wohnkugel, die entweder auf einem Wassergrundstück schwimmen oder mit einem Kran angehoben und an einem Turm neben anderen solchen Kugeln befestigt werden kann. Der Zweck der Kugelform besteht darin, die Oberfläche des Hauses zu minimieren und dadurch die Wärmeverluste zu verringern.

Innerhalb der durchsichtigen, kugelförmigen Schalen gibt es drei Ebenen: oben die Wohnbereiche, in der Mitte die Arbeits- und Schlafbereiche und unten der Service- und Lagerbereich. Darüber hinaus befinden sich im zentralen Kern des Hauses die Treppe, die Küche, das Bad und die Toilette. Dieser Kern beinhaltet auch die Kanäle, Kabel und Rohre.

Durch Photovoltaik-Zellen ist das mobile Haus energieautark, Batterien zur Speicherung des Solarstroms befinden sich im unteren Bereich. Außerdem wird der Wassertank des Hauses auch zur Speicherung der tagsüber gesammelten Wärme genutzt, die nachts ins Haus abgegeben wird.

Floating House Lake Huron Strukturmodell

Floating House Lake Huron
(Strukturmodell)


Aus dem Jahr 2005 stammt das Floating House Lake Huron in Ontario, das versteckt in den Großen Seen liegt und auf Stahlpontons ruht, so daß es sich mit dem von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr drastisch schwankenden Wasserstand des Huron-Sees heben und senken kann. Das Haus wird außerhalb des Geländes gebaut und legt etwa 50 Meilen zurück, bevor es seinen Ankerplatz auf der abgelegenen Insel erreicht. Diese ist auch das Motiv für die besondere Konstruktion, denn die Anwendung traditioneller Bauverfahren wäre unerschwinglich teuer gewesen.

Das schwimmende Ein-Zimmer-Haus von MOS Architects ist mit seinen klaren Linien und einer natürlichen Farbpalette von der Umgebung inspiriert. Im Inneren öffnen helle weiße Wände und riesige Fenster den 92 m2 großen Einzelraum im Erdgeschoß, während Zedernholz-Regenjalousien an der Fassade sowohl Form als auch Funktion bieten. Über irgendwelche energetischen Besonderheiten ist nichts zu erfahren.


Im Jahr 2005 patentiert die Firma CLEMENT GERMANY GMBH aus Rostock eine eigenentwickelte Betonbauweise, die große schwimmende Betonstrukturen zusammengefügt und zu einer starren Einheit werden läßt. Das Unternehmen hatte in der Jahren davor mehrere Designs veröffentlicht, darunter ein Unterwasser-Restaurant, eine schwimmende Solarinsel, ein schwimmender Marinestützpunkt und ein schwimmendes Stadion (2000).

Daneben werden aber auch verschiedene Projekte realisiert, wie eine Schwimmsteganlage mit wellenbrechener Funktion auf dem Cospudener See (2000) eine Wasserskianlage mit einer 10 x 20 m großen schwimmenden Plattform im Stadtpark Norderstedt, Hamburg oder verschiedene schwimmende Tankstellen in Köln und Duisburg, wobei letztere eine integrierte schwimmende Plattform von 20 x 40 m für das Hafenmeisterhaus und einen großen Sanitäranlagenbereich umfaßt (2002).

Anspruchsvoll ist ein 2002 – 2003 umgesetztes Projekt für die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) in Rostock, wo das Unternehmen drei schwimmende Gärten aus insgesamt 90 Einzelpontons und mit einer Gesamtgrundfläche von 4.200 m2 zu Wasser läßt, die im Zuge der Ausstellung von mehr als 3 Mio. Besuchern betreten werden. Im gleichen Jahr wird im Duisburger Innenhafen eine schwimmende Gastronomie mit Biergarten installiert, die Platz für 180 Personen bietet.

VINETA

VINETA

Zu den Projekten der Folgejahren gehören eine schwimmende Sauna auf dem Silbersee in Frielendorf bei Kassel, eine schwimmende Tauchschule in Goch / Kessel, sowie eine schwimmende Brücke mit zwei dreispurigen Fahrbahnen in Dubai, die auf beiden Seiten auch noch Gehwege für Fußgänger und Radfahrer aufweist – was die Bewohner des Emirats sicherlich sehr verwundert, da sie diese Formen der Fortbewegung kaum kennen (alle 2008).

Im Jahr 2010 folgt eine 350 Tonnen schwere und 15 m hohe solarbetriebene schwimmende Kirche auf dem Störmthaler See bei Leipzig, die auf einen 15 x 20 m großen Stahlbetonponton sitzt und als beliebte Hochzeitslocation genutzt wird. Initiatorin ist die Künstlerin Ute Hartwig-Schulz.

Das nach zwölf Jahren der Planung und Vorbereitung im Rahmen der Initiative ‚Kunst statt Kohle‘ realisierte Kunstprojekt VINETA symbolisiert die verlorene Magdeborner Kirche und ist ein Mahnmal für die Orte, die dem Espenhainer Braunkohletagebau weichen mußten, aus dem der heutige Störmthaler See und der  Markkleeberger See entstanden sind. Das 1,11 Mio. € teure Projekt wird von der Gemeinde Großpösna und der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau Verwaltungsgesellschaft (LMBV) getragen.

In Kooperation mit der Fertighaus-Firma Weberhaus entstehen 2014 zwei schwimmende Häuser, die im Wieker Hafen integriert sind, gefolgt von einem Großprojekt bis 2019, bei dem in Zusammenarbeit mit der Firma HELMA Ferienimmobilien im Ostseeresort Olpenitz 60 schwimmende Häuser mit jeweils eigener Yachtanlegestelle errichtet werden.


Die Idee eines kleinen schwimmenden Hotels auf dem Meer wird im Jahr 2006 von dem Büro Sabbagh Arquitectos aus Chile verfolgt, das gemeinsam mit der Schiffswerft Sitecna in Puerto Montt eine entsprechende Konstruktion errichtet, die auf den Gewässern von Aysen in der Region XI in Chile schwebt. Dabei handelt es sich um ein Hotel des Unternehmens Multiexport Foods, dem fünftgrößten Lachsunternehmen der Welt.

