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Alternative Antriebe in der Raumfahrt (2)

Neben dem Vertrag mit Ad Astra stellt die NASA im Jahr 2015 eine ähnlich hohe Fördersumme auch der Firma Aerojet Rocketdyne mit Hauptsitz in Rancho Cordova, Kalifornien, zur Verfügung, um an ,verschachtelten’ Hall-Triebwerken zu arbeiten, mit denen eine höhere Leistung erreicht werden soll. Ein derartiges System aus mehreren zusammenzuhängen Triebwerken möchte die NASA bei einer Asteroiden-Umleitungsmission (Asteroid Robotic Redirect Mission, ARRM) ebenso zum Einsatz bringen, wie auch bei zukünftigen Mars-Missionen.

Die Firma ist das heutige Gesicht der 1942 in Pasadena von dem berühmten Aerodynamiker Theodore von Kármán, dem Anwalt Andrew Haley und Kollegen des California Institute of Technology gegründeten Aerojet Engineering Corp. Diese wird im Jahr 1996 Teil der Boeing Defense Division, und 2005 trifft Boeing eine Vereinbarung mit Pratt & Whitney, um Rocketdyne in deren Abteilung ,Propulsion & Power’ zu überführen.

2013 erwirbt Aerojets Muttergesellschaft, die Aerojet Rocketdyne Holdings Inc. (ehemals: GenCorp Inc.), die Rocketdyne Division von Pratt & Whitney, um die neue Aerojet Rocketdyne zu bilden. Neben vielen anderen Produkten lieferte die Firma auch die Hauptmotoren für die Space Shuttles.

ROSA

ROSA

Im April 2016 schließt die NASA einen Vertrag in Höhe von 67 Mio. $ mit Aerojet Rocketdyne, um innerhalb von drei Jahren ein Advanced Electric Propulsion System (AEPS) für die Raumfahrt zu entwerfen. Geleitet wird das Projekt von einem Ingenieur-Team des NASA Glenn Research Center, mit zusätzlicher technischer Unterstützung durch Ingenieure des Jet Propulsion Laboratory (JPL). Das AEPS ist der jüngste Schritt des NASA-Projekts Solar Electric Propulsion (SEP).

Im Rahmen des Vertrages soll ein Antriebssystem entwickelt und geliefert werden, das ein Ionen-Triebwerk, eine Leistungsverarbeitungseinheit, einen Niederdruck-Xenon-Durchflußregler und das elektrische Netzwerk umfaßt. Der erforderliche Strom von ca. 50 kW soll durch ein fortschrittliches Solar-Array-System erzeugt werden, dessen Konstruktion ebenfalls vom Space Technology Mission Directorate (STMD) der NASA finanziert wird.

Zur Auswahl steht dabei einmal ein 35 kW Roll Out Solar Array (ROSA) der 2008 gegründeten kalifornischen Firma Deployable Space Systems Inc. (DSS) aus Goleta, die eine ganze Palette extrem leichter, ausrollbarer Solarpaneele anbietet, die teilweise auch als flexible oder starre Konzentrator-Arrays mit Fresnel-Linsen ausgearbeitet sind (SOLAROSA).

Der Raumfahrt- und Rüstungskonzern Alliant Techsystems (ATK; inzwischen: Orbital ATK) mit Sitz in Dulles, Virginia, hat seinerseits für die SEP-Missionen ein schirmartiges 40 kW MegaFlex Solar-Array mit einem Durchmesser von 9,6 m entwickelt, das sich wie ein Fächer 360° um eine Zentralachse entfaltet und zehnmal mehr Leistung als die größte aktuelle Satelliten-Solar-Array-Technologie liefern soll.

Im Oktober 2012 hatte ATK von der NASA 6,4 Mio. $ erhalten, um ultraleichte Hochleistungs-Solar-Arrays für die Stromversorgung großer SEP-Systeme zu entwickeln, deren Tests im Mai 2014 erfolgreich abgeschlossen werden konnten.Das MegaFlex Solar-Array basiert auf der bewährten UltraFlex Solar-Array-Reihe von ATK, die u.a. die im Mai 2008 auf dem Mars gelandete NASA-Raumsonde Phoenix betrieben hat.

