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WINDENERGIE

Gegenwindfahrzeuge (I)


Diese windbetriebenen Objekte wurden schon zuvor mehrfach erwähnt. Was sie so besonders macht, daß sie auch heute noch vielerorts angezweifelt werden, ist der Sachverhalt, daß sie sich zwar durch die Energie des Windes fortbewegen – aber in den Wind hinein. Dabei ist weder die Idee neu, noch ihre Umsetzung.

Schon 1712 soll ein Herr Duquet in Frankreich die Idee dazu gehabt haben – und inn der napoleonischen Zeit planten die Franzosen, eine schwimmende Festung mit drei Windrädern zum Antrieb von vier Schaufelrädern auszurüsten, um 60.000 Soldaten mit 600 Kanonen zur Invasion nach England überzusetzen. Was allerdings nie realisiert wurde.

 

Ein frühes Gegenwind-Boot, die Bois Rosé, wird im Jahr 1920 von dem Franzosen Louis Constantin aus Nantes gebaut, der damit gegen den Wind auf der Seine in Paris herumschippert.

Constantin, der in der Forschungsabteilung des Propellerherstellers Levasseur arbeitet, nutzt dafür eine 9 m durchmessende Luftschraube seines Arbeitgebers, welche an die Schiffsschraube gekoppelt ist.

Ford-Patent

Ford-Patent

Ein Versuch im September 1922, vor einer Versammlung von Persönlichkeiten und Journalisten, endet allerdings mit einem Unfall, weshalb das Boot  abgeschleppt werden muß.

Der Forscher läßt sich aber nicht entmutigen und veröffentlicht 1924 einen Artikel über den Wind als Quelle für billige Energie (Une source d’énergie à bon marché: le vent).


In dem US-Magazin Popular Science vom Januar 1924 wird unter dem Titel ,Claims Air Motor Bucks The Wind’ über das Windmotor-Patent des Erfinders Charles R. Ford aus Hot Lake, Oregon, berichtet (US-Nr. 1.491.688, beantragt 1922, erteilt 1924).

Mit diesem Antrieb, der aus einer Reihe von Lüftern oder Windmühlen besteht, die auf einer Welle montiert und in einem Zylinder eingeschlossen sind, der drehbar gelagert in Richtung Wind geschwenkt werden kann, und es dem Schiff daher ermöglicht, sich auch direkt gegen den Wind zu bewegen.

Im Falle von Windstille soll der Motor aber auch in der Lage sein, seinen eigenen Wind zu erzeugen – wenngleich es nicht ganz nachvollziehbar ist, wie das ohne zusätzlichen Energieaufwand geschehen soll.

Constantin/Daloz-Patent

Constantin/Daloz-Patent

Vielleicht mittels der stationären Metallstücke, die der Erfinder als ,Lufttrecker’ bezeichnet, und die zwischen den Lüftern angebracht sind und den Luftstrom so verteilen, daß jeder Rotor die gleiche Menge an Energie erzeugt. Auf leider nicht reproduzierbaren Abbildungen ist ein Motor mit 30 Lüftern zu sehen – sowie der Erfinder auf einem kleinen Versuchsboot.


Ein britisches Patent, auf dem die Grundstruktur vieler späterer windbetriebener Boote schon gut zu sehen ist, wird im Jahr 1924 an Louis Constantin und Gaston Daloz aus Frankreich erteilt (GB-Nr. 205090).


Über die Erfindung des Luftfahrtingenieurs Laurence J. Lesh, ein Rotorschiff, das schon im leichtesten Wind lossegelt, wird im Magazin Popular Science im Juli 1933 berichtet.

Das Boot, von dem Lesh bereits ein kleines Modell zeigen kann, an dem er seit einem Jahr arbeitet, soll in Chicago in voller Größe gebaut werden. Seine drei geplanten Rotoren sehen aus wie wirbelnde Surfbretter, benötigen jedoch – anders als der Flettner-Rotor – keine Motoren um in Rotation versetzt zu werden. Sobald sich die spitzen, vertikalen Flügel des Bootes erst einmal drehen, fahren sie damit solange fort, bis der Wind abflaut oder die Bremsen betätigt werden. Sie starten, wie die Versuche zeigen, schon bei der leichtesten Brise.