Das aus mehreren Einzelsegmenten von jeweils 400 m2 bestehendes Hotel wird von schwimmenden Betonblöcken getragen, auf denen rechteckige Stahlbetonflächen von 14 x 9 m sitzen, wobei die Bewehrungsstäbe von einer besonders dicken Schicht aus einem speziellen Material, Beton H30, umgeben werden, das eine höhere Festigkeit und geringere Porosität als andere Betonsorten hat und den Durchgang von Salzwasser und somit die Korrosion verhindert.

Die Struktur ist so konzipiert, daß sie Windgeschwindigkeiten von 180 km/h standhalten kann. Das das Büro von Juan Sabbagh entwirft daneben auch noch Hausboote sowie eine Vielzahl privater und öffentlicher Standardbauwerke.

Waterscraper Grafik

Waterscraper
(Grafik)


Eines der ersten Designs für bewohnbare, schwimmende Inseln mit touristischer Zielsetzung stammt von dem in London lebenden, deutschen Architekten Mathias Koester. Der Waterscraper erhält beim eVolo Skyscraper Wettbewerb im Jahr 2007 eine lobende Erwähnung.

Bei diesem Entwurf eines Unterwasser-Hochhauses wird das Energiethema noch nicht behandelt – ganz im Gegensatz zu den Designs der folgenden Jahre, bei denen dieses Thema immer wichtiger wird. Denn die Idee, Solarinseln gleich noch zu bewohnen, oder umgekehrt, schwimmende Wohninseln mit erneuerbaren Energiequellen zu versorgen, gewinnt zunehmend Freunde.


Das Konzept der schwimmenden Inseln rückt erneut ins Rampenlicht, als der in Monaco ansässige Schiffbauer Wally Yachts im März 2008 eine Megayacht mit dem Namen Wally Island vorstellt. Da diese Konstruktion weit über das Design der üblichen Schiffe hinausgeht, soll sie hier auch erwähnt werden. Die Yacht wird in verschiedenen Varianten angeboten – wobei es im vorliegenden Fall um eine Version geht, die tatsächlich wie eine kleine Insel aussieht, zumindest auf dem Oberdeck.

Mit einer Länge von eine 99 m stellt die Wally Island die meisten anderen Luxus-Megayachten in den Schatten. Sie kann als Heim, Unterhaltungsraum oder sogar als mobiler Showroom genutzt werden. Was allerdings seinen Preis hat: im vorliegenden Fall schätzungsweise 200 Mio. $.

Einige Kommentare meinen, daß die Yacht eher wie ein Tanker aussieht, was an der riesigen Fläche des Hauptdecks von 1.000 m2 auf liegt und an der Tatsache, daß sie nur drei Oberdecks hat und nicht die für andere Schiffe typischen mehrstöckigen Anlagen. Dafür bietet die Wally Island mehr Platz für Unterhaltungszwecke, einen großen, tiefen Swimmingpool und einen großen Garten.

Das Hauptdeck der WallyIsland kann, Gartenflächen, Tennis- oder Minifußballplätze sowie die erforderlichen Hubschrauberlandeplätze umfassen. Es gibt neben der üblichen Innenausstattung Schlafräume für bis zu 40 Besatzungsmitglieder und 24 Gäste sowie extravagante Eigner-Suiten. Und auf dem Achterdeck finden mehrere kleine Yachten und Wassersportgeräte Platz. Zwar wird die Insel-Yacht von zwei elektrischen Motoren angetrieben, diese werden aber von vier konventionellen Brennstoff-Generatoren versorgt. Auch sonst scheinen keinerlei alternative Energiesysteme eingeplant zu sein.


Im April 2008 gründen Patri Friedman, ein Enkel des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Milton Friedman, und Wayne Gramlich das gemeinnützige The Seasteading Institute (TSI). Die in Sunnyvale, Kalifornien, beheimatete Organisation hat das Ziel, experimentelle Ozean-bewohnende Gemeinschaften mit unterschiedlichen sozialen, politischen und juristischen Systemen zu gründen, die sich komplett selbst mit Energie versorgen und auch politisch unabhängig vom Festland sind.

Design des TSI Grafik

Design des TSI (Grafik)

Friedman war auf einen Artikel von Gramlich aus dem Jahre 1998 aufmerksam geworden, der unter dem Titel SeaSteading - Homesteading the High Seas eine erschwingliche Besiedlung der Ozeane erläutert. Er ist auch heute noch im Netz einsehbar. Die beiden beginnen zusammenzuarbeiten und veröffentlichen im Jahre 2001 ihren ersten gemeinsamen Plan im Internet, der alle erdenklichen Aspekte des Seasteadings behandelt, von der Abfallbeseitigung bis zur Ausflaggung.

2002 erscheint ein Buch von Friedman und Gramlich mit dem Titel Seasteading: A Practical Guide to Homesteading the High Seas, das es in der Version vom Juli 2009 auch Online gibt. Ein eigenes Kapitel betrifft die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten, solche schwimmenden Habitate mit Energie zu versorgen. Das Projekt wird im Jahr 2008 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als es eine Förderung in Höhe von 500.000 $ durch den PayPal-Mitgründer und Facebook-Investor Peter Thiel erhält, der sich öffentlich für dessen Realisierung einsetzt und diese auch später weiter fördert.

Auch die erste Jahreskonferenz des Seasteading Institute wird im Oktober 2008 abgehalten, mit 45 Personen aus neuen Ländern. Eine zweite Konferenz findet im September 2009 in San Francisco statt, die dritte im Mai/Juni 2012, ebenfalls in San Francisco. Die Designs, die in dieser Zeit veröffentlicht werden, zeigen häufig interessante Details – wie die gedätischen Dome in der oberen Abbildung, oder in der unteren der Zeppelin NT, auf dem der einkopierte Schriftzug des TSI zu sehen ist.

Design des TSI Grafik

Design des TSI
(Grafik)

Im Januar 2009 läßt sich das Institut den Entwurf für eine ClubStead genannte Konstruktion patentieren, die in der Größe eines Wohnviertels Wohnraum für 200 Personen bietet. Der Entwurf ist vom Beratungsunternehmen Marine Innovation & Technologie hergestellt worden und stellt die erste größere Entwicklung der Seasteading-Bewegung in der Konstruktion dar.

Das TSI plant nun, zuerst einen kleinen Prototypen in der San Francisco Bay zu Wasser zu lassen, um anschließend eine existierende Offshore-Ölplattform umzubauen. Aus dieser soll ein 12.000 Tonnen schweres, aber manövrierfähiges Habitat für bis zu 270 Bewohner werden. Später sollen sich mehrere dieser See-Habitate zu Strukturen verbinden, die eine kleine Stadt bilden. Bis Ende 2010 sind die Finanzmittel zwar auf 1 Mio. $ angewachsen, über Umsetzungen ist jedoch noch immer nichts zu hören.

