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Andere elektrische Fahrzeuge

Gravitationsbahnen


Die Idee einer Gravitationsbahn, die sich innerhalb eines Planeten beschleunigt, läßt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, wo sie der britische Wissenschaftler Robert Hooke in einem Brief an Isaac Newton erwähnt. Im 19. Jahrhundert wird das Projekt eines Schwerkraftzuges ganz ernsthaft der Pariser Akademie der Wissenschaften vorgestellt.

Die Technologie kann man am leichtesten nachvollziehen, wenn man sich eine Bohrung vorstellt, die quer durch den Planeten führt – wobei alle technischen, thermischen und sonstigen Probleme einmal ignoriert werden sollen. Würde in dieser Röhre auch noch ein Vakuum herrschen, dann fällt jeder Gegenstand ungebremst von der einen Seite bis zur anderen durch. Deshalb werden zukünftige Umsetzungen eher auf dem atmosphärenlosen Mond gesehen, wo auch von einem ‚kalten Kern’ ausgegangen wird. Ein Zug oder ein anderes Transportmittel würde durch die Schwerkraft immer weiter in den Tunnel hinein beschleunigt, und ab Mitte des Tunnels mit gleicher Kraft wieder abgebremst werden, so daß das Fahrzeug genau am anderen Ende des Schachts zum Stillstand käme. Unter irdischen Verhältnissen würde eine Röhre zwischen Frankfurt und New York eine Fahrzeit von 42 Minuten erfordern, wobei der Zug eine Spitzengeschwindigkeit von 28.500 km/h erreicht – und zwar genau beim Passieren des Mittelpunkts der Strecke.

Im Minengebiet von Colorado soll im Jahr 1868 ein G. W. Cypher eine durch Schwerkraft bewegte Pendelbahn gebaut haben, über die ich bislang aber nichts Näheres herausfinden konnte.

Die Idee einer Gravitationsbahn, allerdings ohne mathematische Berechnungen, wird auch von Lewis Carroll in seinem zweibändigen, 1893 veröffentlichten Roman Sylvie und Bruno beschrieben, wobei es hier auch um die Schwerelosigkeit im Freien Fall geht.

Es muß aber nicht gleich eine komplette Planetendurchbohrung sein, um den Effekt zu nutzen, wie uns die Geschichte dieser Transporttechologie zeigt.


Schwerkraft-Materialseilbahnen
gehören zu den ältesten Anlagen des Gütertransports. Insbesondere in der Forstwirtschaft und im Bergbau werden sie seit langer Zeit und in verschiedenen Teilen der Welt verwendet, da ihre Mechanik sehr einfach ist. Sie besteht aus zwei Wagen, Körben u.ä., welche an zwei getrennten Drahtseilen (Tragseile) entlang rollen, die über zwei Türme am oberen und unteren Ende der Strecke gestützt und angehoben werden. Die Wagen sind mittels Bindungen an einem einzigen Schlingenband (Zugseil) mit kleinerem Durchmesser angeschlossenen. Dieses Zugseil läuft um Umlenkscheiben aus Holz oder Gußeisen, die an jedem Ende befestigt sind. Wenn der beladene Wagen von der Bergstation aus durch sein eigenes Gewicht eines der Tragseile entlang hinunterrollt, wird der andere, leichtere Wagen an dem zweiten Tragseil entlang hinaufgezogen. Die Regulierung der Geschwindigkeit erfolgt mittels einer einfachen Bremse an der Scheibe der Talstation.

Einige Schwerkraft-betriebene Linien, bei denen die Energie durch die absteigende Fracht größer ist als die erforderliche Leistung, um die Wagen wieder bergan zu schleppen, werden sogar zu Netto-Produzenten von Energie. Dabei kann die überschüssige Leistung an jeder beliebigen Stelle entlang der Strecke entnommen und dazu verwendet werden, um in der Nähe befindliche Maschinen anzutreiben, wie z.B. Erzmühlen, Pumpen oder Sägewerke. Derartige Seilbahnen boten somit die zusätzliche Möglichkeit der Versorgung benachbarter Fabriken allein durch Schwerkraft. Während diese überschüssige Energie früher durch mechanische Mittel (Seile) übertragen wurde, nutzen sie heutige Frachtseilbahnen zur Stromerzeugung (mehr dazu unter Lageenergiespeicher).