Lesh-Rotorsegel Grafik

Lesh-Rotorsegel (Grafik)

Leshs Forschungen belegen, daß die rotierenden Flügel, die sich gleich gut in beiden Richtungen drehen können, das Boot direkt in den Wind hineinziehen, wobei sie die fast vierfache Antriebskraft gewöhnlicher Segel erreichen.

Ein Versuchsboot in voller Größe, das kurz vor seiner Fertigstellung steht, soll dazu verwendet werden, um Rotoren in verschiedenen Größen und Ausführungen auszuprobieren. So sollen beispielsweise verschiedene Rotoren der gleichen Größe mit Leinwand, Sperrholz und Aluminium überzogen und geprüft werden, um das am besten geeignete Material herauszufinden. Lesh zufolge werden für einen 70-Fuß-Kabinenkreuzer drei Rotoren benötigt. Leider läßt sich nichts darüber finden, daß es tatsächlich zu einem Stapellauf gekommen ist.


Der nächste Ansatz stammt von dem späteren Lord Brabazon, der ebenfalls im Jahr 1933 das wohl erste Boot mit einem Rotor baut, der keinen Propeller antreibt – sondern die Funktion eines Segels übernimmt. Die entsprechenen Tragschrauber-Flugzeuge waren nur ein paar Jahre zuvor erfunden worden (1930).

Die Kestrel hat schon auf ihrer ersten Ausfahrt in Cowes Harbour einen Unfall, als es nicht gelingt den Rotor zu stoppen, da die Bremse nicht stark genug ist. Danach bleibt das Boot 60 Jahre lang in einem Schuppen, bis es von einem Enthusiasten für klassische Boote namens Maurice Wilmot entdeckt und originalgetreu restauriert wird – mit Ausnahme einer stärkeren Bremsscheibe.

Drehkegel-Segel

Drehkegel-Segel


Nur ein Jahr später, im Juli 1934, erscheint ebenfalls im Popular Science ein kurzer Artikel über einen nicht namentlich benannten Erfinder, dessen Segelboot ebenfalls fast direkt in den Wind zu steuern sein soll.

Dies geschieht dem Entwickler zufolge durch einen dreiflügeligen Drehkegel anstelle der üblichen Leinwand-Segel, wobei das neue System dreimal so viel Antriebskraft entwickeln soll wie herkömmliche Starrsegel. Auch in diesem Fall gibt es darüber hinaus leider keine weiteren Informationen.


In der Ausgabe vom Januar 1935 des Magazins Modern Mechanix wird die Entwicklung eines britischen Ingenieurs vorgestellt, der gigantische Rotoren auf Schiffe setzen will – als Ersatz für Segel und Motoren. Das Konzept wird samt einem Arbeitsmodell auf der Erfindermesse des Institute of Patentees in Westminster, England, präsentiert.

Der hoch über Deck montierte wirbelnde Propeller soll die unbegrenzte Macht des Windes auf die Schiffsschrauben des Boots zu übertragen, wie es heißt.

Da sich der Propeller variabel in den Wind stellen läßt, unabhängig von der Richtung, in die das Schiff fährt, sei es sehr wahrscheinlich, daß das Windmühlenschiff auch direkt in den Wind fahren kann.

Ein an der Windmühle montierter Generator soll Strom für Elektromotoren liefern, die an den Antriebswellen der Propeller sitzen – oder die Leistung wird mechanisch übertragen.

Zalewski-Modell

Zalewski-Modell


Die nächsten Versuche datieren aus den 1960er Jahren, angefangen mit William Garnett, der im Jahr 1960 ein Modell auf Rädern und mit acht, leicht kegelförmigen, Segeln vorführt.

Ihm folgt ein W. Zalewski aus Polen, der schon 1908 mit dem Studium von Windenergieanlagen begonnen und 1918 ein Buch darüber geschrieben hatte.

