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SolarhÄuser und solare Bauelemente (2021 b)


Kommen wir nun zu einigen der tatsächlich umgesetzten Projekte, die in diesem Jahr gemeldet werden, angefangen mit den Bauten der Solar Decathlon-Wettbewerbe.

Nachdem im April des vergangenen Jahres die 2. U.S. Solar Decathlon Challenge mit 48 teilnehmenden Teams aufgrund der Corona-Panik nur virtuell stattgefunden hat, mit der University of Oregon und der Miami University als die siegreichen Teams, werden im April 2021 die Gewinner der ebenfalls virtuellen 9. U.S. Solar Decathlon Build Challenge bekanntgegeben, an der neun Teams teilnehmen, mit dem Team der University of Clorado Boulder als Sieger.

Zeitgleich läuft die 3. U.S. Solar Decathlon Design Challenge, an der diesmal 63 Teams aus zwölf Ländern teilnehmen, um widerstandsfähige und leistungsstarke Wohnhäuser, Schulen, Büros und Einzelhandelsflächen zu entwerfen, welche mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Neun von ihnen werden gebaut und im allerersten ,Solar Decathlon Virtual Village’ präsentiert. Die siegreichen Teams sind die der University of Oregon auf dem ersten und der Northwestern University auf dem zweiten Platz.

Im Mai findet der 1. Solar Decathlon India statt, mit 24 Teams und virtuell; im September und Oktober der 3. Solar Decathlon China mit 15 Teams; und im November der 3. Solar Decathlon Middle East in Dubai mit acht Teams. Hier ist der Gewinner das Team SCUT x CSCEC (South China University of Technology gemeinsam mit China State Construction Engineering Corporation) mit ihrem energieautarken Solarhaus namens X-House.

Parallel dazu wird der Solar Decathlon Europe 21 (SDE21) erstmals in Wuppertal, Deutschland, ausgetragen, mit dem Fokus auf urbane Nachverdichtung, Sanierung und Weiterbau des Gebäudebestands. Für den Wettbewerb qualifizierten sich 18 Hochschulteams aus elf Ländern, die auf dem Solar Campus im Mirker Quartier in Wuppertal ihre voll funktionsfähigen, nachhaltigen Gebäude errichten.

Aufgrund der Corona-Panik wird das Finale mit der Event- und Ausstellungsphase allerdings auf den Juni 2022 verschoben. Gesamtsieger wird das Team RoofKIT vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit einem Prototyp für nachhaltige, urbane Nachverdichtung, der als Aufstockung auf ein bestehendes Gebäude konzipiert ist. Er besteht aus vier vorgefertigten Modulen mit einem zentralen Kern, in dem alle technischen Installationen sowie Küche und Bad untergebracht sind. Dadurch bleibt fast die gesamte Wohnfläche von 54 m2 flexibel nutzbar für Wohnen, Arbeiten und Schlafen.

Die Energieversorgung basiert auf Photovoltaik-Thermie-Kollektoren (PVT), die sowohl Strom als auch Wärme liefern. Diese dienen als Wärmequelle für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe, die für Heizung und Warmwasser sorgt. Um Energieerzeugung und -verbrauch zeitlich zu entkoppeln und die Eigenversorgung zu optimieren, sind sowohl thermische als auch elektrische Speicher integriert. Nach dem Wettbewerb wird der Prototyp nach Karlsruhe transportiert und dient dort als Gästehaus und Anschauungsobjekt auf dem KIT-Campus.


Ebenfalls im April 2021 beginnt die Pre-Order-Phase für Cabin ANNA, einem vielseitigen Haus, dessen Rahmen sich auf geführten Tragschienen dem Wetter anpassen läßt. Die Entwicklung von Cabin Anna begann im Jahr 2016, als der niederländische Physiker Caspar Anne Schols in Eindhoven für seine Mutter ein Gartenhaus als flexiblen Rückzugsort im Hinterhof entwarf und baute. Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Garden House führt zu einer Reihe von Preisnominierungen und einem Stipendium an der Architectural Association in London, wo Schols bis 2019 ein Architekturstudium absolviert.

In dieser Zeit wird das Konzept weiterentwickelt, da sich Schols ein verkaufbares, voll bewohnbares Haus als Flatpack vorstellt, das als bewegliche, multifunktionale Holzkonstruktion überall auf der Welt auf- und umgebaut werden kann. Das Besondere dabei ist, daß zwei oder vier verschiebbare Hüllen – eine innere aus Holz und Glas, eine äußere nur aus Holz – es erlauben, das Haus je nach Wetter, Stimmung oder Anlaß zu öffnen oder zu schließen.

Das Konzept wird unter dem Namen Cabin Anna im Jahr 2020 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert, als in Holenberg am Rande des Naturschutzgebietes De Maashorst, ein Prototyp entsteht, der Interessierten auch als Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen gewinnt Cabin Anna auch den Architizer A+ Project of the Year Award 2021.

Als einzelne Einheit erscheint Cabin Anna wie eine traditionelle Holzhütte im Wald. Sie besteht aus einem strukturellen Rahmen, dessen Außenwände aus zwei separaten ,Schalen’ gefertigt sind, wobei die Innenwand aus einem Gerüst aus Holz und Glas von der überdachten Außenwand aus Holz getrennt ist. Die Schalen lassen sich auf Stützschienen verschieben, so daß die Kabine je nach Stimmung, Anlaß oder Wetterbedingungen unterschiedlich konfiguriert werden kann.

Cabin ANNA Detail

Cabin ANNA
(Detail)

Wenn das Wetter unter den Gefrierpunkt sinkt und der Wind weht, bildet Cabin Anna eine geschlossene Einheit, die vor der Kälte schützt. Sobald die kalte Nacht vorbei ist und die Morgensonne aufgeht, können die Holzbalken aus dem Glasrahmen der Hütte herausgezogen werden, um einen transparenten Wohnraum in der Mitte oder auf der rechten Seite der Hütte zu schaffen, der als eine Art Sonnenraum fungiert. In den wärmeren Monaten kann der innerste Glasrahmen der Kabine weggeschoben werden, um einen komplett freiliegenden Mittelraum zum Sonnenbaden, Schlafen im Freien oder zur allgemeinen Entspannung zu schaffen.