Frühformen dieser Bahnen sind die sogenannten Seilriesen (oder Kabel-Krane), wie sie aus der Schweiz bekannt sind und für die mit Schwerkraft wirkende Beförderung von an Rollen aufgehängten Baumstämmen eingesetzt werden. Im Unterengadin wird mit einer 1936 gebauten Valtellina-Umlaufseilbahn noch bis Ende der 1970er Jahre Holz befördert. Ein Exemplar dieses robusten, gegen Regen und Schnee resistenten, und nur durch die Schwerkraft in Gang gehaltenen Seilbahntyps steht heute in einem Wald bei Sur En, wo sie der Revierförster zu Demonstrationszwecken hin und wieder in Betrieb setzt.


Valtellina-Schwerkraftseilbahn

Die genaue Herkunft der Veltliner-Seilbahn läßt sich aus den Quellen nicht eindeutig bestimmen. Einerseits soll Stiliano Tongi aus Roveredo die Valtellina 1896 erfunden haben, der dafür auf der Landesaustellung in Genf ein Diplom und eine Bronzemedaille erhält. Anderseits war das Prinzip der Umlaufseilbahn schon deutlich vor 1896 bekannt und auch eingesetzt worden. Ziemlich sicher ist, daß die Umlaufseilbahnen aus den italienischen Hochalpentälern stammen, und daß sich ihr Funktionsprinzip durch Saisonarbeiter dann in den Nachbarländern verbreitete. Im Jahr 1900 sind im Tessin noch 19 Veltlinerbahnen im Betrieb, die durch den zunehmenden Forststraßenbau und die effizienteren Seilkrananlagen bald darauf aber verdrängt werden. In den 1950er Jahren sind im Misox (Graubünden) noch sieben permanente Schwerkraft-Anlagen im Betrieb; die letzte Seilbahn im Val Montogno wird 1983 zurückgebaut. Auch in Italien werden die Umlaufbahnen wegen des Nationalstraßenbaus abgebrochen, die letzte 1993 in der Nähe von Trento.

Primär agrarwirtschaftlich genutzte Kleinseilbahnen werden in Europa kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert bekannt. Eine der ältesten Anlagen, die auch das Ursystem der zweispurigen Pendelbahn verkörpert, befindet sich in der Schweiz. Was nur logisch ist, da diese Technik ja nur in gebirgigen Gegenden einsetzbar ist. Die einfache, aber noch heute täglich benutzte Niederberger-Materialseilbahn stammt aus dem Jahr 1912 und führt von der kleinen Siedlung Mettlen im Engelberger-Tal nach Vorder Rugisbalm. Sie besitzt Umlenkscheiben aus Holz und wird mit dem Gewicht der vollen, auf einer einfachen Plattform stehenden Milchkannen angetrieben, die in das Tal transportiert werden.

Inzwischen feiern die Schwerkraft-Seilbahnen eine Renaissance in Nepal. Die seit 1979 im Himalya aktive britische Hilfsorganisation Practical Action (früher: ITDG) aus Rugby, startet im Jahr 1998 ihr Transport-Programm, bei dem innovative Verkehrssysteme wie Kabel-Flußüberquerungen (Tuin, s.u.), Fahrrad-Krankenwagen und -trailer sowie Schwerkraft-Seilbahnen verbessert und gefördert werden, um das Leben von Familien in abgelegenen und bergigen Gebieten dieses Landes zu erleichtern, das zu 83 % aus Hügeln und Bergen besteht.

Die Technologie der Schwerkraft-betriebenen Seilbahnen, die der Organisation zufolge aus dem indischen Bundesstaat Himanchal importiert wurde, wo Schwerkraft-Seilbahnen allgegenwärtig sind, wenn auch in einfacher Form, wird erstmals im Jahr 2001 in Marpha, District Mustang, demonstriert – in Zusammenarbeit mit dem International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD).