Während eines Gefängnisaufenthalts in Polen im Jahr 1950 beginnt er Pläne für ein Segelschiff zu entwerfen, das direkt gegen den Wind fahren kann.

Nach dem Umzug nach London und dem Beitritt zur AYRS entdeckt er Katamarane und baut ein kleines Modell, das auf der London Boat Show 1962 gezeigt wird.

Gemeinsam mit zwei amerikanischen Mitgliedern wird 1965 eine 4,2 m große Windkraftanlage auf einem 3,6 m langen Katamaran namens Lugubrious I installiert, mit dem die drei erfolgreich gegen den Wind segeln.


Schon ab etwa 1963 experimentiert George Dibbs mit einem semi-elliptischen Rahsegel – das alsbald unter dem Namen AYRS-Sail bekannt wird.

AYRS-Sail

AYRS-Sail

Bei dieser AYRS handelt es sich um die im Jahr 1955 gegründete internationale Amateur Yacht Research Society, die in London als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen ist. Aus deren Material stammt auch ein Großteil der hier präsentierten Informationen - leider haben die Abbildungen nicht immer zufriedenstellende Qualität.

Über Segel und Segelschiffe, die nicht gegen den Wind fahren können, habe ich weiter oben schon ausführlich berichtet.


Weiter geht die Geschichte der Gegenwind-Schiffe mit einem Modell-Yacht-Wettbewerb, den die AYRS im Jahr 1966 veranstaltet, und an dem sich auch ein Boot von Philip Hansford beteiligt, das sehr schnell direkt gegen den Wind segelt.

Hansford beschäftigt sich später allerdings damit, Rekord-Tragflügelboote zu bauen. Die Arbeit an Booten mit Windkraftanlagen scheint er aufgegeben zu haben.


Innerhalb der nächsten zehn Jahre passiert nicht viel, außer daß Kenneth May für einen Stand auf der Boat Show im Jahr 1971 ein paar Demonstrationsmodelle zur Verfügung stellt. Er erkennt auch, daß eine Windkraftanlage mit hoch gelegener Nabe schwere Kreiselmomente aufweisen wird, so daß ein entsprechend ausgerüstetes Boot einen Mehrrumpf für seine Stabilität benötigt. Wirkliche Tests scheint er jedoch nicht durchzuführen.


In den 1970er Jahren baut die Universität Strathclyde eine im Jahr 1962 von der Firma Freesey in Maldon, Essex, hergestellte Blackwater Sloop, eine kleine Segelyacht, zu dem experimentellen Windturbinen-Schiff Falcon um.

Falcon

Falcon

Dabei wird der Mast entfernt und mittschiffs auf einem Stand ein 4,5 m durchmessender Windrotor errichtet (andere Quellen: 4,8 m), der eine kleine Propeller-Einheit versorgt, so daß das Boot in jede gewünschte Richtung segeln kann – auch direkt in den Wind hinein.

Informationen der AYRS zufolge hätte Neil Bose auf der 5,40 m langen und 2,12 m breiten Yacht mit Eichenrahmen und Mahagoni-Beplankung, die auch eine zusätzliche Stewart Tuner-Maschine besitzt, zwischen 1983 und 1986 eine Vielzahl verschiedener Rotorblätter getestet – verdrehte, gerade und gewölbte, mit unterschiedlichen Anstellwinkeln, die er sowohl als Tragschrauber wie auch als Antriebspropeller experimentell überprüft.

Das Boot ist nicht sehr schnell – in einem Wind von 15 Knoten erreicht es eine Geschwindigkeit von 5 Knoten –, aber das ist ja auch nicht die Idee, denn es geht bei dem Experiment um Kraftstoffeinsparungen in der Handelsschifffahrt. Bose wird später Professor für Meerestechnik an der Memorial University of Newfoundland, während die Falcon in der Sammlung des schottischen Schifffahrtsmuseum in Irvine landet, von wo das abgebildete Foto aus dem Jahr 2008 stammt.