Im Jahr 2011 tritt Randy Hencken dem Seasteading Institute bei und startet umgehend eine kleine Kampagne, um den Begriff Seasteading in das Wörterbuch aufnehmen zu lassen. Dieser Traum wird im April 2017 wahr, als das Oxford English Dictionary – das umfangreichste Wörterbuch der Englischen Sprache – das Wort in seinen offiziellen Wortschatz aufnimmt. Ab 2011 hat das TSI zudem ein Botschafterprogramm, mit dem durch lokale, geprüfte Botschafter die Idee weltweit weiter verbreitet werden soll.

Darüber hinaus werden mehrere Wettbewerbe veranstaltet, wie der Sink or Swim Contest im Jahr 2011, bei dem es um das beste Seasteading-basierte Geschäftskonzept geht – oder der bisher noch nicht vergebene Poseidon Award für die Etablierung des ersten unabhängigen Seasteads. Ebenso wird ein erster Designwettbewerb ausgerichtet, bei dem der futuristische Designer András Győrfi mit seinem Entwurf Swimming City den ersten Platz belegt, ein schwimmendes Wunderland mit Dachgärten, zu dem man über landschaftlich gestaltete Spazierwege gelangt.

Nach dem Design-Wettbewerb wird auf indiegogo.com im Oktober 2013 eine Cworwdfunding-Kampagne gestartet, die ihr Finanzierungsziel von 20.000 $ erfolgreich um 135 % übertrifft, und schon im Dezember 2013 veröffentlicht das niederländische Aquatic-Design-Unternehmen DeltaSync*BV aus Delft einen im Netz einsehbaren, detaillierten Abschlußbericht unter dem Titel ‚Seasteading implementation plan‘, bei dem es um den ersten Teil der Umsetzungsphase geht.

Die DeltaSync war eingeladen worden, sich an der Phase I zu beteiligen und einen Konzeptentwurf und eine grobe Kostenkalkulation für das erste Seastead zu erstellen. Demnach würde eine Insel für ungefähr 300 Bewohner mit knapp 167 Mio. $ zu Buche schlagen. Das Design-Büro wählt für das Modell, welches komplett von Solarenergie betrieben wird, den Golf von Fonseca in Zentralamerika als geeigneten Standort. In Phase II gilt es, einen geeigneten Ort für die Pilot-Insel zu finden, weshalb im Jahr 2014 Wissenschaftler und Architekten an einen geheimen Ort gebracht werden um sich einen Überblick über die Gegebenheiten zu verschaffen und die Machbarkeit der ökologischen Hightech-Inseln zu eruieren.

Design des TSI Grafik

Design des TSI
(Grafik)

Die nächsten Meldungen erscheinen im Juli 2015, als das Seasteading Institute verlauten läßt, daß es bis 2020 eine schwimmende Insel für hunderte Menschen errichten will, die sich komplett selbst mit Energie versorgt. Mit dem The Floating City Project, wie es jetzt genannt wird, möchten die Visionäre ein politisch autonomes Gebiet schaffen, um alternative Regierungsformen auszuprobieren und neue Methoden der Energieversorgung und Landwirtschaft zu testen.

An dem Projekt beteiligt sich auch das Hightech-Startup Blue21 B.V. aus dem niederländischen Delft, dessen Gründer das Entwickler-Team ist, das gemeinsam mit dem Unternehmen DeltaSync 2013 bereits den schwimmenden Pavillon im Rijnhaven in Rotterdam gebaut hat. Über das aus drei Kuppeln bestehende Veranstaltungszentrum habe ich bereits ausführlich im Kapitelteil der geodätischen Dome berichtet (s.d.).

Mitte Juli 2017 baut das Maritime research institute Netherlands (MARIN) in dem 40 x 40 m großen Testbecken des Instituts in Wageningen, in dem Wind, Wellen und Strömungen maßstabsgetreu simuliert werden können, das 6 x 8 m große Modell einer schwimmenden Mega-Insel aus Holz und Styropor auf, das aus aus 87 schwimmenden Dreiecken besteht, die sich flexibel miteinander verbinden lassen. Im Original würden diese Dreiecke eine flexible Plattform bilden, die im Querschnitt 1 – 5 km groß sein kann.

Anhand des Modells sollen die Auswirkungen von Wind, Wellen und Stürmen simuliert werden, das das Institut hofft, dadurch mehr darüber zu erfahren, wie eine solche künstliche Insel am besten zu konstruieren ist und welche Verbindungen der Elemente bzw. Anbindungen an den Meeresboden sinnvoll sind.

Im November startet dann das Projekt Space@Sea, an dem sich auch auch die Blue21 beteiligt, und das durch das Programm Horizon 2020 der Europäischen Kommission finanziert wird. Bei dem Projekt wollen 17 europäische Partner durch die Entwicklung einer standardisierten und kosteneffizienten modularen Insel einen erschwinglichen Arbeitsbereich auf See mit geringen ökologischen Auswirkungen schaffen.

Im Vorgriff der Chronologie sei erwähnt, daß im Rahmen dieses Projekts am MARIN im Oktober 2020 weitere Beckenversuche durchgeführt werden, die diesmal wesentlich detaillierter gestaltet sind und auch die Entwicklung, Erzeugung, Speicherung und Wartung nachhaltiger Energie umfassen. Dabei wird in erster Linie an die Offshore-Windenergie, Gezeitenenergie, Wellenenergie und schwimmende Solaranlagen gedacht.

Space@Sea Beckenversuch

Space@Sea
(Beckenversuch)

Im Rahmen des Projekts werden vier Anwendungsbereiche untersucht: Landwirtschaft, Transport- und Logistikzentrum, Energiezentrum und Wohnen auf See. Dabei werden auch Gespräche mit den Regierungen verschiedener europäischer Länder geführt, um gemeinsam Empfehlungen für den zukünftigen Umgang mit schwimmenden Küstenstädten zu entwickeln.

Auf der Firmen-Hompage der blue21.nl stehen mehrere äußerst umfangreiche Berichte und Studien zum kostenlosen Download bereit.