Die Hütte mit einer Bodenfläche von 34 - 57 m2, davon ca. 8 m2 als Giebelzimmer im Obergeschoß, einer Höhe von 4,5 m und einem Gewicht von ca. 22 Tonnen bietet Platz für zwei Betten, eine komplette Küche, eine Toilette, eine Dusche und sogar eine versenkte Badewanne, und kann für ein netzunabhängiges Leben mit einem feuerbeheizten Kessel, einem Wasseraufbereitungssystem und einem Solarstromnetz ausgestattet werden.

Mit der kommerziellen Markteinführung werden 2021 die beiden Varianten ANNA Stay (für Wohnen und Übernachten) und ANNA Meet (für Meetings, Kurse oder Veranstaltungen) zur Vorbestellung bei Preisen ab 547,000 € angeboten. Laut Schols soll allerdings nur eine begrenzte Anzahl von 365 ANNAs produziert werden - gemäß der Anzahl der Tage, die die Erde braucht, um die Sonne einmal zu umrunden.

Zur Erinnerung: Die von Schols umgesetzte Technologie ist nicht neu, denn Ross Russell und Sally Morris hatten gemeinsam mit dem Londoner Architekturbüro dRMM bereits im Oktober 2009 in Suffolk, England, das Sliding House fertiggestellt, das über eine gleitende, äußere Struktur verfügt, die das Haupthaus, ein Nebengebäude für Gäste, eine Garage sowie ein Gewächshaus je nach Bedürfnis oder Klimageschehen ganz oder teilweise abdecken kann.


Nach dem Erfolg der Bosco Verticale genannten Türme von Stefano Boeri Architetti, die im Oktober 2014 im Norden von Mailand fertiggestellt wurden, schlagen ähnliche Gebäude nun weltweit Wurzeln.

Nanjing Vertical Forest

Nanjing
Vertical Forest

Bereits 2016 begann der Bau des Hochhausensembles Nanjing Vertical Forest (o. Nanjing Green Towers) in Jiangsu, dessen Fertigstellung 2018 erfolgte, obwohl sich die Bepflanzung mit 600 großen Bäumen, 200 mittelgroßen Bäumen und über 2.500 Sträuchern und Hängepflanzen sowie die letzten Arbeiten noch bis in das Jahr 2020 hinzogen.

Die offizielle Eröffnung und Inbetriebnahme der beiden 108 m bzw. 200 m hohen ersten Vertical-Forest-Türme in Asien, zwischen denen Büroflächen, ein Hotel, eine grüne Architekturschule, Einzelhandelsflächen, Restaurants, ein Konferenzsaal und Ausstellungsräume vorgesehen sind, wird schließlich für den Mai 2021 angesetzt, läßt sich bislang aber nicht bestätigen.

In China sind noch weitere Projekte unter der Leitung des chinesischen Teams von Boeri in Arbeit. Eines, das seit 2017 im Bau ist, trägt den Namen Easyhome Huanggang Vertical Forest City Complex und erstreckt sich über eine Fläche von 4,54 Hektar in der Nähe von Wuhan. Es umfaßt insgesamt fünf Türme, von denen zwei begrünt sein und Wohnungen beherbergen werden, während die übrigen als Hotels und Geschäftsräume konzipiert sind.

Die Hauptbauarbeiten werden im Dezember 2021 abgeschlossen, nachdem 395 (andere Quellen: 404) Bäume, 3.600 Sträucher und 12.000 Stauden gepflanzt worden sind. Die ersten Bewohner ziehen im folgenden Frühjahr ein. Die offizielle Eröffnung und vollständige Inbetriebnahme erfolgt dann im Mai 2022.

Das Architekturbüro hat darüber hinaus noch mehrere weitere begrünte Gebäude in China geplant, darunter das Rehabilitation Center Shenzhen, das bis 2023 fertig werden soll, sowie die gigantische Liuzhou Forest City für rund 30.000 Bewohner, deren Parks, Gärten und Gebäudefassaden mit 40.000 Bäumen und fast einer Million Pflanzen aus mehr als 100 Arten bepflanzt werden soll. Auch hier begannen die Bauarbeiten im Jahr 2017 und sollten bereits 2020 beendet werden, doch auch Mitte 2025 wird das Projekt weiterhin als ,in Umsetzung’ beschrieben.

Bosco Verticale aus LEGO

Bosco Verticale
aus LEGO

Inzwischen gibt es sogar eine LEGO-Version von TheCasleFan, der eine Mini-Nachbildung von Boeris Mailänder Projekt Bosco Verticale geschaffen hat, die aus 2.980 LEGO-Teilen besteht, fünf Stockwerke, Bewohner und viele Pflanzen umfaßt - sowie Solarpaneele auf dem Dach.

Unter Vorwegnahme der chronologischen Darstellung: Auf der Klimakonferenz COP27 im November 2022 in Sharm El Sheikh, Ägypten, legt das italienische Architekturbüro den Plan für einen Vertical Forest-Wolkenkratzer in Dubai vor, der zwei spitz zulaufende Türme mit einer Höhe von 150 bzw. 190 m umfaßt. Zusammen sollen die Türme 2.640 Bäume und 27.600 Sträucher sowie ein System von Gewächshäusern und hydroponischen Gärten beherbergen.

Das Projekt in Dubai, das bislang nur ein Prototyp ist, soll laut veröffentlichtem Material eine Entsalzungsanlage und ein System zur Rückgewinnung von Grauwasser sowie PV-Paneele enthalten, um die Türme mit sauberer Energie zu versorgen.


Im Juli 2021 wird im Botanischen Garten der Universität Freiburg der livMatS Pavillon fertiggestellt und der Öffentlichkeit präsentiert, der anschließend als Veranstaltungsort und Demonstrationsobjekt für nachhaltiges Bauen mit Naturfasern. Hinter dem innovativen Bauwerk stehen der Masterstudiengang ITECH am Exzellenzcluster Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC) der Universität Stuttgart sowie Biologen des Exzellenzclusters Living, Adaptive and Energy-autonomous Material Systems (livMatS) der Universität Freiburg.

livMatS Pavillon

livMatS Pavillon

Der Pavillon gilt als das erste Gebäude mit einer durchgängigen Tragstruktur aus robotisch gewickelten Flachsfasern, wobei jedes der 15 Elemente etwa 5 m lang und rund 100 kg schwer ist. Daß der Bau mit einer Gesamtfläche von 46 m2 nur anderthalb Tonnen wiegt, wird durch das Material Flachs möglich, das in seinen mechanischen Eigenschaften synthetischen Glasfasern ähnelt, einer bionischen Gestaltung und der robotergestützten Fertigung.