Wie sehr sich sogar die Fachpresse ernsthafte Recherchen spart, belegt ein Bericht des Magazins Scientific American vom Dezember 1975, in dem Peter Kauffman und Eric Lindahl in Seattle als die Ersten genannt werden, die das Modell eines Gegenwindschiffs (‚Push-me-pull-on‘) gebaut und damit die Realisierbarkeit der Idee praktisch nachgewiesen haben. Um ein Leistung verzehrendes Getriebe zu vermeiden, setzen sie Windrad und Wasserschraube auf ein und dieselbe schräg liegende Drehachse, während das Schiff zur Verringerung des Wasserwiderstands als leichter Katamaran ausgelegt wird.

B. L. Blackford, der im American Journal of Physics 1978 die Betzsche Theorie auf diesen Typ Gegenwindschiff anwendet, benutzt einen kommerziellen Katamaran von 4 m Länge und 2 m Breite mit einer zweiflügeligen Luftschraube von 3,05 m und einer Wasserschraube von 0,90 m Durchmesser. In Leistungstests, über die er 1980 berichtete, erreichte das Schiff auf Gegenwindkurs 30 % der Windgeschwindigkeit. Die schräg liegende Drehachse erweist sich aber als nachteilig, weil die Wasserschraube den Katamaran nicht nur vorwärts, sondern auch abwärts zieht, wodurch das Modell zu halben Saltos nach vorn neigt.


In den Jahren 1977 und 1980 legt der amerikanische Cartoonist Douglas Hannan der AYRS eine Reihe von Zeichnungen ungewöhnlich aussehender Boote vor, von denen er einige auch als kleine Modelle umgesetzt haben soll – wie den Whirlwind von 1977.


Ein weiteres Modell wird im Jahr 1979 von Simon Sanderson erstellt, der sich auch an einem Rotor mit vertikaler Achse und Kippflügeln versucht, sich dann aber von Windkraftanlagen abwendet und mit einer anderen Art von Booten weiterarbeitet.


Ebenfalls im Jahr 1979 baut George Webb einen Katamaran in voller Größe, der mit einer Windkraftanlage ausgestattet ist, die sowohl zum Antreiben eines Schiffpropellers eingesetzt wird, als auch als Autogiro arbeitet. Obwohl die BBC dieses Boot filmt, gelingt es der Idee nicht wirklich, Aufmerksamkeit zu wecken.


Erst mit dem hohen Ölpreis in den frühen 1980er Jahren beginnen erneute Forschungen mit windgetriebenen Schiffen, die nun fast schon respektiert werden.

Aus dieser Zeit ist ein Windkraftanlagen-Boot namens Te Waka bekannt, das von Jim Bates in Neuseeland gebaut wird. Zum Einsatz kommt eine ziemlich kleine 3-Blatt-Turbine, mit der das Schiff etwa mit der gleichen Geschwindigkeit in alle Windrichtungen fahren kann. Direkt in einen mit 14 Knoten blasenden Wind hinein erreicht es immerhin eine Geschwindigkeit von 7 Knoten.


Philip Weld
, der 1980 im Alter von 65 Jahren das transatlantische Einhand-Rennen gewinnt, beabsichtigt eigentlich im Jahr 1984 in einem Boot mit einem High-Tech-Wingmast erneut an den Start zu gehen, das er schmunzelnd als das ,ultimative geriatrische Rigg’ beschreibt.

Weld hat großes Interesse an Wind- und Solarenergie, und die Brüder Meade, Joel und Jan Gougeon, welche die Technik des mit Epoxid getränkten Holzes entwickelt und auch Welds Siegerboot Moxie gebaut hatten, gelten als prominente Hersteller von Holz-Epoxy-Windturbinenschaufeln (ihr 412-seitiges Hauptwerk von 1972 namens ,The Gougeon Brothers on Boat Construction’ ist übrigens in seiner englischsprachigen 5. Auflage im Netz frei verfügbar – ebenso wie als deutschsprachige Originalausgabe unter dem Titel ,Moderner Holzbootbau’ – wobei dieses Werk als das erfolgreichste Bootsbaubuch aller Zeiten gilt).