HERMeS

HERMeS

Die Arbeiten beim AEPS-Projekt könnten die Effizienz des Raumtransports gegenüber der aktuellen chemischen Antriebstechnik um das zehnfache erhöhen, sowie die Schubfähigkeit im Vergleich zu den gegenwärtigen elektrischen Antriebssystemen mehr als verdoppeln.

Bei der vorstehend genannten AARM-Mission (o. Asteroid Redirect Mission, ARM) soll Mitte der 2020er Jahre ein solarbetriebenes Raumfahrzeug einen Felsblock von der Oberfläche eines Asteroiden holen und in die Nähe des Mondes zurückbringen, wo ihn Astronauten einfangen und studieren können. Dabei soll das größte und fortschrittlichste SEP-System getestet werden, das jemals für Weltraummissionen entwickelt wurde.

Für die AARM-Mission wird 2016 vom GRC und JPL auch ein 12,5 kW Hall-Antrieb mit magnetischer Abschirmung entwickelt (Hall Effect Rocket with Magnetic Shielding, HERMeS). Die erste Entwicklungseinheit (Technology Development Unit 1, TDU-1) zeigt eine dreimal höhere Leistung als die aktuellen Elektro-Triebwerke und eine um 50 % höhere Kraftstoffeffizienz als die sonstigen modernen Hall-Triebwerke.


Eine etwas geringere Fördersumme von der NASA bekommt im Jahr 2015 auch die Firma MSNW LLC aus Redmond, Washington. Das 1994 gegründete Unternehmen soll eine andere Art von Elektroantrieb entwickeln. Es hatte zwischen 2009 und 2014 schon mehrere Verträge mit der NASA geschlossen, mit einem Gesamtumfang von gut 1 Mio. $, um einen Electromagnetic Plasmoid Thruster (EMPT) mit einer Masse von weniger als 1,5 kg zu entwickeln.

Der hocheffiziente EMPT wird als revolutionäres Elektro-Triebwerk mit einer spezifischen Leistung von mehr als 700 W/kg beschrieben, das gegenüber herkömmlichen Antriebssystemen im Bereich von 200 – 3.000 W eine dramatische Abnahme der Systemmasse bei gleichseitiger Erhöhung der Schubwirkung ermöglichen soll. Ein solar-elektrisches EMPT-System würde zusätzlich die Flugzeit einer Asteroiden- oder Mars-Proben-Beschaffung drastisch verringern.

Der EMPT ist ein gepulstes Gerät, das ein rotierendes Magnetfeld (Rotating Magnetic Field, RMF) verwendet, um innerhalb eines konischen Triebwerks große Plasmaströme zu erzeugen, wodurch ein Plasmoid ensteht, der magnetisch von den Triebwerkswänden isoliert ist. Das verstärkte Gradientenmagnetfeld aus dem Plasmoid führt zusammen mit den großen Plasmaströmen zu einer enormen Kraft, die das Plasmoid mit hoher Geschwindigkeit ausstößt. Zum Einsatz kommt Xenon oder Argon.

2014 wird an einem Electrodeless Lorentz Force Thruster mit der Modellbezeichnung ELF-160A gearbeitet, der die Fähigkeit hat, jedes gasförmigenTreibmittel effizient zu ionisieren und elektromagnetisch über eine breite Palette von spezifischen Impulsen zu beschleunigen. Das Triebwerk erzeugt ein hochdichtes, magnetisiertes Plasmoid, das von einem RMF, gekoppelt mit dem verstärkten axialen Magnetfeldgradienten, auf eine hohe Geschwindigkeit beschleunigt wird.

ELF-250 Grafik

ELF-250 (Grafik)

Der ELF-160A ist völlig elektrodenlos, das Treibmittel ist magnetisch vom Triebwerkskörper isoliert, quasi-neutral und es gibt keinen Kontakt zwischen dem Hochtemperatur-Treibstoff und dem Triebwerk. Das vom Air Force Office of Scientific Research (AFOSR) finanzierte 200 kW Triebwerk wird mit Stickstoff, reinem Sauerstoff und Xenon als primäre Treibmittel getestet und zeigt bei über 100 Stunden Betrieb keine lebensbegrenzenden oder Erosionsprobleme. Darüber hinaus wird der Bau eines fortgeschrittenenen Modells ELF-250 geplant.