Dabei plaziert ein Roboter Faserbündel auf einen Wickelrahmen, so daß das Bauteil automatisch und ohne Abfall oder Verschnitt wächst. Das kernlose Wickelverfahren, das eine hohe Materialeffizienz mit ebensolcher Tragfähigkeit verbindet, ist eine eigene Entwicklung der Universität Stuttgart.

Der Pavillon, der an Flechtwerke und Pflanzenstrukturen erinnert, ist für volle Schnee- und Windlasten ausgelegt und durch und durch natürlich. Einzig eine wasserdichte Haut aus Polycarbonat schützt die Fasern vor UV-Strahlung und Feuchtigkeit.


Ebenfalls im Juli 2021 werden die Gewinner der Architizer A+Awards 2021 in einer Vielzahl von Kategorien bekanntgegeben, von denen hier der Preisträger in der Kategorie Wohnhaus, Privathaus (XL > 6.000 Quadratfuß, entsprechend etwa 557,42 m2) erwähnt werden soll. Dabei handelt es sich um das vom Architekten David Hertz in Los Angeles entworfene Sail House, das zwischen 2014 und 2021 auf der Insel Bequia - Teil des Staates St. Vincent und die Grenadinen - in der Karibik realisiert wurde.

Da es vor Ort bekanntermaßen schwierig ist, die erforderlichen Baumaterialien zu beschaffen, wird der gesamte Komplex vorgefertigt, flach verpackt und in 15 Schiffscontainern geliefert. Dadurch entsteht auch fast kein Abfall, der von der Insel hätte abtransportiert werden müssen.

Das Bauwerk besteht aus einem Haupthaus und mehreren Gästehäusern und bietet viel Platz für Unterhaltung und ein autarkes Design. Es ist nach seinen bemerkenswerten Zugdächern benannt, die von der Geschichte des Segelns in der Region inspiriert sind. Die Segel sind jedoch mehr als nur eine Hommage an die Kultur, denn sie dienen auch als Regensammelsystem und leiten das Wasser in Betonfundamente, die als Wasserspeicher dienen. Das System deckt den Wasserbedarf zu 100 %, und aus dem gespeicherten Wasser wird bei Bedarf Luft zur Kühlung des Raums gezogen.

Die tragende Konstruktion besteht aus korrosionsbeständigem Aluminium und ist mit recycelten Eisenholzplanken ummantelt, die von einem verlassenen Pier in Borneo stammen, ebenso wie die Plankenböden, Decks und die vertikalen Lamellen, die die tiefstehende Sonne und die vorherrschende Brise kontrollieren. Darüber hinaus verbessert die auskragende Dachlinie die Beschattung und Belüftung für eine natürliche Kühlung.

Im Inneren und Äußeren der Strukturen werden natürliche Materialien wie geflochtene Palmblätter, Kokosnußschalen und Oberflächen verwendet, die von javanischen und balinesischen Kunsthandwerkern hergestellt sind. Darüber hinaus ist das Sail House so konzipiert, daß es seinen gesamten Energiebedarf ganzjährig durch eine eigene Photovoltaikanlage deckt, die auf einem Nebengebäude steht. Genaue technische Angaben zur Leistung der PV-Anlage werden in den verfügbaren Quellen jedoch nicht genannt.

 

Auch Neuigkeiten zum ,Solarbaustoff’ Holz gibt es in diesem Jahr zuhauf. In einer Übersicht, die im Februar 2021 erscheint, werden einige Projekten beschrieben, die hier bislang nicht aufgeführt wurden aber als relevant für die Gesamtentwicklung gelten. Außerdem gibt es verschiedene materialbezogene Innovationen, die ausgesprochen erwähnenswert sind.


So wird Mitte 2012 in den Docklands von Melbourne Australiens grünstes Apartmentgebäude  fertiggestellt - denn der 10-stöckige und 32 m hohe Luxus-Apartment-Turm namens Forté ist zu diesem Zeitpunkt das höchste Holzapartmentgebäude der Welt, das mit den als Brettsperrholz oder CLT bekannten superstabilen Holzwerkstoffplatten gebaut wurde. Forté bietet 23 Boutique-Apartments und ein Quartett von Stadthäusern. Planer und Bauträger ist Lend Lease.

Mit acht Stockwerken und einer Höhe von 29,5 m ist das Wood Innovation and Design Centre (WIDC) in Prince George im Norden von British Columbia bei seiner Fertigstellung im Jahr 2014 das höchste Gebäude der Welt, das ausschließlich aus Holz gebaut ist.

Das von Michael Green und seinem gleichnamigen Architekturbüro realisierte Projekt im Umfang von 25 Mio. CA$, nutzt eine Reihe lokal hergestellter Holzwerkstoffe, darunter Brettsperrholz (CLT), Brettschichtholz (Glulam) und Furnierschichtholz. Verkleidet ist das WIDC mit Zedernholz. Es beherbergt einen Teil der University of Northern British Columbia sowie verschiedene Büros für Behörden und holzverarbeitende Unternehmen. Green ist übrigens Autor des 2017 erschienenen Buchs Tall Wood Buildings: Design, Construction and Performance.

Ab dem Herbst 2014 wird in Bergen, Norwegen, das 14-stöckige Wohnhaus Treet des Bauträgers Bergen and Omegn Building Society (BOB) gebaut, das im Dezember 2015 fertiggestellt und bezogen wird. Mit einer Höhe von 49 m gilt es zu diesem Zeitpunkt als höchstes Mehrfamilien-Holzwohnhaus der Welt. Treet beherbergt insgesamt 62 Luxuswohnungen, die als supereffiziente modulare Einheiten nach strengen Passivhaus-Standards in einer estnischen Fabrik hergestellt und dann zum Aufstellungsort verschifft und dort zusammengebaut wurden.