Leider lebt Philip Weld nicht lange genug, um das Projekt abzuschließen, und sein letztes Schiff bleibt bei seinem Tod unvollendet und wird später von Hevila Hawkins übernommen. Es ist ein von Jim Brown entworfener, 9,6 m langer Katamaran, der im Jahr 1985 nachweislich eine Windkraftanlage besitzt, um den Propeller anzutreiben.


Die Zeitschrift Yacht berichtet im Jahr 1980 über die Eolien, eine auf dem Mittelmeer kreuzende Windmühlen-Jolle von 5,11 m Länge mit einem zweiflügligen Windrad von 5 m Durchmesser, die ihr Drehmoment bei 5 U/s über ein Getriebe auf eine Wasserschraube überträgt und bei 10 Knoten Windgeschwindigkeit eine Leistung von 4,5 PS bringt. Weitere Informationen darüber habe ich bislang nicht gefunden.


Bereits 1980 beantragt Jean-Pierre Vidal aus dem französischen Mennecy das Patent für ein System zum Antrieb von Booten mittels Winde und Strömungen und zur Rückgewinnung von Energie, das ihm 1983 erteilt wird (US-Nr. 4.371.346; vgl. FR-Nr. 2464186 bzw. EP-Nr. 0024998, erteilt 1981). Auf der Patentabbildung ist ein 4-Blattrotor mit direkter mechanischer Verbindung zum Propeller zu sehen.

Weitere Patente aus dieser Zeit stammen von Laszlo Nagy aus Barberton, Ohio (US-Nr. 4.353.702, erteilt 1982), sowie von Sidney E. Veazey aus Fredricksburg, Virginia (US-Nr. 4.553.037, erteilt 1985).

Rotorboot von Denney

Rotorboot von Denney


Zwischenzeitlich legt Rob Denney im Jahr 1983 der AYRS ein ernsthaftes Projekt vor: Er will auf einem 12 m Trimaran eine 8,4 m hohe Dreiblatt-Windkraftanlage installieren, um mit dem Boot am transatlantischen Einhand-Rennen 1984 teilzunehmen. Seiner Meinung nach wäre das Boot durch den direkten Antrieb des Propellers in der Lage, gegen den Wind zu segeln und sich aus dem Inneren der Kabine leicht steuern zu lassen, wobei es weniger Belastungen als mit gewöhnlichen Segeln ausgesetzt wäre.

Obwohl er ein Team von sehr gut qualifizierten und erfahrenen Leuten zusammenstellt, ein Sponsoring-Konzept entwickelt und sogar schon einem von Rod MacAlpine-Downie entwickelten Trimaran-Rumpf besitzt, bekommt er das Geld nicht zusammen, um daraus ein Gegenwind-Schiff zu bauen. Mehr Erfolg hat er, als er den Lieferanten von Materialien kostenlose Werbung als Gegenleistung für kostenlose Lieferungen verspricht. Im Jahr 1986 gelingt es ihm gemeinsam mit Neil Bose von der Glasgow University, auf dem Iroquois Katamaran eine 3-Blatt-Turbine zu installieren.

Dieses Boot befindet sich inzwischen im Besitz des ehemaligen AYRS-Vorsitzender Fred Ball, hat aber keine Windkraftanlage mehr an Bord.


Über das (auch) Gegenwind-Schiff Revelation I von Jim Wilkinson und Neil Bose aus dem Jahr 1984 habe ich bereits oben unter Segelschiffe berichtet (s.d.).


Ebenfalls 1984 läßt sich Josef Thomas Dusek, ein australisches AYRS-Mitglied, ein Gerät patentieren (nicht verifizierbar), das wie ein Hubschrauber-Rotor aussieht, bei dem die Flügel aber  über einen halben Kreis hin und her ,flattern’ – und das Schlagen verwendet wird, um eine Pumpe zu betreiben. Es scheint aber nicht beabsichtigt gewesen zu sein, damit ein Boot fahren zu lassen.