Beim aktuellen Update im Mai 2017 scheint die Firma aber nicht mehr sehr aktiv zu sein – dafür aber ihr Spin-Off Helion Energy Inc. (mit personellen Überschneidungen), das ebenfalls in Redmond beheimatet ist. Hier wird eine magneto-inertiale Fusions-Technologie namens Fusion Engine entwickelt, die primär auf den Arbeiten des Firmengründers John Slough an der University of Washington basiert. Der Ansatz kombiniert die Stabilität der magnetischen Eindämmung mit einer einmal-pro-Sekunde gepulsten Inertialfusionserhitzung.

Die Technologie der Fusion Engine beruht auf den von 20052012 bei der MSNW durchgeführten Experimenten mit induktiven Plasmoid-Beschleunigern (Inductive Plasma Accelerator, IPA), die sich Helion Energy nun lizenzieren läßt. Da sie den Nuklearantrieben zuzuordnen ist, werde ich hier nicht weiter darauf eingehen.

Interessanter ist, daß die MSNW im Rahmen des seit etwa 2013 bestehenden Programms Magnetoshell Aerocapture (MAC), das vom NASA Institute for Advanced Concepts (NIAC) unterstützt wird, auch an einer neuen Methode zum Abbremsen von Raumsonden arbeitet, die u.a. Langzeitstudien der äußeren Planeten und ihrer Monde ermöglichen würde, die mit den bestehenden Bremstechnologien nicht möglich sind. Die Nutzung von planetarischen Atmosphären, um Raumfahrzeuge zu erfassen und zu verlangsamen, würde die Kosten, Startmasse und Reisezeit drastisch reduzieren.

Bei der Magnetoshell-Technologie, die auch unter derm Bezeichnung Magnetoshell AAES (Aerobraking, Aerocapture and Entry System) bekannt ist, wird mit einem magnetisierten Plasma ein einfaches Dipolmagnetfeld entfaltet. Die Wechselwirkung der Atmosphäre mit diesem magnetisierten Plasma bildet ein erhebliches Hindernis für die atmosphärische Strömung hinter dem Raumfahrzeug und erzeugt dadurch den gewünschten Widerstand zum Bremsen. Da die Aeroshell aus einem masselosem Magnetfeld besteht, kann die magnetischen Barriere bis zu 100 m groß sein, ohne dabei mehr als ein Gramm Plasma und einen einfachen Kupfermagneten zu benötigen.

Mit der Fähigkeit, den Widerstand bei wechselnden atmosphärischen Bedingungen schnell und präzise zu modifizieren, können nun mit geringem Risiko viel größere Kräfte erreicht werden, was sehr aggressive Aerocapture-Manöver ermöglicht. In der ersten Phase des NIAC-Programms wird ein vollständiges System für Neptun- und Mars-Missionen entwickelt und schließlich ein stationäres Argon-Magnetoshell mit 1,6 m Durchmesser demonstriert, mit dem ein tausendfacher Anstieg des aerodynamischen Luftwiderstandes erzielt wird. Gleichzeitig kann die Erwärmung während eines Aerocapture-Manövers um das 10.000-fache reduziert werden.

Im Juni 2014 erhält die MSNW eine weitere Finanzierung, um die Technik an einem CubeSat zu demonstrieren. Auf dem Foto ist der Prototyp eines von der Partnerfirma Altius Space Machines Inc. aus Louisville (später: Broomfield) in Colorado gebauten MAC-CubeSats im Maßstab 6U zu sehen, der in der Vakuumkammer der MSNW getestet wird. Der kleine Satellit soll 2015 an die Internationale Raumstation ISS geliefert werden, von wo aus er dann eingesetzt wird um zu versuchen, ihn in die Erdatmosphäre eintreten zu lassen, ohne daß er dabei verbrennt. Bislang ließ sich noch nicht verifizieren, daß dieser Plan auch umgesetzt wurde.

Der Satellit wird eine Kupferspule tragen, die von einer Li-Ion-Batterie versorgt wird und ein Magnetfeld um die Sonde erzeugt. Wenn sie aus der Umlaufbahn absteigt, wird sie eine kleine Menge Plasma ausstoßen, die im Magnetfeld gefangen wird und eine schützende Blase schafft, welche die Luftmoleküle stoppt, die mit der Sonde kollidieren und Wärme erzeugen. Die Luftmoleküle fließen in die Plasmablase und absorbieren Elektronen daraus, womit sie ionisiert werden. Diese neu ionisierte Luft bleibt im Magnetfeld gefangen – weshalb der CubeSat schließlich einen ganzen Schwung der Atmosphäre mitschleppt, was effektiv der Schaffung eines Fallschirms aus Gas entspricht.