Schwerkraftseilbahn in Nepal

Schwerkraftseilbahn in Nepal

Wie sinnvoll ihr Einsatz ist, ist leicht zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie anstrengend und gefährlich es sein kann, die Ernte auf den Markt hinunter zu bringen – und es sind in der Regel Maultiere, Frauen und Kinder, welche die schweren Lasten auf dem Rücken tragen. Wenn es regnet oder einen Erdrutsch gibt, es ist völlig unmöglich die gewundenen, tückischen Feldwege hinabzusteigen. Um 120 kg Gemüse oder Obst einen 1,3 km langen, steilen Bergpfad zu Tale zu tragen, können zwei Menschen auch unter normalen Umständen über drei Stunden benötigen. Mit der einfachen und umweltfreundlichen Schwerkraft-Seilbahn legen die Produkte die gleiche Strecke in weniger als fünf Minuten zurück.

In den darauffolgenden zehn Jahren werden mit technischer und finanzieller Unterstützung durch Practical Action, der EU sowie Trusts und Stiftungen aus Großbritannien, in verschiedenen Teilen von Nepal insgesamt 21 neue Schwerkraft-Lastseilbahnen installiert, die auch mechanisch und strukturell weiterentwickelt sind. Gemeinsam mit dem regierungsseitigen Department of Local Infrastructure Development and Agriculture Road (DOLIDAR) wird eine technische Richtlinie zur Ausarbeitung, Konstruktion, Installation, zum Betrieb und zur Wartung der Lastseilbahnen veröffentlicht. Im Jahr 2010 berichtet auch die Deutsch-Nepalische Gesellschaft e. V. in Köln über zwei geplante Schwerkraft-Lastenseilbahnen im Kathmandu-Tal.


Eine weitere frühe Form der gravitationsnutzenden Technik sind die Waldbahnen, eine spezielle Form der Eisenbahn, deren Aufgabe ebenfalls der Abtransport von Langholz ist. Diese oft mit reiner Schwerkraft betriebenen Bahnen erfordern auf den Zügen unter Lebensgefahr mitfahrende Bremser. Bei Umlaufsystemen werden auf der Gegenseite Leerwagen am Seil nach oben gezogen, während bei geringem Gefälle auch nur mit Bremsern besetzte Züge hinunter gefahren werden, deren Wagen dann mit einem Pferd wieder bergauf gezogen werden.

Die erste Gravitationsbahn der USA, die Mauch Chunk & Summit Hill Railroad, (auch: Summit Hill-Mauch Chunk Railroad o. Switchback Gravity Railroad), deren Bau 1827 erfolgt, transportiert Kohle von den Minen bei Summit Hill bis zum Fluß Lehigh und zum Kanal in Mauch Chunk. Ab 1829 werden gelegentlich auch Passagiere mitgenommen. Auf der 14,4 km langen Strecke bewegen sich die beladenen Loren allein durch die Schwerkraft angetrieben bergab. Nach ihrer Entleerung werden sie von Mauleseln die Schiene entlang wieder nach oben gezogen. Es müssen sehr zufriedene Tiere gewesen sein, denn sie durften in eigenen Wagen immer wieder mit hinunterfahren, während sie auch noch gefüttert wurden.

Im Jahr 1845 werden auf den Gipfel der Berge Mt. Pisgah und Mt. Jefferson Motorhäuser mit stationären Dampfmaschinen gebaut, und nachdem auch noch eigene Rückkehr-Spuren gelegt sind (Back Tracks), läuft der Verkehr endlich rund und ohne Engpaß mehr. Nach Verbreitung der neuen Dampfloks und der Eröffnung neuer Strecken und anderer Kohleminen wird die Switchback Gravity Railroad 1872 umgebaut und zu einem rein touristischen Betrieb, der 1898 von der Central Railroad of New Jersey erworben wird. Die zu diesem Zeitpunkt 28,8 km lange ‚Rundstrecke’ bleibt über Jahrzehnte in Betrieb und wird erst 1933 geschlossen und vier Jahre später als Schrott verkauft.