Ein bemerkenswerter Vorschlag ist auch das für Paris konzipierte Wolkenkratzerprojekt Baobab, das von Michael Green Architecture (MGA) gemeinsam mit dem lokalen Designstudio DVVD und dem französischen Immobilienentwickler REI France im Jahr 2015 beim Design-Wettbewerb Réinventer Paris eingereicht wurde.

Mit 35 Stockwerken und einer rekordverdächtigen Höhe von 120 m sollte der ganz aus Holz bestehende Turm Luxus- und erschwingliche Wohnungen, Einzelhandelflächen, Gemeinschaftsgärten und ein Busdepot umfassen. Das ambitionierte Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt bzw. auf unbestimmte Zeit verschoben.

Trätoppen Grafik

Trätoppen
(Grafik)

Für Stockholm wird von Anders Berensson Architects im April 2016 ein hölzerner Wolkenkratzer namens Trätoppen vorgestellt - schwedisch für Baumkrone -, der direkt aus dem Dach eines Parkhauses aus den 1960er Jahren herausragen soll als ein urbanes Nachwachsen im wahrsten Sinne des Wortes: innovative und grüne neue Konzepte, die direkt aus alten Betonstümpfen sprießen.

Der von der Stockholmer Zentrumspartei in Auftrag gegebene Trätoppen, der sich 40 Stockwerke über das bestehende siebenstöckige Parkhaus erhebt, soll aus CLT gebaut und mit einer perforierten Holzfassade umhüllt werden, auf der man die einzelnen Etagennummern ablesen kann. Die Fassade hat auch einige praktische Vorteile und wirkt wie ein Sonnenschutz, der das Gebäude kühl und energieeffizient hält.

In dem 133 m hohen Holzturm werden 250 Wohnungen untergebracht, während die darunter liegende alte Garage in ein Einzelhandelszentrum mit Geschäften und Restaurants umgewandelt wird, in dem kein einziges Auto mehr steht. Um den Sockel des Hochhauses herum wird sich auf dem Dach des Parkhauses eine üppig bepflanzte öffentliche Terrasse erstrecken. Auch in diesem Fall gibt es keine Hinweise auf eine Realisierung oder einen Baubeginn.

Im Sommer 2017 wird auf dem Campus der University of British Columbia (UBC) in Vancouver der 18-stöckige Holz-Hybrid-Turm Brock Commons offiziell eröffnet, dessen Bau im November 2015 begonnen hatte. Das 53 m hohe Studentenwohnheim hat 404 Einzelzimmer.

Gemäß dem neuen Hochhausreglement der Stadt Zug in der Schweiz, das im August 2017 verabschiedet wurde und Gebäude bis zu 80 m Höhe an diesem Standort ermöglicht, wird im September 2019 der Siegerentwurf eines Wettbewerbs der Urban Assets Zug AG vorgestellt, dessen Ziel die Entwicklung eines innovativen Holzhochhauses mit Schwerpunkt auf nachhaltigem, bezahlbarem Wohnraum und sozialer Durchmischung ist.

Das Besondere an dem Projekt Pi ist, daß das geplante 80 m hohe Holzhochhaus mit 27 Stockwerken im Unterschied zu bisherigen Bauten auf einen stabilisierenden Kern aus Beton verzichtet. Stattdessen greifen die Architekten und Ingenieure auf ein Tube-in-Tube-System (o. hull and core) zurück, wie es für Hochhäuser aus Stahl und Beton mit einer Höhe von über 300 m angewendet wird. Dabei stabilisieren ineinander greifende Röhrenstrukturen, die rundherum über alle Stockwerke laufen, das Gebäude gegen Windlasten. Im vorliegenden Fall werden horizontale und vertikale Lasten durch ein Rahmentragwerk aus Buchenholz und spezielle Holz-Verbund-Flachdecken aufgefangen, die eigentlichen Kernelemente der Konstruktion.

Zusätzlich wird das Gebäude mit PV-Modulen in der Fassade selbst zum Energieproduzenten und deckt damit zumindest einen kleinen Teil des Bedarfs der geplanten Wohnungen, Ateliers und Werkstätten. Nachdem der Baubeginn im neuen Tech Cluster Zug ursprünglich für das Jahr 2022 vorgesehen war, was durch komplexe Planungs- und Genehmigungsprozesse sowie Einsprachen jedoch verzögert wurde, ist er nun für das Jahr 2026 geplant.

Im Dezember 2019 gibt die Stadt Rotterdam bekannt, daß das Team um das Londoner Büro PLP Architecture den Wettbewerb des Bauträgers Provast für ein Hochhaus am Delftseplein gewonnen hat, einen Hybridholzturm mit dem Namen Tree House, der eine Höhe von 140 m erreichen soll. Die oberen Etagen werden 275 Wohnungen mit begrünten Balkonen enthalten, die unteren 15.000 m2 Büroflächen.

Ein Restaurant im siebten Stock wird auf eine bepflanzte Terrasse blicken, während im Erdgeschoß Geschäfte, Cafés und ein Veranstaltungs- und Aufführungsraum geplant sind. Darüber hinaus wird das Gebäude von drei Gewächshäusern gekrönt, und das Regenwasser wird gesammelt und zur Wiederverwendung gespeichert. Mit dem Bau des auf 160 Mio. € bezifferten Projekts soll 2021 begonnen werden, die Fertigstellung wird für 2024 erwartet, doch auch Mitte 2025 befindet es sich noch immer in der Planungs- und Genehmigungsphase.

Das Büro PLP Architecture ist uns im übrigen bereits mit dem 2014 fertiggestellten Bürogebäude The Edge und 2016 mit dem für London geplanten, 80-stöckigen Timber Tower begegnet (s.d.).

WoHo Grafik

WoHo
(Grafik)

Doch nun zu den aktuellen Projekten: Bereits Ende Januar 2021 präsentiert das norwegische Architekturbüro Mad Arkitekter aus Oslo die Pläne für ein 98 m hohes Hybrid-Holzhochhaus mit 29 Geschossen und einer Nutzfläche von 18.000 m2 - einschließlich angrenzender Flachbauten, die Teil des Projekts sind -, das in Berlin neben dem Anhalter Bahnhof entstehen soll. Hybrid deshalb, weil das Untergeschoß sowie die Kerne der vier Baukörper ganz klassisch aus Beton errichtet werden, und lediglich der Rest der Konstruktion aus Holz bestehen wird.