Auch die Europäische Weltraumorganisation ESA beschäftigt sich mit neuartigen Antrieben und testet den Prototypen eines von MBB/EADS entwickelten RIT-Triebwerks namens RITA-10 (Radio-frequency Ion Thruster Assembly) erstmals 1992 auf der europäischen, rückführbaren Forschungsplattform EURECA (EUropean REtrievable Carrier), einem vom Hauptauftragnehmer MBB-ERNO in Bremen gefertigten Forschungssatelliten, der während der Mission STS-46 des Space-Shuttle Atlantis in einer Höhe von etwa 500 km ausgesetzt wird.

Ein Jahr später wird er im Zuge der Mission STS-57 wieder eingefangen und auf die Erde zurückgebracht, wo er seit dem Jahr 2000 als Schenkung der ESA im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern ausgestellt ist.

EURECA im Museum

EURECA
(im Museum)

Zur Unterscheidung: Beim RIT-Triebwerk (Radiofrequency Ion Thruster) werden die Ionen elektrodenlos mittels induktiver Einkopplung eines Hochfrequenzsignals erzeugt, während im elektrostatischen Ionen-Triebwerk das Gas durch eine Gleichstromentladung ionisiert wird. Beim HET-Triebwerk (Hall Effect Thruster) wiederum ionisiert das Antriebsgas mit Elektronen, die auf einer Kreisbahn geführt werden (s.u.).

Die RIT-Technologie basiert auf Forschungen an Hochfrequenz-Ionen-Antrieben, die ab den 1960er Jahren durch Prof. Horst Löb an der Universität Gießen durchgeführt werden. Im Jahr 1970 tritt die damalige Firma MBB (inzwischen: Airbus Defence and Space) dem Entwicklungsteam bei und übernimmt die industrielle Leitung am Forschungszentrum in Lampoldshausen, wo seitdem kontinuierlich daran weitergearbeitet wird.

RIT werden mit Gitter-Durchmessern von 4 – 35 cm gebaut und getestet, was einem Schubbereich von 2 – 200 mN entspricht. Die ersten RIT, wie das RIT-10 mit einem Gitterdurchmesser von ca. 10 cm, werden für Quecksilber als Treibstoff ausgelegt, doch aus Gründen der Kontamination werden später alle Geräte auf Xenon umgestellt.

Im Juli 2001 startet die ESA den europäisch-japanischen geostationären Kommunikationssatelliten Artemis, auf dem testweise zwei neue Ionentriebwerkstype installiert sind, die sich in ihrer Produktionsweise der Xenon-Ionen unterscheiden. Dies ist zum einen ein deutsches Produkt mit elektrodenloser, mikrowellenangeregter Entladung und 15 mN Schub, und zum anderen ein englisches Produkt mit einer sogenannten Electro-bombardment-Quelle und 18 mN Schub. Von beiden Typen, deren Aufgabe die Korrektur von Bahnstörungen ist, werden je zwei Stück in gemischten Paaren an der Nord- und Südseite des Satelliten installiert, wobei die elektrische Leistung eines Paares 600 W beträgt.

Fast muß Artemis abgeschrieben werden, denn die Ariane 5G Trägerrakete, die den Satelliten zusammen mit dem japanischen Kommunikationssatelliten BSAT 2b in eine geostationäre Transferbahn bringen soll, erreicht ihre volle Leistung nicht, sodaß das Apogäum (die erdfernste Distanz) statt 36.000 km nur 17.000 km beträgt – womit BSAT 2b verloren ist.

Doch Artemis kann gerettet werden: Da sich für den den Einsatz der 16 chemischen Lageregelungstriebwerke und des Apogäumsmotors des Satelliten, der eigentlich dafür vorgesehen ist, auch das Perigäum auf 36.000 km Höhe anzuheben (die erdnächste Distanz), 1.500 kg Treibstoff und Oxidator an Bord befinden, werden nun 95 % davon eingesetzt, um wenigstens eine Kreisbahn in 31.000 km Höhe zu erreichen.