Im Jahr 2018 ist die Blue21 dann Teil des niederländischen Konsortiums, das an der Entwicklung eines flexiblen Designs für schwimmende Solarpaneele auf Binnengewässern arbeitet (Innozowa), ebenso wie sie mit der Shimizu Corp. beim Projekt Green Float kooperiert (s.u.).

Bereits im Januar 2017 unterzeichnet das TSI im Rahmen der Phase III eine Absichtserklärung mit Französisch-Polynesien, um die erste halbautonome ‚Meereszone‘ für einen Prototyp zu schaffen, doch politische Veränderungen aufgrund der dortigen Präsidentschaftswahlen später im selben Jahr führen zu einer Verschiebung des Projekts auf unbestimmte Zeit. Französisch-Polynesien steigt offiziell aus dem Projekt aus und bricht im März 2018 die Beziehungen zu Seasteading endgültig ab.

Von Joe Quirk, Präsident des Seasteading Institute, erscheint im März 2017 ein gemeinsam mit Patri Friedman verfaßtes Buch mit dem langen und programmatischen Titel ‚Seasteading: How Floating Nations Will Restore the Environment, Enrich the Poor, Cure the Sick, and Liberate Humanity from Politicians‘ – und im Mai findet in Tahiti das erste viertägige Seasteading Gathering statt.

Der ‚Beginn des Zeitalters des Seasteadings‘ wird dem TSI zufolge im Februar 2019 eingeläutet, als die Firma Ocean Builders mit Sitz in der Linton Bay Marina in Panama eine technische und ökologische Meisterleistung vollbringt: Sie beweist 12 Seemeilen vor der Küste von Phuket in Thailand, daß ein Einfamilien-Seastead in internationalen Gewässern stabil schwimmen kann, und zwar für weniger als die Kosten eines durchschnittlichen amerikanischen Hauses. Das Seastead soll 5 m hohen Wellen standhalten.

Das Team rund um das Projekt hatte sich schon früh für Kryptowährung entschieden und konnte mit dem auf diese Weise erworbenen Reichtum rund 150.000 $ für das Projekt ausgegeben, das im Vergleich zu den bisherigen Plänen des TSI aber fast mikroskopisch klein ist. Das bescheidene Bewohnerpaar – der amerikanische Softwareentwickler Chad Elwartowski und seine thailändische Freundin Supranee Thepdet (o. Nadia Summergirl) – betrachtet ist das 6 m breite, zweistöckige Achteck aus Stahl mit einer Wohnfläche von etwa 25 m2 als groß genug.

Das ‚Tiny House‘, das sie in Anspielung auf das Buch The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy von Douglas Adams nach den römischen Ziffern XLII Exly nennen, sitzt auf einem 20 m langen und 2 m durchmessenden schwimmenden Holm, der am Boden mit Beton und Sand beschwert ist. Dies ermöglicht eine sehr geringe Bewegung durch die Wellen, da der Schwerpunkt tief unter der Wasserlinie liegt. Zudem zeigt sich sehr schnell, daß mit der Struktur ein enormer Durchbruch in Sachen Biodiversität erzielt wird.

Das Seasteading Institute ist nicht direkt an dieser Umsetzung beteiligt, abgesehen davon, daß Quirk in seiner Rolle als ‚Seavangelist‘ ihre Geschichte dokumentiert und verbreitet. Elwartowski und Summergirl hatten zuvor in Französisch-Polynesien gelebt, wo sie hofften, die erste Seastead bauen zu können. Als das Projekt gestoppt wird, ziehen sie nach Thailand, um es selbst zu machen.

Zwei Monate später behauptet die thailändische Marine allerdings, das Seastead sei eine Bedrohung der thailändischen Souveränität. Unter dem Vorwand, Exly befände sich immer noch innerhalb der 200 Meilen weiten ‚exklusiven Wirtschaftszone‘ Thailands, plant die Regierung, das Paar wegen Bedrohung der nationalen Souveränität anzuklagen, ein Verbrechen, das mit lebenslanger Haft oder dem Tod bestraft wird. Bevor die thailändische Marine das Paar jedoch festnehmen kann, erhält es einen Tip, kann entkommen und befindet sich seitdem auf der Flucht.

Seapod Grafik

Seapod
(Grafik)

Dessen ungeachtet entert die thailändische Marine das Seastead Mitte April und beginnt mit der Demontage des kleinen Bauwerks, das für kurze Zeit „ein Leuchtturm der individuellen Freiheit für die ganze Welt war“. Das Vorgehen Thailands schafft einen gefährlichen Präzedenzfall, denn wenn auch andere Regierungen dem thailändischen Beispiel folgen und gegen diejenigen vorgehen, die versuchen, ihr Leben in internationalen Gewässern friedlich zu gestalten, dann werden diejenigen, die sich nach Freiheit sehnen, noch weniger Möglichkeiten zu ihrer Entfaltung haben als jetzt schon.

Zwar ist das erste umgesetzte Seastead-Experiment damit gewaltsam abgebrochen worden, doch laut den Ocean Builders, einer Gruppe von ingenieurwissenschaftlich orientierten Unternehmern, die diese Strukturen bauen, sind die Konstruktionsspezifikationen für die erschwinglichen und ökologisch regenerativen Seasteads online verfügbar, so daß es jedem frei steht, diese Technologie selbst zu nutzen, um Seasteads jeder Größe zu bauen.

Ab 2019 will Ocean Builders nach eigenen Angaben mit Unterstützung von Regierungsvertretern in Panama erneut ein Seastead bauen. Außerdem wird der Architekt für schwimmende Strukturen, Koen Olthuis, mit dem Entwurf eines revolutionären Hauses beauftragt, das grundsätzlich dem Exly ähnelt, aber wesentlich moderner und durchdachter daherkommt. Die Designs der Version 2 namens Seapod sind auf der Homepage der Gruppe in aller Ausführlichkeit dargestellt, auch wenn bislang noch keine Verkäufe gemeldet werden (Stand: 2021).

Weitere aktuelle Projekte des Seasteading Institute heißen Atlas Island Project (Texas), Ventive Floathouse (Kalifornien), Freedom Haven (ungenannter Standort) und Ocean Freedom Nation (Brasilien). Sobald es diesbezüglich Neuigkeiten gibt, werden sie im Zuge eines zukünftigen Updates hier eingearbeitet.