Unter dem Namen Gravity Railroad betreibt die Delaware and Hudson Canal Co. ab 1829 ein weitläufiges Bahnsystem in Pennsylvania, um Kohle aus Carbondale über die Moosic Mountains bis zum Delaware and Hudson Canal in Honesdale zu transportieren. Manchmal wird auch dieses Netz als das erste Schwerkraftbahn-System der USA bezeichnet. Bei der Delaware and Hudson Gravity Railroad kommen nichtmotorisierte Züge zum Einsatz, die unter Einwirkung der Schwerkraft bis zu den tiefsten Punkten der Streckenabschnitte rollen, wo sie an einem Kabel befestigt werden und durch eine stationäre Dampfmaschine eine kurze, steile Rampe hinaufgezogen werden. Wieder freigelassen wird der nächste Streckenabschnitt durchquert. Die vollgeladenen Wagen haben Rampen in die Richtung von Honesdale, die leeren in Richtung von Carbondale. Es ist ein sehr bequemes und wirtschaftliches Verfahren, die Kohlewaggons von den Gipfeln der Berge in die Täler und darüber hinaus schaffen. Erst als der Kanal 1899 aufgegeben wird, wird auch der Betrieb der Schwerkraft-Eisenbahn eingestellt, die Strecke auf Normalspur verbreitert und in eine ‚ordentliche’ Dampf-Eisenbahn verwandelt.

Das mit 88 km Streckenlänge und 22 Rampen größte Schwerkraftbahnen-Netz der USA ist die Pennsylvania Coal Company Gravity Railroad. Eine 75,2 km lange Linie verbindet Paupack Eddy (Hawley) mit Port Griffith (Pittston) und erlaubt dem Unternehmen, seine Anthrazitkohle von den Minen direkt zum Hudson Canal und damit zu den Märkten von New York zu bringen. Diese Schwerkraftbahn bleibt bis 1885 in Betrieb. Ein Jahr später wird das Equipment von dem neuen Shohola Glen Summer Resort übernommen und dort bis 1907 genutzt, um den Transport der Besucher von der Station Shohola an der Erie Railroad Linie zu dem etwa 1,6 km entfernten Haupteingang des Freizeitparks zu gewährleisten. Den Antrieb für die Aufwärtsfahrt der mit 25 bis 40 Passagieren besetzten Wagen liefert das große Wasserrad eines ehemaligen Sägewerks.

Im Jahr 1832 wird auch in Großbritannien eine Schwerkraftbahn gebaut, die hierzulande allerdings Gravity Railway genannt wird (statt Railroad). Mit der Ffestiniog Railway in Gwynedd, Wales, wird Schiefer aus den hochgelegenen Steinbrüchen ans Meer bei Porthmadog befördert. Die beladenen Wagen werden durch die Schwerkraft hinabgezogen, während die leeren Wagen von Pferden den Berg wieder hinaufgeschleppt werden. Talwärts fahren die Pferde in einem eigenen Wagen am Ende des Zuges mit. Später wird auch in Gwynedd eine Dampfmaschine eingeführt.

Thompson Schwerkraftbahn Grafik

Thompson Schwerkraftbahn (Grafik)

Im Jahr 1884 kann der Erfinder und Geschäftsmann LaMarcus Adna Thompson aus Philadelphia, manchmal auch ‚Father of Gravity’ genannt, auf Coney Island in Brooklyn, New York, seine erste Schwerkraft-betriebene Achterbahn der USA einweihen, an der er ab 1881 gearbeitet hat, nachdem ihn die für Touristen genutzte ehemalige Summit Hill/Mauch Chunk-Kohlebahn dazu inspiriert hatte (s.o.). Die Switchback Railway trägt ihren Namen, weil die Fahrzeuge zum Start von Mitarbeitern angeschoben, und am Ende wieder auf die Starthöhe zurück geschoben und für die Rückfahrt gedreht werden müssen. Ansonsten werden sie ausschließlich durch die Schwerkraft auf ihre Fahrtgeschwindigkeit von rund 10 km/h gebracht. 1886 läßt sich Thompson seine Erfindung patentieren (US-Nr. 332.762) und baut anschließend weitere Bahnen dieses Typs an mehreren Orten der USA, von denen einige bis 1954 in Betrieb gewesen sein sollen.