In dieser Parkbahn, außerhalb des gefährlichen Van-Allen-Gürtels, wird die Lageregelung von Artemis so umprogrammiert, daß ein Paar der Ionentriebwerke den Satelliten in seinen geplanten Orbit bringen, wobei der spiralförmige Aufstieg um etwa 20 km pro Tag von Februar bis November 2002 dauert, wobei der zur Verfügung stehende Vorrat an Xenon nur 40 kg beträgt.

Im September 2003 startet dann die erste Raumsonde der ESA, die den Erdmond erforschen und neue Navigations- und Kommunikationstechniken testen soll. SMART-1 (Small Missions for Advanced Research in Technology) ist mit einem neuartigen, solarelektrisch betriebenen HET-Ionenantrieb der französischen Firma SNECMA ausgestattet und damit die dritte Sonde, die einen derartigen Antrieb verwendet, nach der amerikanischen Deep Space 1 (s.o.) und der bereits im Mai 2003 gestarteten japanischen Hayabusa (s.u.). Der Hauptauftragnehmer, das staatliche Unternehmen Swedish Space Corporation (SSC), entwickelt die Sonde innerhalb von nur vier Jahren.

Die Trägerrakete vom Typ Ariane 5 hebt die Sonde zusammen mit den Nachrichtensatelliten INSAT-3E und e-Bird zunächst in eine Erdumlaufbahn auf etwa 4.800 Kilometer Höhe, von wo aus sich SMART-1 in einer spiralförmigen Bahn zum Mond ,schrauben’ soll. Was ursprünglich bis März 2005 dauern sollte, geht dann aber wesentlich schneller, da der Ionenantrieb besser funktioniert als erwartet, sodaß die Sonde schon Mitte November 2004 im Abstand von 5.000 - 6.000 km in eine Umlaufbahn um den Mond einschwenken kann. Die Energie für das Ionen-Triebwerk wird mit Hilfe von Solarzellen generiert, und als Treib- bzw. Stützstoff sind etwa 84 kg Xenon an Bord.

DS4G-Ionentriebwerk

DS4G-Ionentriebwerk

Im November 2005 testet die ESA mit dem DS4G-Ionentriebwerk (Dual-Stage 4-Grid) ein neues Konzept, das gemeinsam mit der Australian National University (ANU) in Canberra entwickelt worden ist und die Leistung derartiger Triebwerke dramatisch steigert. Das Prototyp-System stäßt einen Strahl mit einer Geschwindigkeit von 210 km/s aus, was vier mal schneller als der aktuelle Stand der Technik ist und das System damit auch 4 mal wirksamer macht.

Der DS4G-Antrieb basiert auf einem Konzept, das erstmals im Jahr 2001 von David Fearn vorgeschlagen wurde und vier Beschleunigungsgitter statt der üblichen drei vorsieht, wie sie bislang bei Gitternetz-Ionentriebwerken (Gridded Ion Engine, GIT) im Einsatz sind. Die Zugabe dieser vierten Elektrode in einer optimierten Konfiguration könnte das DS4G-Konzept sogar bis zu zehn mal effizienter machen als die aktuellen Systeme und den Entwurf kompakter Triebwerke mit höherer Leistung ermöglichen.

Auch das von Prof. Rod Boswell erfundene Konzept des Helicon Doppelschicht-Triebwerks (Helicon Double Layer Thruster, HDLT), das im Jahr 2003 von Christine Charles umgesetzt wird – beides ebenfalls Wissenschaftler an der ANU –, wird gemeinsam mit der ESA weiterentwickelt.

Bei diesem Triebwerk-Design wird Gas in einer Rohrkammer (die Quellenröhre) mit einem offenen Ende eingespritzt, in die mittels einer speziell geformten, um die Kammer herum gewickelte Antenne eine Radiofrequenz-Wechselstrom-Leistung von 13,56 MHz eingekoppelt wird. Ein Prototyp des Raumfahrzeug-Antriebsmotors mit 15 cm Durchmesser wird im 2009 und 2010 Tests unterzogen, ein späterer Thruster wird in der Wombat XL genannten Raum-Simulationsanlage am Space Plasma Power and Propulsion Laboratory der ANU untersucht.