Eine weitere Gruppe, die eifrig an der Verbreitung der Seasteading-Doktrin arbeitet, nennt sich Blue Frontiers, ihr Leiter ist ebenfalls Joe Quirk.


Im Juni 2008 hält die De Oceaan, ein unsinkbares Schiff von 24 m Länge und 8 m Breite Einzug in den Amsterdamer Hafen. Es ist mit Blumen und Bäumen bepflanzt: Erdbeerstauden, Apfelbäumen, Trauben, Johannisbeer- und Brombeersträuchern, Rhabarber u.v.m. Es ist das letzte der grünen Flotte des niederländischer Happening-Künstlers Robert Jasper Grootveld, der bis in die 1990er Jahre als Narr und Stadtkomiker belächelt wurde.

Grootveld, der als Erfinder der schwimmenden Gärten der 1970er und 1980er Jahre gilt, war bereits 1955 auf einem Floß durch die Amsterdamer Kanäle gefahren, das von Kunststoffnetzen zusammengehaltene Styropor-Blöcke verwendet. Bei dieser Softbuilding genannten Methode werden keine harte Materialien wie Metall oder Holz eingesetzt, wodurch  sanfte, bewegliche Strukturen entstehen.

Mit Realisierung seiner schwimmenden Gärten, die auch schwimmende Inseln genannt werden, wird Grootveld schließlich als Erfinder und Künstler anerkannt. Nach seiner Vorstellung könnten diese ohne Wartung einhundert Jahre erhalten bleiben und einen Vorteil bei Überschwemmungen beziehungsweise hohem Wasserstand bieten, da sie mit dem Wasserspiegel steigen. Inzwischen gibt es eine Stiftung namens Blijven Drijven, die aufgrund von Grootvelds Ideen einen konstruktiven Beitrag für ein Leben auf dem Wasser leisten will.


Mitte 2008 erfahre ich erstmals von Arbeiten der japanischen Kyushu University, wo ein Team um Toshiaki Ota ebenfalls eine maritime Energieinsel entwickelt, bei der Photovoltaik-Arrays und Windkraftwerke kombiniert werden sollen. Die geplante 2 km lange und 800 breite Insel-Anlage aus schwimmenden, sechseckigen Einheiten (aus Beton und einem von Ota entwickelten korrosionsbeständigen Leichtmetall) soll mit rund 200.000 PV-Paneelen ausgestattet werden – und den Strom auch selber verbrauchen.

Mit Hochleistungs-LEDs soll nämlich das Meer unterhalb der Anlage ausgeleuchtet werden, um das Algenwachstum anzuregen und dadurch Kohlendioxid aufzunehmen und Fische anzuziehen. Außerdem wird der Strom dazu genutzt, kaltes und mineralreiches Tiefenwasser heraufzupumpen. Auch an die Herstellung von Wasserstoff wird gedacht. Der neue Pod soll in drei Jahren in die Praxis umgesetzt werden, wobei zuerst eine kleine Modellanlage errichtet werden soll – über die ich bislang allerdings nichts finden konnte.

Lilipad Grafik

Lilipad
(Grafik)


Im Juli 2008 stellt der Architekt Vincent Callebaut ein Lilypad genanntes Konzept vor, das in Zukunft – man denkt an das Jahr 2100jenen Flüchtlingen ein neues Heim bieten soll, deren Länder aufgrund der globalen Erwärmung vom steigenden Meeresspiegel betroffen sind.

Die völlig autarken, schwimmenden Null-Emissions-Städte folgen den Prinzipien der Biomimikry und basieren auf der Nutzung verschiedener Energietechnologien wie Sonne, Wind, Gezeiten und Biomasse. Die Oberfläche aus Titandioxid soll außerdem CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und absorbieren.

Jede dieser schwimmenden Städte ist für rund 50.000 Menschen konzipiert, besitzt eine gemischte Landschaft mit einer künstlichen Lagune und soll entweder in der Nähe einer Küste stationiert werden, oder über den Ozean schwimmen, vom Äquator bis zu den nördlichen Meeren und wieder zurück.

Von Callebaut stammt auch der Entwurf Physalia, ein amphibischer Garten, der von der Portugiesischen Galeere (Physalia physalis) aus der Gattung der Seeblasen inspiriert ist, die zu den Staatsquallen zählt. Die schwimmende Architektur ist darauf ausgelegt, erneuerbare Energien zu nutzen, um einen Energie-Plus-Prototypen zu schaffen, der mehr Energie erzeugt als er verbraucht.

Das Dach der Physalia besteht aus einer doppelten pneumatischen Membran, die mit Solarzellen ausgestattet ist. Unter dem Rumpf befinden sich zudem Wasserturbinen, die die Energie des Flusses in Strom umwandeln. Die Oberfläche der Struktur besteht aus mit Aluminium beschichtetem Stahl und ist mit einer TiO2-Schicht überzogen, die auf ultraviolette Strahlen reagiert, um das Flußwasser mittels Biofilterung zu reinigen und die Bewohner mit Trinkwasser zu versorgen.

Utopia City Grafik

Utopia City
(Grafik)

Dies geschient, indem Wasser durch die Gartensysteme der schwimmenden Aufbereitungsanlage gepumpt wird, die Schadstoffe und Verunreinigungen biologisch herausfiltern. Im Inneren befinden sich vier verschiedene thematische Gärten mit den Namen der vier Elemente Erde, Wind, Feuer und Wasser.

Anfang 2016 stellt Callebaut das Projekt Utopia City (o. People of the Sea; Projekt Aequorea) vor, die Vision einer Stadt der Zukunft, die sich den verändernden klimatischen Umständen anpassen kann und für die Wasser keine Gefahr mehr darstellt, da sie schwimmen können. Darüber hinaus denkt der Architekt an die Nutzung von 3D-Druck-Technologien, um die neuen schwimmenden Städte hochzuziehen, sowie an die Verwendung recycelbarer Rohstoffe und erneuerbarer Energien. Dazu zählen nicht nur luxuriöse Häuser, die mit Solarzellen ausgestattet sind, sondern vor allem die Technologien, die unter dem Wasser eingesetzt werden.