Interessant wird es im Jahr 1888, als Thompson für Philadelphia das Konzept eines Schwerkraft-betriebenes Nahverkehrssystems vorschlägt, das seinen Weg sogar in renommierte Magazine wie Scientific American und Manufacturer and Builder findet. Sein Gravity System for Rapid Transit kombiniert den Gravitationsbetrieb mit einem Seilbahnsystem, und nutzt dabei unterschiedliche Höhen für Stationen und Strecken. Die Hochbahnstruktur aus Holz oder Eisen besitzt eine Reihe von absteigenden und aufsteigenden Fahrspuren, auf denen das Reisen über die Schienen durch die Schwerkraft gefördert wird – ergänzt durch Kabelzüge an bestimmten Punkten.

Wie auf den Bildern zu erkennen ist, hat jede Fahrspur zwei Wellen in Nähe der Stationen. Wenn sich ein Wagen der Station nähert, greift eine Mechanik das Kabel, das durch einen stationären Motor auf dem Bahnhof bewegt wird, und zieht den Wagen über die niedrigere Welle bis zum Bahnsteig. Nach dem Aus- und Einsteigen der Passagiere wird der Wagen mit derselben Greifeinrichtung über die höhere Welle gezogen – und dann freigelassen, worauf er selbständig bis zu nächsten Station rollt, wo sich das Prozedere wiederholt. Es wird geschätzt, daß eine Geschwindigkeit bis zu 20 km/h erreicht werden kann.

Gravity car no. 21 (ca. 1915)

Gravity car no. 21
(ca. 1915)

Die klaren Vorteile: Der Fuhrpark benötigt keinerlei eigene Motoren, ist leise und ‚umweltfreundlich’ (obwohl es dieses Wort damals vermutlich noch nicht gab). Leider wird Thompsons Verkehrssystem nicht verwirklicht – die Fahrt damit hätte bestimmt Spaß gemacht.

Ab 1896 befördern Dampfzüge Fahrgäste auf dem Mount Tamalpais in Marin County, Kalifornien. Im Jahr 1902 beginnt dann der Transport der Passagiere vom Gipfel des Berges hinunter mittels Schwerkraft-Waggons, die über eine kurvige einspurige Bahnstrecke schließlich in der Stadt Mill Valley landen, und ab 1907 auch in Muir Woods. Anschließend werden die Waggons der Mount Tamalpais & Muir Woods Railway von großen Dampflokomotiven wieder auf den Gipfel zurückgeschleppt.

Im Mai 2009 eröffnet übrigens am östlichen Gipfel des Mount Tamalpais das Gravity Car Barn Museum, um dieser alten Form des Transports zu gedenken. Ein nachgebauter Schwerkraftwagen fährt dort über eine 25 m lange Spur.


Eine besondere Art von Schwerkraftbahnen sind Holzschwemmanlagen, die geschlagene Holzstämme aus dem Hochwald über Wasserrinnen ins Tal befördern. Bei ihren Vorgängern, Riesen oder Holzriesen genannt, werden fünf bis zwölf Rundhölzer zu einer rutschbahnartigen Gleitrinne zusammen gezimmert und von einem Joch getragen. Sie verbrauchen allerdings häufig ein Drittel des gesamten Holzes, das sich auf ihnen befördern läßt, ihr Verschleiß ist hoch und ihre Lebensdauer beträgt nur wenige Jahre. Die Technik ist uralt, und schon zur Zeit des Königs Nebukadnezar II. im 7. Jahrhundert v. Chr. soll das Zedernholz aus dem Libanon mit Hilfe von Riesen zu Tal verbracht worden sein. In den Feucht- und Trockenriesen gleitet das Holz durch sein eigenes Gewicht durch die Rinne, die vom Wasser feucht und glatt gehalten wird.