Der Entwurf hatte sich im Rahmen eines Realisierungswettbewerbs für das Wohnhochhaus WoHo in Berlin-Kreuzberg, der von der Unternehmensgruppe UTB ausgelobt wurde, gegen 13 Konkurrenten durchgesetzt. Das Budget beläuft sich auf etwa 90 Mio. €.

Geplant ist eine Mischnutzung, bei der 60 % sollen als Wohnraum dienen, während 25 % zu Gewerbeflächen werden und die restlichen 15 % für die soziale Infrastruktur eingeplant sind, wie beispielsweise eine Kindertagesstätte, Bäckereien, Cafés und Werkstätten, aber auch einen öffentlich zugänglichen Dachgarten, der eine Bar und eine Sauna sowie einige zusätzliche Außenterrassen umfassen wird. Neben einer großzügigen Verglasung ist auch die Begrünung der Fassade eingeplant. Das WoHo sollte bis 2026 fertiggestellt werden, befindet sich Mitte 2025 aber noch immer in der Planungsphase.


Ebenfalls im Januar wird bekannt, daß die Pläne für den Tilia Tower der Architekturbüros 3XN und IttenBrechbühl im Vormonat als Siegerentwurf aus dem internationalen Wettbewerb hervorgegangen sind, den die Immobiliengesellschaft Insula AG ausgelobt und an dem 15 internationale Teams teilgenommen hatten.

Der gemischt genutztes Holzturm im Quartier Prilly-Malley am Stadtrand von Lausanne wird 85 m hoch sein, wobei allerdings noch nicht klar ist, ob er ganz aus Holz gebaut oder einen Betonkern haben wird. Die 37.000 m2 Nutzfläche des Gebäudes werden in Wohnungen, Einzelhandelsflächen, Restaurants, öffentlichen Räumen und ein Hotel aufgeteilt. Für den Turm wird eine strukturierte Fassade mit tiefen Fensternischen und Terrassen entworfen, die auch für eine optimale Belichtung und Beschattung sorgen sollen.

Als Teil des von der Insula SA und der Realstone Group entwickelten Gesamtprojekts werden außerdem ein angrenzendes bestehendes Bürogebäude und eine Badmintonhalle erhalten bleiben. Diese werden energetisch saniert und ihre Fassaden so umgestaltet, daß sie besser zu dem neuen Turm passen. Die Bauarbeiten beginnen im Frühjahr 2024, um voraussichtlich 2026 fertiggestellt zu werden.


Doch Holz kann nicht nur als Baumaterial genutzt werden. So veröffentlicht ein Team um Prof. Ingo Burgert, Prof. Francis Schwarze und Javier Ribera an der EMPA und der ETH Zürich im März 2021 die im Netz einsehbare Studie ,Enhanced mechanical energy conversion with selectively decayed wood’ über die Entwicklung von piezoelektrischem Holz, mit dem sich beispielsweise Strom aus dem Parkett gewinnen läßt. Das Team hatte bei früheren Forschungsarbeiten bereits hochfestes, wasserabweisendes sowie magnetisierbares Holz entwickelt.

Piezo-Holzschwamm

Piezo-Holzschwamm

Nun wird über ein einfaches und umweltfreundliches Verfahren berichtet, um mit einem ,Schwamm’ aus Balsaholz eine elektrische Spannung zu erzeugen. Damit der natürliche piezoelektrische Effekt von Holz zum tragen kommt, dessen Zellwände aus den drei Grundstoffen Lignin, Hemizellulosen und Zellulose bestehen, wird das Lignin zumindest teilweise herausgelöst, indem das Holz in eine Mischung aus Wasserstoffperoxid und Essigsäure einlegt wird.

Der dabei entstehende weiße Holzschwamm besteht aus übereinanderliegenden, dünnen Zelluloseschichten, die sich einfach zusammenpressen lassen und sich dann wieder in ihre ursprüngliche Form ausdehnen. Ein Testwürfel aus diesem Material mit den Maßen 15 x 15 x 13,2 mm ist in der Lage, unter einem Druck von 45 kPa eine maximale Spannung von 0,87 V und einen Strom von 13,3 nA zu erzeugen. Zudem zeigt das Material eine erstaunliche Stabilität. 30 solcher Holzklötze, die parallel mit dem Körpergewicht eines Erwachsenen belastet werden, können ein einfaches LCD-Display zum Leuchten bringen.

Um das Verfahren so abzuwandeln, daß es ohne aggressive Chemikalien auskommt, nutzen die Forscher einen biologischen Prozeß: Der Weißfäulnis verursachende Pilz Ganoderma applanatum baut das Lignin und die Hemizellulose im Holz besonders schonend ab. Zudem läßt sich das umweltverträgliche Verfahren im Labor gut steuern.

In weiteren Experimenten will das Team nun die mögliche Skalierbarkeit dieses Nanogenerators untersuchen. Zudem werden bereits Gespräche mit potentiellen Kooperationspartnern geführt, um die Technologie für industrielle Anwendungen zu adaptieren, wie z.B. einen funktionalisierten Parkettboden, der die Trittenergie in Strom umwandelt - was bereits diverse Vorläufer machen, die im Kapitel Muskelkraft unter Treten und Tanzen aufgeführt sind (s.d.).


Als im Mai 2021 die Sieger der diesjährigen eVolo Skyscraper Competition bekanntgegeben werden, steht an der Spitze der Living Skyscraper For New York City, der von einem großen Architekten- und Designer-Team aus der Ukraine stammt und wie eine Weiterentwicklung der derzeitigen Holztürme wirkt, die in Städten auf der ganzen Welt immer beliebter werden. Die Mitglieder sind Teil der Architekturszene in Lviv und agieren unter dem Namen Guess Line Architects.

Ihr Projekt verfolgt die visionäre Idee, genetisch veränderte, schnellwüchsige und hohe Laubbäume zu verwenden, die in Gruppen in speziell aufbereiteten Boden gepflanzt werden, um dann zu einem wirklich nachhaltigen Wolkenkratzer heranzuwachsen, der sowohl als Aussichtsturm mit eigener Flora und Fauna als auch als grünes Erholungszentrum dienen soll.