Die Stadtinseln mit einem Durchmesser von etwa 500 m funktionieren unter dem Wasser quasi wie echte Lebewesen oder Pflanzen. Wurzeln wachsen selbständig bis zu 1.000 m tief ins Meer und fangen zum Beispiel Plastikmüll auf, um diesen wiederzuverwenden. Die Wurzeln nutzen zudem das Kalzium-Karbonat des Meereswassers, um das Wachstum zu fördern, und fungieren gleichzeitig als Membran, um das Salzwasser zu entsalzen. Mikroalgen sollen dabei als Energie- und Wärmeproduzenten dienen, während ein Meeresströmungen-Kraftwerk die elektrische Energie liefert.

Diese Herangehens- und Bauweise bezeichnet  Callebaut als Archibiotics. Wesentlich ist auch, daß jede Stadt-Insel unabhängig von den anderen existieren und sich selbst versorgen kann, weshalb auch Lebensmittel produziert werden sollen. Die Unterwassertürme sollen bis zu 250 Etagen haben, so daß in jedem Aequorea-Dorf etwa 10.000 Wohnungen mit Größen zwischen 25 und 250 qm entstehen können. Licht in den Untiefen soll über die Biolumineszenz von Mikroorganismen entstehen, die in der Doppelverglasung der Fenster stecken.

Die ersten der schwimmende Inseln aus Plastikmüll und Algen, auf denen jeweils bis zu 20.000 Menschen leben können, sollen vor den Stränden Rio de Janeiros entstehen, bei Entstehungskosten von 1.950 €/m2. Bislang ist die Angelegenheit aber noch nicht über die ansprechenden Renderings hinausgekommen.

Flood Harnessing Housing Grafik

Flood Harnessing Housing
(Grafik)


Während seines Studiums am New York Jersey Institute of Technology entwickelt der Designer Brian Novello im Herbst 2008 das detailliert ausgearbeitete Konzept Flood Harnessing Housing (F2H), das zwei Probleme angeht: zum einen, daß städtischer Raum immer schwerer zu bekommen ist, nicht nur wegen des Grundstückswertes, und zum anderen, daß es sehr schwierig ist, inmitten von Städten Energie zu erzeugen.

Der fantastische schwimmende Park von Novello löst diese beiden städtischen Probleme auf einmal, indem er zusätzlichen öffentlichen Grünraum für Fußgänger direkt auf dem Wasser bietet und gleichzeitig natürliche Energie aus den Wellen erzeugt, die über das Wasser laufen. Dies soll über spiralförmige Turbinen geschehen, die das Innere des Parks beherbergen und sich lautlos um die Menschen drehen, die durch die modularen, röhrenartigen Gänge des Parks laufen.

Ein ähnliches Konzept bilden die Docking Stations aus dem gleichen Jahr, die er gemeinsam mit dem in Lower Manhattan, New York, beheimateten Architekturbüro GRO Architects PLLC entwickelt – wobei diese modularen Schwimmdocks allerdings fest mit den Piers verbunden sind. Hier soll die Stromerzeugung durch vertikale Darrieus-Unterwasser-Gezeitenturbinen geschehen und pro Modul ausreichend Strom für 350 Straßenlampen im angrenzenden Stadtgebiet liefern. Der Entwurf wird vom Metropolis Magazine für den Wettbewerb Next Generation 2009 als ‚Next Gen Notable‘ ausgewählt.

Novello engagiert sich außerdem beim Solar Decathlon 2011 mit dem inVELOPE Haus, daß es aber nicht in die Siegergruppe schafft.


Vom November 2008 datiert das schwimmende Aerohotel von Alexander Asadov aus Moskau (Asadov_Architectural bureau), das aus einer eleganten schwebenden Insel mit einer Ästhetik besteht, die leichter als Luft ist und auf einem ebenso innovativen und eleganten System von Stützen ruht. Es wird aus transparenten Materialien gebaut, um ein Maximum an natürlichem Licht und ein Minimum an Umweltbelastung zu gewährleisten.

Das Aerohotel besteht aus einem 200 m breiten, kreisförmigen Zentrum, das von einem verschlungenen Netz von Stützen getragen wird, welche an drei Armen verankert sind, die sich bis zum Boden erstrecken. Als erhöhte Wasserstruktur mit hängenden Gärten bewahrt es das gesamte Ökosystem darunter, im Gegensatz zu von Menschenhand geschaffenen Inseln, die ihre unmittelbare Umgebung mit Tonnen von Schotter auffüllen.

Der Baukörper wird neben dem Hotel auch Cafés, Restaurants und Wintergärten beherbergen, und die Pläne sehen Anlegemöglichkeiten für Boote sowie für einen Zeppelin vor.

Waterpod Grafik

Waterpod
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Aber auch im Kleinen gibt es ein Design, welches im Dezember 2008 erstmals in den Blogs erscheint. Tatsächlich dauert es dann auch nicht lange, bis die Fotografin und Bildhauerin Mary Mattingly und ihr Team mit dem Waterpod, einem schwimmenden Öko-Habitat, ein paar Monate später auf Jungfernfahrt im East River gehen (s. Elektro- und Solarschiffe 2008 - 2009).

Es handelt sich dabei zwar (nur) um einen umgebauten Kahn, dieser ist jedoch mit diversen neuen Energie-Technologien ausgestattet, wie einer Solaranlage, einer Bank mit Fahrradgeneratoren, einer 1,5 kW Vertikalachsen-Windkraftanlage, muskelbetriebenen Wasserpumpen u.v.m.

Andere kleine Wohnschiffe und Hausboote, die primär mit Sonnenenergie versorgt werden, behandle ich in dem o.g. Kapitel zur elektrischen Mobilität auf dem Wasser sowie unter Solararchitektur.


Aus dem Jahr 2008 stammt auch das Lake Union Floating Home des Architekturbüros Vandeventer + Carlander Architects aus Seattle, das den Unterschied zwischen einem Hausboot und einem schwimmenden Haus eindrücklich belegt. Für den Grundriß wählt der Kunde einen Plan, bei dem sich die Wohnräume im oberen Stockwerk befinden, um die Aussicht zu genießen, während sich die Schlafzimmer auf der unteren Ebene des Schwimmers befinden.

Das Haus mit einer Länge von 13,4 m und einer Breite von 7,30 m ist auf Betonschwimmkörpern errichtet und so angeordnet, daß die kürzere Seite zum See hin ausgerichtet ist. Beim Betreten des Wohnfloßes stößt man auf ein breites Außendeck, das sich über die gesamte Länge des Floßes erstreckt, zum vorderen Eingang führt und gleichzeitig Zugang zum Bootsanleger neben dem Floß bietet. Um die begrenzte Sonneneinstrahlung in Seattle optimal zu nutzen, gibt es sowohl eine östliche Morgen- als auch eine westliche Abendterrasse.