Dusek-Patent

Dusek-Patent

Leider sind darüber keine weiteren Informationen zu finden, und bei einer Recherche ließen sich nur zwei australische Patente aus den Jahren 2009 bzw. 2010 nachweisen, in denen sich Dusek eine vertikale, konisch geformte Windturbine mit mehreren Flügeln schützen läßt, die zusätzliche Wirbelgeneratoren verwendet (Vertical axis wind turbine utilising vortex generators; AU-Nr. 2009906079 und AU-Nr. 2010249162).

Auch hier gibt es keine weiterführenden Angaben die etwas darüber aussagen, ob Dusek diese Technologie bei Booten eingesetzt hat.


Guiseppe Gigliobianco aus Cremona, italienisches Mitglied der AYRS, setzt 1986 eine Vertikalachsen-Windturbine auf einen Katamaran, die an den Propeller gekoppelt ist.

Anfänglich experimentiert Gigliobianco mit Flügeln aus Segeltuch, geht später aber zu halbsteifen Flügelblättern über.

Von diesem Entwurf baut der Web-Designer Peter Alfred Worsley aus dem britischen Norwich für die AYRS Boat Show im Januar 1996 in London ein Modell namens Fido, dessen kegelförmiger Tragschrauber in einem Indoor-Testtank aber nicht funktioniert.

Fido

Fido

Ab den späten 1990er Jahren beschäftigt sich Worsley dann mit der Entwicklung von Booten, die in jede beliebige Richtung segeln können, so auch direkt in den Wind. Seine ersten Erfolge hat er mit einem kleinem Modell, das er zutreffend Windspinner nennt.

Es erweist sich, daß große Propeller für Leichtwind gut geeignet sind, während für stärkere Winde kleinere Propeller vorteilhafter sind.

1995 erhält Worsley ein Patent für seine windbetriebene Bootstechnologie (GB-Nr. 2286570) – und baut nach weiteren erfolgreichen Tests mit Modellen, und mit einem neuen Ansatz, einen Wind-Katamaran in voller Größe.

Seine Jensa, die ihn neben viel Zeit rund 1.000 £ kostet, besitzt einen 6-Blatt-Rotor von gut 2,5 m Durchmesser, dessen tragflächenförmige Blätter aus Balsaholz gefertigt sind. 1995/96 finden zwar erfolgreiche Testfahrten auf dem Fluss Orwell statt, das Projekt wird trotzdem erst einmal auf Eis gelegt – bis es zum Ende der Dekade als ideale ,Niedrig-Emissions-Antwort’ auf das Problem des Klimawandels wiederbelebt wird.

Worsley und Jensa

Worsley und Jensa

Im Juni 1999 kommt Worsley mit seinem Wind-Katamaran in die Presse, als er ihn auf dem Wasser des Littelton Reservoirs bei Shepperton vorführt.

Je nach Windstärke dreht sich der Rotor mit 1 – 2 U/s, wobei die kinetische Drehkraft über eine Reihe von Getrieben, Riemen und Wellen auf den Propeller im Wasser übertragen wird. Der Rotor richtet sich automatisch aus, und das Boot läßt sich gut in den Wind hinein steuern.

Die Leistung ist gut, wenn auch nicht spektakulär, denn die Jensa zeigt, daß sie mit einer Geschwindigkeit von 2 – 3 Knoten direkt in einen 10 – 15 Knoten starken Wind fahren kann.

Später entwickelt, baut und testet Worsley noch diverse weitere ferngesteuerte Modelle, wie den Bluebird MkI im Jahr 2000, für den er auch ein Patent beantragt, gefolgt vom Modell Bluebird MkII. Es sind alles Boote, die in jede Richtung segeln können.


Ein phantastisches, eigentlich ganz unglaubliches und umso wundervolleres Projekt, auf das mich dankenswerterweise ein treuer Leser aufmerksam gemacht hat, wird von der Wilhelmshavener Tischlerin, Architektin und Künstlerin Wipke Iwersen ins Leben gerufen, die einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend auf dem Segelschiff ihres Großvaters und ihrer Eltern auf der Nordsee verbrachte, auf dem sie mittlerweile selbst der Skipper ist.