Dem österreichischen Förster Viktor Schauberger gelingt es im 20. Jahrhundert durch das Kopieren der Besonderheiten natürlicher, mäanderförmiger Flußläufe innovative Holzschwemmanlagen (Wasserriesen) zu errichten, die mit minimalen Wassermengen funktionieren und trotzdem bis zu 50 km lang sind und Transportleistungen von mehr als 100 Festmetern Holz pro Stunde aufweisen. 1922 baut Schauberger für Fürst Adolf von Schaumburg-Lippe mehrere Holzschwemmanlagen, welche die Holz-Transportkosten um mehr als 90 % verringern und auch eine deutliche längere Lebensdauer als alle bisherigen Systeme haben. Durch optimale Ausnutzung der Wassertemperatur und gezielte Verwirbelung des Wassers in den Kurven können auch schwere und eigentlich nicht flößbare Holzstämme wie Buche und Eiche transportiert werden.

1924 wird Schauberger Reichskonsulent (Berater) für Holzschwemmanlagen für den jungen österreichischen Staat. Er ist am Bau von drei Großanlagen maßgeblich beteiligt: Großraming, Klausen-Leopoldsdorf (bei Wien) sowie eine Anlage bei Bad Ischl (Rettenbachwildnis). Eine weitere sehr große Anlage im Mürztal bei Neuberg, wird 1928 fertiggestellt und 1929 von dem österreichischen Fremdenverkehrsbüro in dem Film Tragendes Wasser dokumentiert. Die Holzschwemmanlage ist bis 1951 in Nutzung, danach ist der gesamte Hochwald abgeholzt und der Betrieb wird eingestellt. In den 1930er Jahre baut Schauberger eine Reihe von Holzschwemmanlagen in Österreich, dem damaligen Jugoslawien, in der Türkei und anderen Ländern. Mehr über Schauberger berichte ich im Teil D unter Wirbelströmung 3.


Die Idee der Gravitationsbahn wird erst in den 1960er Jahren wiederentdeckt, als der Physiker Paul Cooper in dem American Journal of Physics einen Artikel veröffentlicht, in welchem er Schwerkraft-Züge als zukünftiges Transportmittel vorschlägt.


Kurz vor Ende der 1960er beschreibt der Lockheed-Ingenieur Lawrence K. Edwards eine Idee namens Gravitrain. Er will U-Bahn-große Waggons für einen schnellen Personennahverkehr in Stadtregionen durch Tunnel laufen lassen. Wie ein Achterbahnwagen sollen sie nach einer Station in einen zunächst abwärts führenden Tunnel hineinfallen und durch Gravitation und Masse einen Vortrieb erzeugen.

Währenddessen würde die Luft vor dem Waggon aus dem Tunnel nach hinter gepumpt, um den Waggon so bis zur nächsten Station zu saugen. Edwards versucht mit seiner Firma Tube Transit die Stadt San Francisco von seiner Idee zu einem Bay Area Gravity-Vacuum Transit 3 zu überzeugen, doch das Konzept ist der Regierung offenbar zu ausgefallen.


In den folgenden Jahrzehnten werden immer mal wieder Berechnungen angestellt, doch einer praktischen Umsetzung nähert sich niemand. Und eine weite Bekanntheit erfährt das Konzept des Gravitationszuges eigentlich erst durch den Film ‚Total Recall’ (die Neuverfilmung von 2012). Dort heißt das Verkehrsmittel einfach The Fall – und verbindet Westeuropa mit Australien.

Aber es gibt inzwischen auch ganz neue Konzepte. Der frühere Nuklearingenieur Robert D. Hunt wandelt sich Mitte der 1980er Jahre zum privaten Erfinder, der sich mit einer Vielzahl von Technologien beschäftigt, angefangen von Aquakulturen bis zu Methoden, die kinetische Energie von Erdgasquellen zu nutzen (1998). Nach der Jahrtausendwende konzentriert er sich auf saubere Methoden zur Stromerzeugung mit niedrigen Temperaturen. Eine vertikale Windturbine mit Klappflügeln, die für Luft- wie auch Wasserströmungen geeignet sei, habe ich bereits in dem entsprechenden Kapitel über Senkrechtachser erwähnt (s.u. Hammurabi-Rotor).