Der Vordereingang ist mit zwei Außenwänden aus Rillenglas ausgestattet, die viel natürliches Licht in den Eingangsbereich und die Treppe lassen und gleichzeitig die Privatsphäre wahren. Im Inneren führt eine freitragende Treppe in das Obergeschoß, während sich auf der unteren Ebene das Hauptschlafzimmer und das Bad befinden. Am östlichen Ende des Hauses gibt es noch ein Gästeschlafzimmer mit Bad. Energetisch weist die schwimmende Villa keinerlei Besonderheiten auf.


Mit dem Umbau von Ölplattformen zu weitgehend autonomen Öko-Resorts samt Unterhaltungsbereichen und Casinos, beschäftigt sich die in Houston beheimatete Architektur- und Design-Firma Morris Architects, die dafür Anfang 2009 den ersten Preis des Hospitality Design Magazine Awards gewinnt. Bei der Recherche konnte ich feststellen, daß das Projekt schon im Vorjahr bei der International Radical Innovation Competition HD den Hauptpreis gewonnen hatte - und daß es wohl auf das Studio Paulbaut von Paul Kweton zurückgeht.

Das Konzept sieht vor, eine der 4.000 Ölplattformen im Golf von Mexiko in eine luxuriöse Lebensoase mit 500 Hotelzimmern zu verwandeln - nebst Konferenzeinrichtungen, Spa, Fitnesscenter, Restaurants, großem Ballsaal, Abendunterhaltung, Casino, Lounge und Aussichtsturm, Pool mit Bar, Hubschrauberlandeplatz usw.

Die Energie soll ausschließlich aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden. Die entsprechenden Pläne des Oilrig-Resort sehen eine große Vertikalachsen-Windkraftanlage vor, Sonnenkollektoren, Wellen-Generatoren sowie Wärmepumpen.

Water Building Resort Grafik

Water Building Resort
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Eher wie ein großer Öltropfen sieht der Water Building Resort genannte Entwurf des Architekten Orlando de Urrutia aus Barcelona aus, bei dem es sich um ein inselartiges Luxushotel für flache Gewässer handelt, der allerdings nicht schwimmt. Dafür ist er mit einer Reihe erneuerbarer Energiesysteme ausgestattet, und fast die gesamte Außenhaut besteht aus photovoltaischem Glas.

Wichtigstes Element des im Juni 2009 veröffentlichten Designs ist jedoch, daß das Gebäude mit Hilfe des Solarstroms Luft in Trinkwasser umwandelt, eine Technologie, die zunehmendes Interesse weckt. Hierzu ist die Fassade so konzipiert, daß gegenüber der Licht filternden und mit Solarzellen verkleideten Seite ein gitterförmiges Design für die Belüftung existiert, wobei mit Hilfe eines speziellen Teex Micron-Generators die Luft auch genutzt wird, um frisches Trinkwasser zu produzieren.

Dieser Generator wurde speziell für warmes, feuchtes Klima mit einem idealen Temperaturbereich von 20° - 40°C und einer Luftfeuchtigkeit von 30 - 95 % entwickelt und ermöglicht es, aus der Seeluft durch Kondensation Wasser zu gewinnen. In das Fundament des Gebäudes sind ein Wassertank, ein Filter-System und eine Entsalzungsanlage für Meerwasser integriert.


Tatsächlich schwimmen, wenn auch fest mit dem Ufer des Mississippi verbunden, soll eine 366 m hohe Megastadt namens NOAH (New Orleans Arcology Habitat), in welcher 40.000 Bewohner ein weitgehend autarkes Leben führen können. Das Mitte 2009 vorgestellte riesige Stahlkonstrukt des Architekten E. Kevin Schopfer ruht auf einem Fundament aus einer Matrix extra starker Zement-Zellen, die in einem speziell dafür angelegten Becken schwimmen, das einen Durchmesser von ebenfalls 366 m hat.

Auf jedem 30. Stockwerk der drei zusammenlaufenden Türmen befindet sich ein ‚Sky Garden’, es gibt insgesamt 20.000 Wohneinheiten sowie Büros, Geschäfte, Schulen, Kultureinrichtungen, Hotels, Casinos und vieles mehr.

Komplett auf Fußgänger ausgerichtet, sind in dem Bauwerk überall Fahrstühle, Rolltreppen und ähnliche Transportmittel installiert. Trotzdem gibt es auch noch eine Garage mit Platz für 8.000 Autos, da sich viele Amerikaner ohne ihr Fahrzeug nicht wohlfühlen würden.

Mit der Arkologie soll der Wiederaufbau von New Orleans  vorangetrieben und den Bewohnern ein sicheres, bequemes und gesundes Leben geboten werden. Da die Megastruktur als CO2-freie Anlage konzipiert ist, werden erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und die Strömungsenergie des Flusses genutzt.

Von Schopfer stammt auch das ähnliche, aber wesentlich weniger windschlüpfrige Konzept The BoA (Boston Arcology), das über 15.000 Menschen einen sicheren und trockenen Lebensraum bieten soll, wenn die steigenden Ozeane die Städte, in denen wir heute leben, verschlucken. Diese Gebäude werden mit Wind- und Wasserturbinen, Photovoltaik-Paneelen, einer Passivverglasung, Sky-Garden-Heiz-/Kühlsystemen, Grauwasser-Aufbereitungsanlagen und ähnlichem ausgestattet sein.

House on the Water Grafik

House on the Water
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Im August 2009 stellt das polnische Designbüro Formodesign ein Hausboot mit dem pragmatischen Namen House on the Water vor, das in Bezug auf Energie und Trinkwasser völlig autark sein soll, indem es sich mittels seines PV-Daches durch Sonnenergie selbstversorgt. Der nur per Boot erreichbare futuristische, freitragende Entwurf ist für das Mittelmeer entwickelt worden und soll an der nordwestlichen Küste der griechischen Insel Zante verwirklicht werden.

Andere installierte Öko-Features mit dem Ziel einer Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs sind ein System zu Wasserentsalzung, eine natürliche Belüftung, ein Gezeitenenergie-Systeme sowie eine Anlage zum Wasserrecycling. Hergestellt werden soll das Hausboot aus Beton und Stahl.