Unter dem Titel Expedition zum Ursprung des Windes beginnt sie im Jahr 2004 mit dem Bau ihres ersten, noch winzigen Windvinder-Modells, ein unbemanntes Forschungsschiff dessen Gabe es ist, Gegenwind in Antrieb zu verwandeln. Weshalb es stets in den Wind hinein fährt, auf einer fast metaphysischen, selbständigen Reise. Oder wie es Wipke selbst beschreibt:

„Ein neuer Fliegender Holländer ist auf Reisen, unterwegs zum Ursprung des Windes: Gemacht um zu verschwinden und wieder aufzutauchen, um eine Legende zu werden, um durch viele Hände zu gehen. Alle Einzelteile dieses unbemannten Schiffes sind mit Instruktionen beschrieben für die Menschen, die es finden werden: Sie sollen es reparieren und wieder auf die Reise schicken.“

Junger Windvinder

Junger Windvinder

Bereits 2005 kann auf der Ausstellung ,North’ während der SAIL in Amsterdam ein ,junger’ Windvinder gezeigt werden. Ihm folgen Versuche mit den verschiedensten Versionen von Windrädern und Schiffsschrauben, während in den ausführlichen und üppig bebilderten Beschreibungen der Baufortschritte zu sehen ist, mit welch einer Akribie, Umsicht und Liebe gearbeitet wird.

Keine Schrauben und Nägel, sondern nur Dübel und miteinander vernähte Elemente aus massiver Eiche, wodurch das Skelett extrem flexibel bleibt. Eine bislang noch nie gesehene Rumpfform mit zusätzlichen Rammköpfen, sodaß bei etwaigen Zusammenstößen kaum Schaden entsteht. Und... und... und...

Der Sposor Proven Energy baut eine sturmsichere Nabe, die selbständig (und rein mechanisch) die Tourenzahl reguliert: Bei Windstärke 10 dreht die Turbine mit der gleichen gesunden Geschwindigkeit wie bei Windstärke 4. Und bei Orkan falten sich die Blätter allmählich nach achtern – doch selbst dann arbeiten sie noch!

Im Jahr 2008 startet der erste Windvinder in voller Größe. Die Expedition zum Ursprung des Windes beginnt in etwa jener Ecke des Pazifiks, wo sich vor vielen tausend Jahren einige Menschen in ihre Kanus gesetzt haben, um die Weite des ausgedehntesten Ozeans dieser Welt zu erkunden und neue Siedlungsorte zu finden.

Windvinder

Windvinder

Seit seiner vorläufigen Fertigstellung ist das Gegenwind-Schiff auf unbemannter Weltreise – und das Erhoffte geschieht wirklich: Immer wieder gibt es Sichtungen, Fischer schleppen das Boot ab, reparieren einige Schäden, und lassen es wieder frei, andere fügen Verbesserungen hinzu oder beginnen mit Nachbauten, die alsbald ebenfalls auf die Suche nach dem Ursprung des Windes gehen.

Alles selbstlos, und nur aus Liebe zur Sache und aus Wertschätzung gegenüber diesem bewundernswerten Objekt.

Anfang 2012 restauriert Wipke den Wilhelmshavener Traditionssegler Thor, mit dem sie im Pazifik auf die Suche nach ihrer Schöpfung gehen will, die offenbar schon viele Nachahmer animiert hat, ähnliche Gefährte auf die Reise zu schicken.

Anders sind die zeitnahen Sichtungen von unbemannten Seglern in Entfernungen von mehreren hundert Kilometern nicht zu erklären. Wipke selbst war schon dreimal vor Ort und hat erlebt, wie Fischer ihre Idee aufnehmen und mit einfachen Mitteln selbst Windfinder bauen - mit Rümpfen aus Bambus und Segeln aus Jutesäcken.

Ich kann nur von Herzen empfehlen, sich die mehrsprachige Homepage von Wipke Iwersen anzusehen – und die Initiatorin nach bestem Vermögen zu unterstützen!

 

Weiter mit den Gegenwindfahrzeugen...