Dem Team zufolge würde dies auch inmitten einer grauen Megalopolis funktionieren und dabei eine Reihe von wichtigen Umwelt- und Stadtproblemen lösen. Ein lebender Wolkenkratzer-Baum wäre ein eigenständiger Organismus mit Wurzelsystem, Bewässerung, Pflegemechanismen und Entwicklungsmerkmalen, die auf seine Anpassung an die Architektur ausgerichtet sind.

Während die Pflanzen Wasser und Nährstoffe aufnehmen und von der Wurzel bis zur Spitze verteilen, werden durch das Wachstum des Stammumfangs gleichzeitig die Festigkeit der Holzstruktur allmählich erhöht und ihre selbsttragenden Eigenschaften verbessert. Und indem während der Entwicklung die Äste benachbarter Bäume auf verschiedenen Ebenen veredelt werden, bilden sie ein Netzwerk, die die Struktur stärkt und ihr Wachstum fortsetzt. Der Ansatz entspricht der architektonischen Richtung Baubotanik, über die am Ende der Jahresübersicht 2018 berichtet wurde (s.d.).

Bildungshaus NeckarPark im Bau

Bildungshaus NeckarPark
(im Bau)

Im Juli 2021 unterzeichnen die Landeshauptstadt Stuttgart und die Wolff & Müller Hoch- und Industriebau GmbH & Co. KG den Vertrag zum Bau des Bildungshaus NeckarPark, das mit einer Investition von 93,6 Mio. € das derzeit größte Einzelvorhaben der Stadt im Schulbereich ist. Entsprechend dem Entwurf der Kooperationspartner Glück + Partner GmbH Freie Architekten BDA und Pfrommer + Roeder Freie Landschaftsarchitekten BDLA IFLA wird das Gebäude auf 7.500 m2 im Neckarpark entstehen, dem neuen Wohn- und Gewerbegebiet auf der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs in Bad Cannstatt.

Das vergleichsweise niedrige Bildungshaus vereint eine vierzügige Grundschule, eine Sporthalle mit zwei Feldern, eine Kita für sieben Gruppen und ein Mittelzentrum der Volkshochschule in einem Gebäude. Hier wird es aufgeführt, weil es in Holzhybridbauweise errichtet wird. Das Untergeschoß mit Tiefgarage soll als Stahlbetonsockel ausgeführt werden; bei den darüber liegenden fünf Geschossen dominiert Holz als Konstruktionsmaterial. Das Bauwerk wird dadurch auch leichter und läßt die Heilquellen unberührt, in deren Schutzgebiet es errichtet wird.

Neben einer markanten Fassadenbegrünung wird auf dem Dach eine PV-Anlage mit einer Leistung von ca. 300 kW installiert, die als Gründachsystem ausgeführt wird. Der Bau beginnt im Sommer 2022, das Richtfest wird Ende Februar 2024 gefeiert, und die Eröffnung ist für das Schuljahr 2025/2026 geplant.


Im September 2021 wird der symbolische Grundstein für das bislang höchste Holzhaus in Deutschland gelegt, das in der Hamburger Hafencity nahe der Elbbrücken entsteht und 65 m hoch werden soll. Bei dem Roots (früher: Wildspitze) genannten Haus mit 19 Stockwerken, das der Architekt Jan Störmer und sein Büro Störmer Murphy and Partners GbR entworfen haben, bestehen lediglich Fundament, zwei Untergeschosse und das Treppenhaus aus Beton. Für Decken, Wände und Fassade werden etwa 5.500 m3 Konstruktionsholz benötigt, zuzüglich der Holzmengen für alle nichttragenden Bauteile.

Da Holz ein knapper und entsprechend begehrter Baustoff auf dem Weltmarkt ist und die USA und China derzeit Unmengen an Holz aus Deutschland zu hohen Preisen aufkaufen, wird erwartet, daß das Holzhaus mit seinen 181 Wohnungen etwa 12 % teurer wird als ein Gebäude in herkömmlicher Bauweise, weshalb eine Investition von 140 Mio. € veranschlagt wird.

Entwickelt und koordiniert von der Firma Garbe Immobilien-Projekte GmbH werden 128 der 181 Wohnungen auf rund 20.600 m2 als Eigentumswohnungen vermarktet, 53 Wohnungen von der öffentlichen Hand mitfinanziert, und 80 % aller Wohnungen sollen bereits vergeben sein. Das 1. und 2. Obergeschoß sind auf einer Fläche von rund 1.700 m2 für eine Büronutzung ausgebaut und werden nach Fertigstellung durch die Deutsche Wildtier Stiftung genutzt.

Die Montage der ersten Holzelemente beginnt im Mai 2022 und die Fertigstellung ist für 2023 geplant, verzögert sich dann allerdings bis zum März 2024.

Sara Kulturhus

Sara Kulturhus

Bereits eröffnet wird im September 2021 im schwedischen Skellefteå das Sara Kulturhus (o. Kulturhuset) ein 19-stöckiges Hochhaus nebst einem niedrig gelegenen dreistöckigen Kulturzentrum mit der Hauptbibliothek der Stadt. Das gemischt genutzte Projekt umfaßt zudem ein Hotel mit Konferenzbereich, Restaurant und Spa sowie ein Theater und ein Museum. Das von der skandinavischen Megafirma White Arkitekter mit Hauptsitz in Göteborg entworfene Gebäude, das 2016 aus einem Designwettbewerb als Sieger hervorging, ist mit 75 m das höchste Holzgebäude in den nordischen Ländern.

Der beinahe 30.000 m2 große Komplex besteht zwar in erster Linie aus vorgefertigten 3D-Modulen aus Brettsperrholz (CLT), doch zur strukturellen Unterstützung werden auch Stahl und Beton verwendet, weshalb es sich bei dem Bauwerk um einen Hybrid-Holz-Wolkenkratzer handelt, auch wenn manchmal von einem Vollholzturm gesprochen wird. Das eingesetzte Holz stammt aus nachhaltiger regionaler Forstwirtschaft.

Die Außenseite des Gebäudes ist mit Sonnenschutzvorrichtungen versehen, um das Innere vor der 24-stündigen Sommersonne zu schützen, und Wärmepumpen sorgen für eine energieeffiziente Heizung und Kühlung. Insgesamt 1.200 m2 PV-Paneele reduzieren den Stromverbrauch, und ein integriertes KI-basiertes System paßt den Energieverbrauch je nach Belegung an.