Wesentlich einfacher, und daher auch in Bezug auf eine Umsetzung realistischer, ist ein ähnliches Konzept des Architekten Paul de Ruiter aus Amsterdam, dessen nachhaltiger Entwurf namens Autarc einen schwimmenden, auf drei Seiten vollverglasten Pavillon darstellt, der Platz für Büros oder Ausstellungen mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt bieten soll.

Neben den Photovoltaik-Module, die das gesamte Flachdach des Pavillons bedecken, gibt es an Bord eine Brennstoffzelle, die als Mini-WKK-System dient, sowie eine kleine Windturbine. Zusammen können diese Systeme mehr Leistung erzeugen als den tatsächlichen Verbrauch des Pavillons. Außerdem gibt es eine kleine Einheit zur Wasserstoff-Produktion und -lagerung, welche das bordeigene  Brennstoffzellen-System versorgt, sowie einen Wärmeaustauscher, der die Wasseroberfläche zum Heizen bzw. Kühlen des Pavillons nutzt. Die eingangsseitige Fassade ist mit einer Art zweiten Haut aus einem elastischen Metall überzogen, das mittels seiner eingebetteten LEDs die gesamte Fassade in einen Bildschirm verwandeln kann.

Das Entwicklungsteam hat bereits ein verkleinertes Modell gebaut und versammelt nun Partner um sich, um mit einem Autarc in voller Größe eine Tour durch möglichst viele Küstenstädte dieser Welt machen zu können. Neben Deerns Raadgevend Ingenieurs beteiligen sich die Firmen DHV BV, Ballast Nedam, TBI techniek, Wolter & Dros, HVL, Verosol, FacilityLinQ und NEMO an dem Projekt, dessen Umsetzung von De Bouwer & Partners, Hollands größtem Bau-Unternehmen, vorangetrieben wird.

Im November 2009 werden die ersten Verträge für den Bau des solaren Schwimmpavillons unterzeichnet und man plant, diesen Mitte 2010 am NEMO Science-Center in Amsterdam anzudocken. Das Projekt wird durch Bouwend Nederland (niederländischer Verband für Konstruktion und Infrastruktur) sowie das Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und Umwelt unterstützt.

Leider gibt es Anfang des Jahres jedoch Streit um Beteiligungsrechte, worauf die geschäftliche Partnerschaft zwischen De Bouwer & Partners und Ballast Nedam im März 2010 beendet wird. Das Konsortium versucht daraufhin die weitere Finanzierung zu sichern und einen Ersatz-Hersteller zu finden. Die Inbetriebnahme wird erst einmal auf das Frühjahr 2011 verschoben, was dann allerdings auch nicht verwirklicht werden kann.

Open Sailing Grafik

Open Sailing
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Auf der Ars Electronica im September 2009 in Linz stellt eine Künstler- und Forschergruppe die Vision Open Sailing vor, eine mögliche Lebensform der Zukunft. Untereinander vernetzte Ozean-Städte in Form von schwimmenden Plattformen sollen ihren Bewohnern alles bieten, was sie zum Leben brauchen: Essen, Energie, Unterhaltung und Wohnung.

Das ‚Open‘ meint, daß jedermann an der Entwicklung des Projektes mitarbeiten kann, das in der Form eines virtuellen Open-Space gehalten ist. Auch alle Erfindungen, Techniken und Verfahren, die im Laufe des Projekts entwickelt werden, müssen als Open-Source-Techniken zur Verfügung gestellt werden. Was wohl einer der Gründe dafür ist, daß Open_Sailing mit dem Sustainable Arts Award 2009 ausgezeichnet wird.

Für die Vision müssen diverse Bereiche quasi neu erfunden werden. Zum Beispiel das völlig neue Schiffskonzept namens Instinctive_Architecture, das aus diversen Modulen besteht, die sich wie ein Super-Organismus verhalten. Die Module sollen sich dank intelligenter Navigations-Software selbständig organisieren und lenken: Bei schlechtem Wetter ziehen sie sich zusammen und schützen sich, bei Schönwetter entfalten sie sich großflächig.

Bei der Energieerzeugung arbeitet das Team an einem sogenannten Energy_Animal, welches gleichzeitig Sonnen- ,Wind- und Wellenkraft nutzbar macht und so bei jedem Wetter Energie liefern kann, während für die Nahrung eine ‚nomadische Aquakultur‘ entwickelt wird, ein bewegliches Ökosystem, das mit der Stadt über das Meer wandert. Mit Modellen, die in zehn über Europa verteilten Laboratorien entwickelt wurden, will die Gruppe im Sommer 2010 ihre bisherigen Erkenntnisse in der Praxis testen.

X SEA TY Grafik

X SEA TY
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Im Jahr 2009 kursiert auch das Design einer riesigen schwimmenden Stadt namens X SEA TY (o. Offshore Utopia), die als die erste reine Bioenergie-Stadt bezeichnet wird. Die von den Architekten des Büros X-TU in Paris entworfene Offshore-Stadt soll die Luft mit kohlenstoffabsorbierenden Technologien reinigen, indem die von Bienenstöcken inspirierten Gebäude aus porösem Beton bestehen, der mit lebenden Wänden aus photosynthetischen Algen bedeckt ist. Diese Algensysteme, die in Zusammenarbeit mit einem industriellen Biochemiker entwickelt wurden, würden auch Biokraftstoff erzeugen, um die schwimmende Stadt autark zu versorgen.

Die schwimmende Insel arbeitet mit der Energie des Meeres, seinem Wellengang und seinen Strömungen. So nutzt sie die Meeresenergie, um ihre Wärmeübertragung zu regulieren. In der Nähe großer Industriezentren, am Ufer des Gelben Meeres oder in der Nähe koreanischer oder japanischer Häfen gelegen, wird sie direkt über Rohrleitungen von den Fabriken oder den Wärmekraftwerken mit Kohlendioxid versorgt.

Die Städte, die aus sich gegenseitig haltenden und stützenden Wolkenkratzern bestehen, können je nach Bedarf wie Bienenstöcke zusammengebaut, überall errichtet und sogar versetzt werden. Einige können in der Nähe von Stadtzentren plaziert werden, um die Überbevölkerung zu entlasten, genügend Ressourcen für die Stadt zu produzieren und gleichzeitig die Umweltverschmutzung zu verringern. Zudem ist die Verwertung von organischen Abfällen oder Biomasse durch Aquakultur geplant.

 

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