ANU

HDLT

Im Juni 2012 folgen Berichte, denen zufolge der HDLT zwischenzeitlich in der Lage ist, praktisch jede Art von Treibmittel zu verwenden, einschließlich menschlichen Urins. Die Weiterentwicklung des neuen Plasma-Antriebs erfolgt durch Forscher der ANU, die mit Kollegen der Firma EADS-Astrium und dem Surrey Space Center zusammenarbeiten. Sie werden dabei durch einem Zuschuß aus dem Ministerium für Industrie, Innovation, Wissenschaft, Forschung und Tertiäre Bildung in Höhe von 3,1 Mio. AU-$ finanziert.

Boswell zufolge gibt es auf der Internationalen Raumstation ISS ein System, das Wasser aus dem Urin extrahiert und als ,russischer Pisse-Presser’ bekannt ist. Dessen Ergebnis mit einem pH-Wert um eins könne man gut nutzen. Zudem sei das HDLT-Triebwerk extrem sparsam. Die Entwicklung des Testmodells als auch des endgültigen Triebwerk-Prototyps soll voraussichtlich bis 2013 abgeschlossen sein, und bis Ende 2014 ist geplant, das Triebwerk zu verwenden, um einen ersten Testflug mit einem Satelliten durchzuführen.


Im Januar 2008 erhält das Raumfahrt-Unternehmen EADS Astrium in Friedrichshafen den Projektauftrag der ESA für die Entwicklung und den Bau eine Sonde namens BepiColombo, die im Rahmen einer Kooperation zwischen der ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA eigentlich 2013 zum Merkur starten sollte. Das Auftragsvolumen beträgt 350,9 Mio. €. Die Gesamtkosten inklusive Start und Betrieb bis 2020 werden auf 665 Mio. € geschätzt.

Den solarbetriebenen Ionen-Antrieb namens T6 stellt das britische Rüstungs- und Forschungsunternehmen QinetiQ her, das vom Auftraggeber Astrium dafür 23 Mio. £ erhält. Die Wichtigkeit des Einsatzes dieses Antriebs liegt in diesem Fall nicht so sehr in der Beschleunigung zum Erreichen des sonnenächsten Planeten, sondern in der Möglichkeit, dort mittels der solarelektrischen Technologie und der starken Sonneneinstrahlung effektiv abbremsen zu können. Die Firma hatte ihren 28 cm durchmessenden Ionen-Antrieb in den späten 1990ern entwickelt. Bereits 2002 war er von der NASA erfolgreich getestet worden.

Da die Entwicklung diverser Komponenten der Merkur-Mission jedoch länger dauert als geplant, wird der Starttermin zunächst auf Juli 2014, dann auf August 2015, und später auf Januar oder Februar 2017 verschoben. Aktuell ist der Start der auf sieben Jahre veranschlagten Mission für den Oktober 2018 geplant.

Hayabusa Grafik

Hayabusa (Grafik)


Die o.e. Asteroidensonde Hayabusa der japanischen Raumfahrtagentur JAXA wird im Mai 2003 zum Asteroiden (25143) Itokawa gestartet.

Da aufgrund größerer Sonnenstürme einige Solarzellen der Sonde beschädigt werden, wodurch die Ionentriebwerke weniger Strom erhalten und somit weniger Schub liefern können, verzögert sich das ursprünglich geplante Ankunftsdatum vom Juni 2005 auf den September. Dann erreicht die Sonde wohlbehalten ihr Ziel und kann auch Bodenproben entnehmen.

Hayabusa ist die erste japanische Raumsonde mit Ionentriebwerken, besitzt Galliumarsenid-Solarzellen mit 2,6 kW Leistung und hat 60 kg Xenon sowie 70 kg chemischen Treibstoff (Hydrazin) an Bord.

Der Rückflug verzögert sich wegen diverser technischer Probleme mit der Lageregelung, den Hydrazintriebwerken und der Datenübertragung zwar um drei Jahre, doch im Juni 2010 tritt die abgetrennte Rückkehrkapsel über Australien wieder in die Erdatmosphäre ein und ist damit das erste Raumfahrzeug überhaupt, daß eine Probe von der Oberfläche eines Asteroiden zurückbringt.

 

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