Ebenfalls im September 2021 berichteten Wissenschaftler der Universität Göttingen um Prof. Holger Militz und des Schweizer Farb- und Chemieunternehmens Archroma über eine neue Methode, mit der europäische Nadel- und Laubholzarten gezielt behandelt werden können, um deren Feuerfestigkeit deutlich zu erhöhen. Die innovative Technik nutzt spezielle Chemikalien, um günstiges und ökologisches Holz aus europäischen Wäldern zu qualitativ hochwertigem, feuerfestem Bauholz zu machen.

Es gelang schon zuvor, die Dimensionsstabilität, Wetter- und Wasserbeständigkeit sowie die Resistenz gegenüber holzzerstörenden Pilzen von einheimischen Holzarten zu verbessern, indem die Holzzellwand über eine Vakuum-Druck-Imprägnierung mit Kondensationsharzen modifiziert wurde. Bei erhöhter Temperatur reagieren die Harze mit der Zellulosefaser und bringen im Holz Eigenschaften ähnlich denen von Tropenhölzern hervor. Diese Technologie wurde nun gemeinsam mit der Archroma weiterentwickelt, die sie künftig auch weltweit exklusiv vermarkten soll.

Durch die Kombination der genannten Holzmodifikation mit einer Behandlung mit einem ungiftigen, für Textilgewebe entwickelten Flammschutzmittel, kann Holz mit den mechanischen Eigenschaften von Tropenhölzern sowie erhöhter Pilzresistenz hergestellt werden, das außerdem auch im Außenbereich langfristig feuerfest ist. Auf den Vergleichsfotos ist links das unbehandelte und rechts das behandelte Holz unter Beflammung zu sehen.

Ein Material mit solchen Eigenschaften ist von großem Interesse, da Holz ansonsten leicht entflammbar ist und besonders im Baubereich oft nicht die gesetzlichen Brandschutzanforderungen erfüllt. Zudem gibt es einen klaren wirtschaftlichen Vorteil: Weichholzbäume benötigen nur einen Bruchteil der Zeit, die ein tropischer Laubbaum zum Wachsen benötigt. Indem also dem Nadelholz die erforderlichen Eigenschaften des Laubholzes verliehen werden, kann auf bestehende, nachhaltig bewirtschaftete Wälder zurückgegriffen werden, um das dauerhafte Holz zu erzeugen, das für Bauanwendungen benötigt wird.

 

Bei den peripheren Informationen geht es in diesem Jahr in erster Linie um neue Entwicklungen bei der Dämmung und dem Betonbau.

Im März 2021 veröffentlicht ein Team der Freien Universität Bozen um Marco Caniato die Studie ,Acoustic and thermal characterization of a novel sustainable material incorporating recycled microplastic waste’, in welcher es über einen interessanten Ansatz berichtet, die problematischen, im Meer schwimmenden Mikroplastik-Teilchen zur Herstellung eines Dämmstoffs zu nutzen.

Mikroplastik-Dämmstoff

Dämmstoff
aus Mikroplastik

Deren Wiederverwertung ist oftmals problematisch, da die Teilchen nicht sortenrein, oft mit anderen, nicht aus Plastik bestehenden Partikeln vermischt und zudem von Meersalz überzogen sind. Die heterogene Zusammensetzung des maritimen Mikroplastiks macht es nahezu unmöglich, aus ihm neue Kunststoffteile zu erschaffen, weshalb aus dem Meer entferntes Mikroplastik oft auf Deponien landet oder verbrannt werden muß.

Der Plan, aus dem heterogenen Mikroplastik einen Dämmstoff machen, entstand aus der Beobachtung, daß das natürliche Geliermittel Natriumalginat nicht nur eine gelartige Konsistenz aufweist, sondern auch poröse, festere Strukturen bilden kann. Für ihre Experimente stellen die Forscher Mikroplastik-Mischungen her, die in ihren Partikelgrößen sowie der Zusammensetzung dem maritimen Mikroplastik entsprechen. Diese Mischungen versetzen sie dann mit flüssigem Alginat, dem zuvor Calciumkarbonatpulver als Bindemittel hinzugegeben wurde.

Indem die Calcium-Ionen des Karbonats mit den Molekülketten des Alginats reagieren, werden Querverlinkungen ausgebildet und eine poröse Grundmatrix entsteht. Die Alginat-Plastik-Mischung bildet so eine poröse Struktur, deren Hohlräume mit Wasser gefüllt sind, das sich durch Gefriertrocknung entfernen läßt, womit ein fester, trockener Hartschaum aus Plastikteilen und Alginat entsteht, der in Konsistenz und Bearbeitungseigenschaften klassischen Dämmstoffen aus dem Gebäudebau ähnelt. Das Wasser, das am Ende der Gefriertrocknung nach dem Auftauen abgegeben wird, wird wiederverwendet.

Tests bestätigen, daß das Produkt hervorragende Dämmeigenschaften hat und problemlos mit herkömmlichen Dämmstoffen wie Steinwolle oder Polyurethanschaumstoffen mithalten kann, auch bezüglich der Schalldämmung und der Wärmeisolierung. Dabei ist es egal ist, aus welchen Kunststoffen das Mikroplastik besteht oder ob seine Partikel gleich groß sind.

Zudem ist der Grundstoff Alginat biologischen Ursprungs, so daß die patentierte Methode auch umweltfreundlich ist. Caniato entwickelte das Biopolymer in Zusammenarbeit mit Chiara Schmid von der Universität Triest aus einem Extrakt der Meeresalge Agar Agar. Bislang mangelt es allerdings noch an einem effektiven und günstigen Verfahren, mit dem die Mikroplastikpartikel aus dem Meer entfernt werden können. Caniato ist übrigens ab Oktober 2024 Professor an der HFT Stuttgart.


Im April 2021 geht ein sechsjähriger Wettbewerb zur Abscheidung von CO2-Emissionen aus in Betrieb befindlichen Kraftwerken und deren Umwandlung in nützliche Produkte zu Ende. Der mit insgesamt 20 Mio. $ dotierte Carbon XPrize startete 2016 mit fast 50 Teams aus aller Welt, die 2018 auf zehn vielversprechende Finalisten reduziert wurden. Diese Teams mußten ihre Technologien dann in einem Kohlekraftwerk in Wyoming oder in einem erdgasbefeuerten Kraftwerk im kanadischen Calgary demonstrieren, wo schließlich zwei Gewinner ermittelt wurden.