Gravity Plane Montage

Gravity Plane (Montage)

Im Rahmen seiner Firma Hunt Aviation Corp. in Long Beach, Mississippi, entwickelt der Erfinder ein völlig neues Flugzeugkonzept namens Gravity Powered Flight, beidem zusammengerechnet die Hälfte der Flugstrecke mittels Schwerkraft betrieben wird. Noch überraschender ist jedoch, wie das revolutionäre, treibstofflose Flugzeug die andere Hälfte bewältigt: Es wird durch die Wärmeenergie der Luft in geringer Höhe angetrieben, indem diese dazu verwendet wird, eine schwere Flüssigkeit in ein (Leichter-als-Luft) Traggas zu verdampfen, was das Flugzeug wie einen Helium-Ballon nach oben steigen läßt.

Der Wärmezyklus schließt sich in der kalten Luft großer Höhe, wo das Traggas in die schwere Flüssigkeit zurückkondensiert, und das Flugzeug – im Grunde ein starrer Gleiter aus leichten Verbundwerkstoffen – daraufhin wieder in Richtung Erde gezogen wird, was mittels Klappflügeln zu einem Gleitflug wie beim Segelflugzeug führt. Wieder in niedriger Höhe angekommen kann die warme Luft erneut genutzt werden, um die Flüssigkeit aufzukochen. Der Prozeß kann beliebig oft wiederholt werden, was zu einem Flugmuster in Form einer Sinuswelle führt, und dazu, daß man so lange fliegen kann wie gewünscht.

Das Konzept des Gravity Plane erscheint 2003 erstmals in der Fachpresse. Das geistige Eigentum, das diese Erfindung möglich macht, ist die neue chemische Formel für das Traggas, das sich unter den angegebenen Bedingungen wieder verflüssigt. Darüber wird öffentlich jedoch nichts bekanntgegeben. Dafür wird in den langatmigen Beschreibungen erwähnt, daß auch der o.e. Senkrechtachser Teil des Energiekonzepts ist. Er soll sowohl Energie erzeugen, wenn das Flugzeug mittels Auftrieb nach oben zieht, als auch wenn es über die Gravitation nach unten gleitet. Nach 2004 scheint es jedoch keine weiteren Aktivitäten gegeben zu haben, auch von Versuchen oder Umsetzungen ist nichts bekannt. Ich finde es aber nett, daß als Hintergrund der Montage die Sinai-Halbinsel gewählt wurde.


Ein sehr individuelles und futuristisches Schwerkraft-Seilbahnsystem stammt von dem Designstudenten Matej Dubiš aus Bratislava, Slovakei.

Sein 2011 veröffentlichtes Experimentaldesign namens The Pulse, das von seiner Grundstruktur an die oben angeführte Anlage von Thompson erinnert, ist das Konzept eines ökologischen und effizienten Transport-Systems für Megacitys der Zukunft.

Die Passagiere werden in unmotorisierten 4-Personen-Kabinen befördert, indem das Seil auf Mitte der Strecke zwischen zwei Stationen von einem Hebemechanismus nach oben bewegt wird, nachdem die Kabine vorbeigerollt ist, sodaß sich diese auch die restliche Entfernung bis zur nächsten Station ausschließlich durch die Schwerkraft vorwärts bewegt.

The Pulse Kabine

The Pulse Kabine

Das Fahrzeug läuft also in regelmäßigen Wellen, wie ein Puls, während das Seil eine biomimetische Technologie mit künstlichen Muskeln nutzen soll, um das Gleiten zu unterstützen.

Die Idee ist durch die Animation gut nachvollziehbar, obwohl sich das Ganze noch in der Phase der Rohidee befindet und bislang auch noch keine technischen oder sicherheitstechnischen Anforderungen berücksichtigt worden sind.

Die Stationsplattformen befinden sich in Strukturen mit der Höhe von Wolkenkratzern, die der Designer mit einem ‚photosynthetischen Dach’ versehen hat, was immer er darunter auch versteht.

Außerdem sieht das System große Fahrzeuge vor, die den Puls entlang laufen, um Hunderte von Passagiere oder Tonnen von Fracht zu transportieren.

Immerhin soll vor diesen Kolossen jeweils ein kleines Sicherheits-Fahrzeug voraus fahren.

 

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