Bei diesen handelt es sich um zwei Teams aus Nordamerika, die nachweisen, daß ihre Ansätze erhebliche Mengen an CO2 entfernen und daraus Beton herstellen können, der die gleiche oder sogar eine bessere Leistung aufweist als das herkömmliche Material.

Das kanadische Start-Up CarbonCure Technologies erhält 7,5 Mio. $ für eine Methode, bei der eine hochspezifische Menge an abgeschiedenem CO2 in das Rückgewinnungssystem eines Betonwerks injiziert wird, wo es mit den Kalziumionen im Zement reagiert und ein Mineral in Nanogröße bildet, das in Betonmischungen eingearbeitet werden kann und dessen Druckfestigkeit um bis zu 10 % erhöht. Dank dieser Rezepturänderung kann der Beton mit weniger Frischwasser, weniger Abfall und vor allem mit weniger Zement hergestellt werden.

Den gleichen Betrag erhält das Team CarbonBuilt von der University of California, Los Angeles (UCLA) für eine Technologie die die Abscheidung von CO2 aus den Rauchgasströmen von Kraftwerken oder Zementfabriken und dessen direkte Injektion in die Betonmischung vorsieht, wo es umgewandelt und dauerhaft gespeichert wird. Der Ansatz reduziert den CO2-Fußabdruck von Beton um mehr als 50 % und verringert die benötigte Menge an herkömmlichem Portlandzement um 60 - 90 %, gleichwohl dieser Beton genauso stark und haltbar ist wie herkömmlicher Beton.


Über eine neue Technik zur Herstellung von Beton, bei der Betonabfälle recycelt und mit abgeschiedenem Kohlendioxid kombiniert werden, wird im Oktober 2021 berichtet (,A New Concept of Calcium Carbonate Concrete using Demolished Concrete and CO2’).

Ein großes Team der Universität Tokio und weiterer japanischer Universitäten sowie den beiden Firmen Taiheiyo Cement Corp. und Shimizu Corp. hat demnach ein Verfahren entwickelt, das den ökologischen Fußabdruck von Beton gleich in mehrfacher Hinsicht verringert. Zum einen wird das neue Material aus altem Betonschutt hergestellt, der oft auf Deponien landet. Zudem kann das Verfahren bei etwa 70°C durchgeführt werden, was sehr weit unter den mehr als 1.000°C liegt, die zum Brennen von Kalkstein erforderlich sind. Ein weiterer Vorteil ist, daß das eingemischte Kohlendioxid entweder aus Industrieabgasen oder direkt aus der Luft gewonnen werden kann.

Für Tests werden Musterblöcke aus zwei gängigen Bauabfallprodukten hergestellt: Zementstein (HCP) bzw. Quarzsand. Das Verfahren beginnt mit einer Kalziumbikarbonatlösung, die aus Kalksteinpulver, entionisiertem Wasser und Kohlendioxidgas besteht. Diese Lösung wird dann in eine Form gepumpt, die einen der Zuschläge - entweder HCP-Pulver oder Quarzsand - enthält, der dann auf 70°C erhitzt wird. Das Endergebnis ist ein Block aus einem neuen Material, das das Team Kalziumkarbonatbeton nennt.

Bislang liegt die durchschnittliche Druckfestigkeit der Blöcke aus dem kohlenstoffneutralen Kalziumkarbonatbeton allerdings erst bei 8,6 MPa, was weit unter den 20 - 40 MPa von Beton aus Portlandzement liegt. Dies soll nun durch weitere Arbeiten verbessert werden. Außerdem soll der Energieverbrauch des Produktionsprozesses weiter gesenkt werden.


Zum Abschluß dieser Jahresübersicht ist noch ein Projekt der außerirdischen Architektur zu erwähnen. Auf der 17. Internationalen Architekturausstellung der Biennale di Venezia, die im Mai 2021 beginnt, stellen die Architekten von Skidmore, Owings & Merrill (SOM) ein Monddorf vor, das als visionäres Konzept für die erste permanente menschliche Siedlung auf der Mondoberfläche in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt wurde. Die erste Konzeptpräsentation war bereits 2019 auf der Architektur-Biennale gezeigt worden.

Moon Village Grafik

Moon Village
(Grafik)

Das Moon Village ist in erster Linie als eine Ansammlung von Forschungsstationen konzipiert und soll eine Reihe von Funktionen beherbergen, die von der Nachhaltigkeitsforschung bis hin zum zukünftigen Mondtourismus reichen. Der Standort am Rande des Shackleton-Kraters in der südlichen Polarregion des Mondes bietet die Möglichkeit einer autarken Siedlung, die nahezu ganzjährig Sonnenlicht erhält, das zur Energiegewinnung genutzt und gespeichert werden kann. Auf der Abbildung sind regelrechte ,Wälder’ aus senkrecht stehenden PV-Paneelen zu sehen.

Dem Bauplan zufolge ist das strukturelle Design der 3 - 4 Stockwerke hohen Module ein hybrides starr-weiches System, das aus zwei Schlüsselelementen besteht: einem starren, tragenden Gerüst aus einer Titanlegierung als Verbundrahmen und einer aufblasbaren strukturellen Hülle, die einen mehrschichtigen Aufbau mit einem Umweltschutzsystem umfaßt. Damit lassen sich die Baumaterialien der einzelnen Strukturen leicht per Rakete transportieren.

Die Kombination aus einem starren Gerüst und einer aufblasbaren Hülle aus Polyurethan mit offenem Schaum und doppelt aluminisiertem Mylar zur Isolierung wurde von SOM auch gewählt, um sich an die internen und externen Umweltbedingungen anzupassen, die Luftzirkulation zu optimieren und transparente Arbeitsräume zu erhalten, während das freie, zentrale Volumen die Effizienz der Forschungsprojekte fördert. Das Projekt ist weiterhin Gegenstand internationaler Forschung und wird regelmäßig in Ausstellungen und Fachpublikationen präsentiert, zuletzt 2023 in Paris.

 

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